„Die CDU darf nicht länger über falsche Brandmauern streiten. Das hat nur den Effekt, dass die AfD die CDU immer wieder vorführen kann“ sagt Andreas Rödder, der Vorsitzende Grundwerte-Kommission der CDU und entfacht damit eine heftige Debatte in seiner Partei. Er spricht sich sogar für CDU-Minderheitsregierungen in Ostdeutschland aus, selbst wenn sie in Einzelfällen von der AfD unterstützt werden würden. Und das alles nur eine Woche nachdem in Thüringen die CDU einen Antrag mit Stimmen der AfD durchbrachte.
Von einem „Pakt mit dem Teufel“ sprach Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) da noch. Alice Weidel schrieb hingegen via Twitter freudig, „Merz Brandmauer ist Geschichte“. Beide Aussagen sind falsch. Sowohl die Linke als auch die CDU hatten im Landtag schon zuvor gemeinsam mit der AfD abgestimmt. Von einem Ende der „Brandmauer“ kann daher keine Rede sein. Noch.
Die „Brandmauer“ nagelt Deutschland auf Mitte-Links-Koalitionen fest
Bodo Ramelow muss nächstes Jahr um sein Amt fürchten. Die stärkste Fraktion wird ab 2024 wohl die AfD stellen. Ramelow wird ab der nächsten Legislaturperiode die nahezu volle Unterstützung der CDU-Fraktion benötigen, sonst wird er das Amt des Ministerpräsidenten nach zehn Jahren aufgeben müssen. Gegenüber der AfD fordert Ramelow deswegen die politische Selbstkasteiung der CDU.
Die Union steht vor einem gewaltigen Dilemma. Die CDU kann weitermachen, wie bisher. Sie kann eine „Brandmauer“ zur AfD errichten und sich damit zur politischen Geisel von Grünen und SPD machen. Im konservativen Wähler-Milieu wird man damit aber seine Glaubwürdigkeit verspielen. Im Osten läuft die Brandmauer auf eine Pulverisierung der Union hinaus. Genau deshalb gibt es in den dortigen Landesverbänden immer vehementeren Widerstand gegen die teils realitätsfremden Vorstellungen aus der Parteizentrale von der „Brandmauer“.
Die Union von Söder bis Spahn hat groß angekündigt, das Heizgesetz von Habeck rückgängig zu machen. Wie das genau vonstattengehen soll, dazu schweigt man sich in CDU und CSU aus. Mit den Grünen oder der SPD in der Koalition ist dies völlig undenkbar. Schwarz-Gelb hat längst keine Mehrheiten mehr. Lediglich in einem Landtag, in Schleswig-Holstein, verfügen CDU und FDP noch über eine rechnerische Mehrheit. Dies liegt maßgeblich daran, dass die AfD 2022 den Einzug ins Parlament knapp verpasste. In Schleswig-Holstein entschied sich Daniel Günther jedoch ganz freiwillig für Schwarz-Grün.
Im Herbst 2024 entscheidet sich die Zukunft der CDU
Solange Merz und Co. an der „Brandmauer“ festhalten, ist Deutschland jedoch großflächig auf Links- oder Mitte-Links-Koalitionen festgenagelt. Genau das dürfte bei manchem Anwurf auch das Kalkül sein: Für Rot und Grün ist die Brandmauer auch rein machtpolitisch ein Erfolg. Die CDU blutet hingegen für den Ausschluss der AfD – das nimmt im Osten jetzt existenzgefährdende Ausmaße an.
In der Union scheinen Opportunisten und das Merkel-Lager derzeit die klare Mehrheit zu halten. Die Zusammenarbeit mit der AfD auch nur in den Raum zu stellen, kann die eigene politische Karriere daher aktuell beenden. Wer Posten und Ämter bekleiden will, der muss sich geradezu obligatorisch vehement von der AfD abgrenzen. Dies zeigte sich zuletzt, als Merz zumindest die kommunale Zusammenarbeit mit der AfD in Aussicht stellte. Markus Söder, Hendrik Wüst und Daniel Günther empörten sich über Merz und forderten ein glasklares Bekenntnis zur „Brandmauer“ ein. Dass bei den drei genannten auch eigene politische Ambitionen eine Rolle spielen, ist unnötig zu erwähnen. Merz ruderte schließlich zurück.
