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Tagesspiegel

Studie attestiert AfD-Wählern mit verzerrten Fragen hohes Gewaltpotenzial

Der Tagesspiegel berichtet über eine Umfrage, die AfD-Anhängern Gewaltbereitschaft und eine rechtsextreme Einstellung attestieren soll. Die wirklichen Ergebnisse der Umfrage zeigen ein wesentlich weniger dramatisches Bild – und wurden durch geschickte Fragestellungen verzerrt.

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Immer wieder wird der AfD vorgeworfen, eine rechtsextreme Partei zu sein. Eine Studie möchte jetzt festgestellt haben, wie gefährlich und gewaltbereit die Anhänger der Partei sind.

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Eine Studie des Demoskopie-Institut Pollytix soll beweisen, dass eine besondere Gefahr von AfD-Wählern ausgehen würde. „Jeder dritte AfD-Wähler rechtfertigt Gewalt gegen Politiker“, heißt es dazu plakativ in der Schlagzeile des Tagesspiegels. Ein Blick in die Umfrage offenbart: Meistens sind die Position von möglichen AfD-Wählern wenig skandalös und wenn sie einmal durch scheinbare Radikalität auffallen, steckt dahinter oft ein Kniff in der Fragenstellung und dem Bewertungssystem.

Die Ergebnisse der Pollytix-Umfrage zeigen zwar, dass sich die Meinung von AfD-Wählern oftmals stark vom Parteiendurchschnitt unterscheidet – eine dramatische Gefahr für die Demokratie geht aus den Ergebnissen jedoch nicht hervor. Gleichzeitig könnte eine verzerrende Sichtweise schon dadurch geschaffen worden sein, dass Pollytix nicht allgemein die Sichtweisen aller Parteien miteinander verglichen hat, sondern „AfD-Wählende“ in den Fokus gerückt hat.

„Wir haben sowohl die Einstellungsveränderungen unter AfD-Anhänger*innen als auch die Unterschiede zur Gesamtbevölkerung analysiert“, heißt es dazu auf der Seite des Instituts. Diese Beschreibung zeigt: Untersucht wurde immer nur die Differenz zwischen AfD-Sympathisanten und Restbevölkerung. Aber nie die Distanz, die Anhänger aller anderen Parteien durch konträre Entwicklungen zur AfD aufbauten.

AfD-Anhänger fühlen sich von Politik und Medien hintergangen

Zunächst wird in der Umfrage, für die seit Juli 2022 in fünf Wellen aggregiert 7.694 Personen ab 18 Jahren befragt wurden, die Selbsteinschätzung aller Wahlberechtigten in einer Rechts-Links-Skala von null (sehr links) bis zehn (sehr rechts) dargestellt. Mit 6,6 schätzen sich AfD-Wähler als am meisten rechts ein – sind dennoch näher an der Mitte als Vertreter der Partei Die Linke, die bei einem Wert von 2,5 stehen.

Alle anderen Parteien siedeln sich dazwischen an, wobei der Durchschnitt bei 4,9 liegt. Gefragt nach der Schichtzugehörigkeit offenbart sich eine brisante Differenz: 50 Prozent der AfD-Wähler im Osten beziehungsweise 51 Prozent der Wähler im Westen gaben an, sie würden sich „eher unten“ bzw. „ganz unten“ in der Gesellschaft sehen. Zum Vergleich: im Parteiendurchschnitt gaben nur 39 Prozent im Osten und 37 Prozent im Westen dieselbe Antwort an.

Nur zwölf Prozent der AfD-Wähler gaben an, „den staatlichen Institutionen in Deutschland“ zu vertrauen. Interessanterweise sind es auch im Parteiendurchschnitt nur 42 Prozent. Auch dem Befund, Deutschland entspräche inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie, stimmen 40 Prozent aller Befragten zu – unter AfD-Wählern sollen es hingegen 81 Prozent sein.

Diese Wahrnehmung setzt sich fort: Während im Parteiendurchschnitt immerhin 53 Prozent fürchten, bei Äußerung ihrer Meinung persönlich negative Folgen erleiden zu müssen, sind es unter AfD-Anhängern 89 Prozent – 90 Prozent fühlen sich von den Medien und der Politik sogar „systematisch belogen“, im Parteiendurchschnitt sind es 51 Prozent.

88 Prozent stimmten daher auch der Aussage zu, „man sollte zunehmend Widerstand gegen die aktuelle Politik leisten“ (Wählerdurchschnitt: 52 Prozent) und 60 Prozent wittern geheime Organisationen im Hintergrund, die die Politik beeinflussen würden (Wählerdurchschnitt: 36 Prozent).

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Gewaltbereiter als alle anderen?

Dann kommt es zu den Fragen, die eine übermäßige „Gewaltbereitschaft“ offenbaren sollen: 19 Prozent der Befragten, die AfD wählen wollen, meinen, dass „Gewalt zur Erreichung bestimmter politischer Ziele moralisch gerechtfertigt sein kann“. Im Wählerdurchschnitt liegt der Wert bei acht Prozent. Bei der Aussage, „Einige Politiker haben es verdient, wenn die Wut gegen sie auch schon mal in Gewalt umschlägt“, stimmten sogar 36 Prozent der möglichen AfD-Wähler zu (Wählerdurchschnitt: 15 Prozent). Was aus der Frage nicht hervorgeht: ist körperliche Gewalt gemeint? Die Gewalt gegen ein Individuum oder des Volkes gegen die Regierung?

Jedoch ist zu beachten, dass Pollytix von einer „Zustimmung“ bei einer Angabe von sechs bis zehn auf einer Elf-Punkt-Skala sieht. Real ist also nicht, dass ein Großteil der AfD-Anhänger per se bereit sind, Gewalt für ihre politischen Ziele einzusetzen, sondern nur, dass 19 Prozent eher zustimmen, Gewalt in irgendeiner Form könnte im politischen Kontext „moralisch“ gerechtfertigt werden. Wie stark die Zustimmung ist (also ob die Befragten dort „nur“ sechs oder zehn angaben) ist unbekannt. Eine repräsentative Einordnung zum Gewaltpotential von der AfD-Anhängerschaft bietet diese Frage also eher weniger.

Weiter wurden die Befragten noch nach ihrer „Zustimmung zu rechten Narrativen“ befragt. 56 Prozent der AfD-Anhänger seien der Ansicht, durch den Feminismus würden „gesellschaftliche
Harmonie und Ordnung gestört“ (Wählerdurchschnitt: 33 Prozent). 59 Prozent der AfD-Sympathisanten sagen zudem, dass der US-amerikanische Imperialismus die eigentliche Gefahr für den Weltfrieden sei (Wählerdurchschnitt: 32 Prozent). 41 Prozent gaben an, sie seien der Meinung „es sollte einen starken Führer geben, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“ (Wählerdurchschnitt: 19 Prozent).

Auch hier überrascht Pollytix mit dem zu bewertenden Satz. Denn aus der Aussage geht nicht hervor, wie ein solcher „Führer“ definiert sein soll. Während das Wort allein böse Erinnerungen weckt, verstehen AfD-Wähler darunter möglicherweise eine charakterlich starke Person, die repräsentativ für die Bundesrepublik stehen könnte. Diese Definition wurde nicht abgefragt – zurückbleibt wie auch bei den Aussagen zur Gewaltakzeptanz die Frage: Wie ist es eigentlich gemeint?

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