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BSI-Affäre

Schönbohm-Affäre: Brisante Mail-Verläufe belasten Jan Böhmermann und das ZDF

Infolge der BSI-Affäre wurde der Chef der Behörde, Arne Schönbohm, von Nancy Faeser versetzt. Zuvor hatte Jan Böhmermann dem ehemaligen BSI-Chef Russlandnähe vorgeworfen. Neue Mail-Verläufe zeigen: Böhmermann ignorierte entkräftende Antworten des BSI und berief sich auf Halbwahrheiten.

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Neue Dokumente in der Affäre um den ehemaligen Vorsitzenden des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, belasten das ZDF und Jan Böhmermann schwer. Am 7. Oktober 2022 hatte Böhmermann in seiner Sendung Neo Magazin Royale über Schönbohms angebliche Russlandnähe und die daraus resultierende Gefahr für Deutschlands Cybersicherheit gesprochen – und Innenministerin Nancy Faeser damit einen Grund für Schönbohms Versetzung geliefert.

Wie Buisnessinsider berichtet, zeigt ein interner Mailverkehr zwischen dem BSI und Böhmermanns Redaktion nun: Die ZDF-Journalisten stützten ihre Aussagen auf Online-Artikel – und ließen vom BSI bereitgestellte Informationen, die Schönbohm entlastet hätten, unter den Tisch fallen.

Gesponnene FBI-Vorwürfe

Böhmermann warf Schönbohm vor, das BSI habe einerseits ignoriert, dass ein russisches IT-Unternehmen vermeintlich vom FBI beobachtet werde und andererseits die Bedrohungslage durch russische Cyberaktivitäten in Deutschland nicht erkannt – dabei ist das die Aufgabe des Verfassungsschutzes.

Die ZDF-Redaktion fragte im September 2022 beim BSI an und erklärte mit Verweis auf ein kleines US-Medium, das FBI würde gegen die russische Firma „Infotecs“ ermitteln. Der Artikel, auf den sich die Redaktion beruft, ist mittlerweile gelöscht – und davon abgesehen wurde dort nur erwähnt, dass das FBI Fragen an das Unternehmen richtete. Das BSI hatte in seiner Antwort darauf hingewiesen, keine Produkte von „Infotecs“ in Deutschland zertifiziert zu haben – doch das wurde in der ZDF-Sendung nicht berücksichtigt.

Des Weiteren berichtete Böhmermann von zwei Algorithmen, Streeblog und Kuznyechik. Beide sollen in Zusammenarbeit mit dem FSB programmiert worden sein und eine Hintertür für den russischen Geheimdienst bereithalten, erklärt die Böhmermann-Redaktion. Die Redaktion fragte zuvor beim BSI an, ob der Behörde die Sicherheitsrisiken der Algorithmen bekannt seien und ob beide in Deutschland zum Einsatz kommen. Mit Verweis auf einen Beitrag des US-Magazins Vice schildert die Redaktion die Fehler, die von Geheimdiensten missbraucht werden könnten. Der Vice-Artikel beinhaltet dazu aber ebenfalls keine klaren Aussagen: nur bei Streeblog sei ein Fehler entdeckt worden – und ob er als Hintertür für den FSB diene, sei ungewiss.

Auf die Anfragen reagierte das BSI mit erneutem Verweis an den Verfassungsschutz, weil die Schönbohm-Behörde lediglich für das operative Netz der Bundesregierung zuständig sei. Dennoch wird Böhmermann später sagen: „Sicherheitsexperten haben was aufgedeckt, und zwar […] mögliche Hintertüren, durch die beispielsweise der russische Geheimdienst durchmarschieren könne, wenn er zum Beispiel in Deutschland Windräder abstellen will.“

Kontextlose Inszenierung von Russlandnähe

In erneuten Nachfragen nimmt die Redaktion diesmal Schönbohm direkt ins Visier: der von ihm vor Jahren gegründete Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ würde von einem Mann geleitet werden, der Verbindungen zum russischen Geheimdienst eingestanden haben soll. Ob Schönbohm während seiner Zeit als Vereinspräsident ebenfalls Kontakte zu ausländischen Nachrichtendiensten hatte, möchte der Redakteur wissen.

Das BSI verneint. In der Sendung wird trotzdem ein Ausschnitt des Cyber-Sicherheitsrat-Chefs, Hans-Wilhem Dünn, gezeigt, in welcher er der Wichtigkeit der Beziehungen zu ausländischen Geheimdiensten zustimmt. Daraus schließt Böhmermann: „Danke, Hans-Wilhelm, für die Bestätigung. Der Cyber-Sicherheitsrat in Deutschland ist eine Gefahr für die Cybersicherheit in Deutschland. Zu enge, zu undurchsichtige, zu bewusste Kontakte zu Russland. Das ist der Verein, den der amtierende Chef der deutschen Cybersicherheitsbehörde BSI selbst gegründet hat.“

Damit projiziert Böhmermann die Aussagen von Dünn auf Schönbohm – und noch dazu sind diese Aussagen aus dem Kontext gerissen, denn Dünn forderte ursprünglich eine Zusammenarbeit aller internationaler Akteure, um der Gefahr für Cybersicherheit großflächiger und bewusster entgegenzutreten.

Des Weiteren warf Böhmermann dem ehemaligen BSI-Chef vor, an einer Veranstaltung des Cyber-Sicherheitsrats teilgenommen zu haben, obwohl dies den BSI-Mitarbeitern verboten war. Die ZDF-Sendung lässt allerdings außen vor, dass das BSI dem Sender mitgeteilt hatte, das Verbot sei aufgehoben worden.

Faeser hatte Schönbohms Absetzung offenbar geplant

Diese kontextlosen Behauptungen lösten schließlich die Versetzung Schönbohms durch Innenministerin Nancy Faeser am 18. Oktober 2022 aus – auch wenn Faeser, wie interne Dokumente belegen, die Absetzung des BSI-Präsidenten offensichtlich schon länger geplant hatte und dafür sogar den Verfassungsschutz einschaltete (lesen Sie hier mehr).

Faeser soll Martin von Simson, Chef der Zentralabteilung im Innenministerium beauftragt haben, belastendes Material zusammenzutragen. Weil das nicht gelang, notierte von Simson, Faeser sei „sichtlich unzufrieden. Sie fand die Dinge, die wir ihr zugeliefert haben, zu ‚dünn‘ – wir sollten nochmals das BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz) abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen.“

Daher ist es wenig überraschend, dass das Innenministerium ein Disziplinarverfahren, um welches Schönbohm zur Aufklärung der Affäre gebeten hatte, ablehnte. Schönbohm erstattete schließlich Anzeige gegen das ZDF. Am 6. Juni wird das Landgericht München über Schönbohms Klage wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und falschen Tatsachenbehauptungen verhandeln. Der ehemalige BSI-Chef fordert 100.000 Euro Entschädigung.

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