Die plötzliche Unabhängigkeit von Thomas Kemmerich
Mit der FDP von Thomas Kemmerich kommt in Thüringen ein weiterer interessanter Akteur hinzu. Inhaltlich hat Kemmerich sich nie wirklich von einer punktuellen Zusammenarbeit mit der AfD distanziert. Die Bundespartei hat ihn jetzt vom Wahlkampf-Fonds abgeschnitten und ihn damit ganz offiziell auf eigene Füße gestellt. Man darf davon ausgehen, dass Kemmerich nicht nur die Nachteile dieser Unabhängigkeit mitnehmen wird – die völlige Eigenständigkeit eröffnet auch Kemmerich neue Möglichkeiten in Sachen Brandmauer, von denen die FDP extrem profitieren könnte.
Der Umgang mit der AfD wird in der Union jedoch noch für reichlich Konfliktpotenzial sorgen. Bis September im nächsten Jahr dürfte sich in der Frage nicht viel bewegen. Merz wird peinlich genau darauf bedacht sein, jegliche Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen. Alles andere würde sein Amt gefährden. Die östlichen CDU-Landesverbände Sachsen und Thüringen wird man bis zum Wahltag mit dem „Problem AfD“ alleinlassen und auf ein Wunder hoffen. Sollten sich dann die derzeitigen Umfrageergebnisse realisieren oder gar noch stärker zugunsten der AfD ausschlagen, ist alles möglich.
Die Zukunft der CDU könnte sich in den Wirren der Ost-Wahlen maßgeblich im September und Oktober nächsten Jahres entscheiden. Womöglich gelingt es der CDU, die Reihen weitgehend zu schließen und mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen ist, dass die CDU in Sachsen und Thüringen die Kooperation mit der AfD sucht und damit einen heftigen Machtkampf um Strategie, Ausrichtung und Posten entfacht. Die meisten bundespolitischen Stimmen halten erstmal weiter beide Ohren und Augen zu und üben sich in organisierter Realitätsausblendung.
Man muss schon fast sagen: Wenn sich niemand bewegt, dürfte der einzige Ausweg aus dem CDU-Dilemma darin bestehen, dass die AfD in Thüringen die absolute Mehrheit gewinnt. Dann würde sich die „Brandmauer-Frage“ erst gar nicht stellen.
Wenn ich die Vorschläge der CDU zur Migrationspolitik sehe, sind das doch die gleichen Forderungen, die die AFD seit Jahren stellt. Wenn sie es ernst meinen würde, würde sie nicht länger von Brandmauern reden, sondern würde nach Koalitionspartnern suchen, mit denen diese Vorstellungen verwirklicht werden können. Ich vermute, die Haltung ist den kommenden Wahlen geschuldet. Letztendlich hat doch die CDU den Grundstein für dieses Desaster gelegt und wenn der Vorsitzende den Wind von vorn kriegt, rudert er umgehend zurück.
Von der Brandmauer, die sich die CDU als Fussfessel anlegt, profitieren doch nur die Linksgrünen. Wenn es der CDU wirklich um Problemlösungen gehen würde müsste sie mit der Partei mit der sie die größten Schnittmengen hat, koalieren und das ist nun mal die AFD, die immer stärker wird. Aus Fehlern lernen. Merkel hat doch mit ihrer Politik die Partei nahezu halbiert.
Nur eine Frage zur Orientierung: Auf welcher Seite der Brandmauer brennt es denn gerade?
News news
Aus WELT kopiert:
„Die CDU-Fraktion in Thüringen will Gendersprache in Schulen verbieten lassen. Dafür bräuchte sie erneut die Stimmen der AfD. Die Bundespartei um Friedrich Merz reagiert gereizt auf den Vorstoß: Die Union solle sich nicht um „Stammtischthemen“ kümmern. Die Thüringer lässt die Kritik kalt.“
Nun, auf der politischen Spielplatzwippe haben die Sozialisten in der Mitte eine „Brandmauer“ postuliert und die nach links verschobene Union hat das auf der linken Seite der Wippe so akzeptiert. Allerdings ist die Wippe im Ungleichgewicht, weshalb die „Brandmauer“ nur noch linke Mehrheiten zuläßt. Jetzt gibt es für die Union nur zwei Optionen: 1) Sie akzeptiert die „Brandmauer“ als gottgegeben und fügt sich in ihre Zukunft als 5% Partei wie die PC in Italien. 2) Sie schert sich nicht weiter um die sozialistische Brandmauer und realisiert mit den Unaussprechlichen zusammen parlamentarische Mehrheiten, wie dies der Wählerwille (immerhin der Souverän dieses Landes) vorgibt. Eine Dritte Möglichkeit existiert nicht.
