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Nach Lindner-Papier

Showdown beim Koalitionsausschuss: Am Mittwoch entscheidet sich die Zukunft der Ampel

Beim Koalitionsausschuss am Mittwoch entscheidet sich wohl die Zukunft der Ampel. Knickt Lindner mit seinen Wirtschaftsforderungen am Ende ein oder lässt er daran die Koalition platzen? „In der Koalition (…) brennt gerade die Hütte“, erklärte jedenfalls schon SPD-Chefin Esken.

Am Mittwoch könnte die Ampel-Koalition endgültig platzen

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Am Freitagnachmittag ging Christian Lindners Papier zu einer „Wirtschaftswende“ an die Öffentlichkeit. Das Dokument ist nichts anderes als ein Ultimatum, was den Fortbestand der Ampel zur Disposition stellt, wenn man sich nicht auf grundlegende Wirtschaftsreformen im Sinne des FDP-Finanzministers einigen könne.

Im Papier listete er eine ganze Reihe wirtschaftlicher Probleme und Versäumnisse vergangener und der aktuellen Regierung auf und resümiert: „Deshalb ist eine Wirtschaftswende mit einer teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen erforderlich, um Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden“. Konkret sei ein unverzügliches Moratorium, das alle neuen Regulierungen stoppt, notwendig. Darüber hinaus benötige es die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. In Bezug auf die Klimapolitik sollten die bisher geltenden nationalen Klimaziele zugunsten europäischer Zielsetzungen aufgegeben werden.

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Christian Lindner beteuert in einer internen Mitteilung an FDP-Mitglieder, dass dieses wirtschaftspolitische Grundsatzpapier unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit gelangt sei. Der Finanzminister betonte, dass das Dokument ursprünglich für vertrauliche Beratungen innerhalb der Regierung vorgesehen war. Die vorzeitige Veröffentlichung sei auf eine nicht autorisierte Weitergabe zurückzuführen. Die Glaubwürdigkeit dieser Äußerung ist zumindest fraglich. Klar ist, dass sich zumindest die FDP, aber auch andere in der Koalition, von der Veröffentlichung dieses Papiers Vorteile versprechen können.

In der Union hofft man nun auf ein Zerbrechen der Koalition. „Neuwahlen – sofort“, erklärte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gegenüber der Bild. „Es ist vorbei: Das Totenglöckchen der Ampel läutet. Es ist Zeit, den Stecker zu ziehen“, so Söder. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte: „Wir können uns diese Wackelregierung nicht einen Tag länger leisten.“ Tatsächlich entscheiden wird sich die Zukunft der Ampel-Regierung nun wohl schon am Mittwoch. Da steht der nächste Koalitionsgipfel an.

Die Ampel-Parteien und ihr jeweiliges Vorfeld laufen sich hierfür gerade heiß. Die FDP geht dabei voll auf Angriff. FDP-Präsidiumsmitglied Thorsten Herbst erklärt gegenüber der Bild: „Sollte es keine grundsätzliche Richtungsänderung in der Wirtschaftspolitik geben, gibt es keine Basis für einen Bundeshaushalt und damit keine Grundlage mehr für diese Regierung“. Fraktionschef Christian Dürr spricht von einem „ehrlichen“ Koalitionsangebot, das man den Regierungspartnern gemacht habe. Sogar der FDP-nahe Ökonom Lars Feld hat sich nun in die Debatte eingeschaltet. Er erklärt: „Wenn SPD und Grüne weit genug entgegenkommen, muss die Koalition nicht platzen.“

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Die Grünen geben sich gegenüber den FDP-Forderungen jedoch stur. Der designierte grüne Wirtschaftsminister verlautbarte nur knapp, dass er das Papier von Christian Lindner „zur Kenntnis“ genommen habe. Noch-Grünen-Chef Omid Nouripour erklärte: „Zum Ergebnis kommt man am Ende dann, wenn die Vorschläge der Ernsthaftigkeit der Lage gerecht werden.“ Die Regierungsverantwortung will man offenbar auf gar keinen Fall aufgeben. Der designierte neue Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak erklärte gegenüber dem ZDF: „Die Liebe kommt nicht wieder, aber man hat noch Verantwortung für die Kinder. Und ich finde, dieser Verantwortung sollte man erst mal gerecht werden.“

„In der Koalition (…) brennt gerade die Hütte“

Aus der SPD vernimmt man hingegen widersprüchliche Aussagen. „In der Koalition (…) brennt gerade die Hütte“, erklärte SPD-Chefin Saskia Esken am Rande einer Veranstaltung. „Niemand will im Augenblick eine Prognose wagen, wann genau die nächste Bundestagswahl stattfindet“, so Esken weiter. Auf die Arbeit der Regierung werde das Papier keinen Einfluss haben. Anders positioniert sich jedoch ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil. „Vorschläge sind immer willkommen“, so Klingbeil gegenüber der Augsburger Allgemeinen. „Wenn sie dazu beitragen können, unsere Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern, reden wir darüber“.

Wie auch immer das Papier von Lindner den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat, es hat dazu geführt, dass die FDP nun den Ton angeben muss. Alles andere als ein Koalitionsbruch oder ein inhaltlicher Durchmarsch, der unwahrscheinlich scheint, würde man der FDP als ein weiteres Einknicken vor der SPD und den Grünen anlasten.

Für die SPD ist die Ausgangslage anders. Sie wird in Lindners Papier inhaltlich ebenso attackiert wie die Grünen. Ein Scheitern der Koalition würde als Kanzlerpartei wohl auch auf sie zurückfallen. Allerdings scheint Scholz schon seit einigen Wochen nicht mehr auf einen staatsmännischen Kanzleramtsbonus zu setzen – wie ihn etwa Habeck als Vizekanzler versucht zu etablieren – sondern mehr auf sozialpopulistischen Wahlkampf schaltet. Zumindest juristisch hat Scholz noch einen Trumpf im Ärmel. Selbst wenn die FDP die Koalition verlassen und damit die Regierungsmehrheit im Parlament wegbrechen sollte, gäbe es keine rechtliche Handhabe, den Kanzler zum Stellen der Vertrauensfrage zu zwingen.

Eine Ablösung des Regierungschefs wäre nur durch ein erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum möglich, bei dem eine absolute Mehrheit der Abgeordneten einen neuen Kanzler wählen müsste. In der aktuellen politischen Konstellation erscheint ein solches Szenario jedoch höchst unwahrscheinlich. Es würde voraussetzen, dass sich Union, FDP und Grüne auf einen gemeinsamen Kandidaten wie Friedrich Merz einigen könnten. Ein Lagerwechsel der Grünen vor regulären Neuwahlen gilt jedoch als nahezu ausgeschlossen. Scholz könnte die erneute Bundestagswahl also zumindest theoretisch in die Folgewoche der Hamburg-Wahl legen und sich hiervon ein gewisses Momentum erhoffen.

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