Das ist doch sowieso lächerlich, was die CDU treibt: in Thüringen duldet man eine SED Nachfolgeregierungen. Stimmt man einmal gegen diese Partei oder den eigenen Vorschlag, regen sich die grün-schwarzen Merkelianer auf, die Medien und grün-links.
In einem Kommentar der FAZ stand vor einigen Tagen etwas von „kastriert“ – trifft es ganz gut. Persönlich würde mir das nicht gefallen, aber die CDU scheint sich teilweise sehr wohl zu fühlen als Steigbügelhalter von grün-rot.
Ich hoffe, dass Herr Merz in Bayern andere Eindrüche als in Berlin sammeln konnte und sich erinnert, was die Union früher war. Und er selber hat es ja auch bemerken müssen: die Gremien haben ihn nicht gewählt (und gewollt), aber die Basis. Das sollte doch mal motivieren, den grün-linken Balast in der CDU hinter sich zu lassen. Wenn man die Ergebnisse und Umfragen der CDU ansieht, können das nicht so unheimlich viele sein, nur sie finden Gehör in den Medien.
Ein sehr guter und treffender Artikel. Die CDU hat sich in der Merkel-Ära soweit verbogen, dass letztendlich immer Mitte-Links oder linke Koalitionen das Resultat waren. Der Osten war bereits immer launisch, allerdings haben die Menschen ein Gespür dafür, wenn die Dinge in die falsche Richtung laufen. Final gesehen muss die CDU aufpassen, dass es ihr nicht so ergeht, wie der italienischen CDU.
„Womöglich gelingt es der CDU, die Reihen weitgehend zu schließen und mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten.“
Hier liegt genau das Problem der CDU. Auch im Hinblick auf die umbenannte SED liegt ein Unvereinbarkeitsbeschluss vor, der jede Zusammenarbeit mit der LINKE untersagt. Dass die CDU in Thüringen schon heute fortwährend dagegen verstößt, ohne dass dies Konsequenzen nach sich zieht, und der Genosse Günther (SH) sowie der ehemalige CDU-Landeschef Mohring bereits eine Kooperation mit dieser Partei angedacht haben, wird im Konrad-Adenauer-Haus stillschweigend toleriert und geht in der medialen Berichterstattung weitgehend unter.
Die strikte Anwendung des Unvereinbarkeitsbeschlusses führt zu einer Beschränkung der Machtoptionen und der Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der CDU. Ohne die Mitwirkung von (Rot-)Rot-Grün ist eine Teilhabe an der Regierung dann nicht mehr denkbar.
Die Aufrechterhaltung der „Brandmauer“ zur AfD ist für (Rot-)Rot-Grün damit eine Regierungsgarantie.
Meine Prognose: Die Werteunion wird sich (ggf. unter einem anderen Namen) von der Merkel-CDU lösen, eine eigene Partei gründen und viele Konservative CDUler (z. B. Denkfabrik R21) mitnehmen. Das Wählerpotenzial schätze ich auf 10 – 25 %. Diese neue Partei wird dann sicherlich keine Brandmauer zur AFD installieren und liberal-konservative Mehrheiten wieder ermöglichen. Die Merkel-CDU wird in der Versenkung verschwinden. Spannend wird was die CSU dann macht.
Eine „Brandmauer“ braucht nun die AfD innerhalb ihrer Organisation, damit es ihr nicht genauso ergeht wie der Grünpartei. Deren einstige „Basisdemokratie“ bot Agenten von Behörden und Zersetzungs-NGOs wie auch Exzentrikern ein leichtes Andocken, auch koordiniert in mehreren Kreisverbänden, um sich dort von beschwatzten Mitglieder zu Delegierten und Kandidaten machen zu lassen. Es drangen Abtreiber, Sprachverwirrer, Antibiologiesexuelle, Grenzöffner und Kriegsmacher ein und kaperten die Grünpartei bis Ende der 1990er Jahre, viele anständig gebliebene Gründer flohen.
Langsam wird es für die Ampel Zeit für Plan B: „Kompromat“, U-Boote und sonstige Zersetzungsmaßnahmen aus dem Stasi-Handbuch.
Irgendein loyaler Bundesbürger wird sich doch sicher finden lassen, der unter Eid aussagt, Alice Weidel in einem chinesischen Restaurant gesehen zu haben, damit die verfassungstreuen Richter sie und den Rest der Blaubären wegen illegaler Kontakte mit einer Diktatur wegsperren können?