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Rudi Völler statt Hansi Flick: Die Feel-Good-Kultur ist gescheitert

Hansi Flick stand in der Nationalmannschaft für Wohlfühl-Kultur, "Teambuilding" statt Leistung. Eine neue Amazon-Doku zeigt, mit welchen Kindergarten-Methoden er die DFB-Elf runterwirtschaftete. Jetzt kommt der Gegenentwurf Rudi Völler - und gewinnt sofort.

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Es ist ein bisschen wie 2002: Unsere Nationalmannschaft ist wieder siegreich und der Nationaltrainer heißt Rudi Völler oder halt „Tante Käthe“. Gestern besiegte eine spielerisch nicht brillante, aber entschlossene und leidenschaftliche deutsche Mannschaft den Vize-Weltmeister und Ewig-Konkurrenten Frankreich mit 2:1. Eine echte Überraschung hatte doch die Entlassung von Hansi Flick am Sonntag für ein kleines Erdbeben in der Nationalmannschaft gesorgt. CL-Sieger-Trainer Flick war nach Niederlagen gegen Japan (1:4), gegen Kolumbien (0:2) und Polen (0:1) schweren Herzens entlassen worden, bis zuletzt sprachen sich einige Spieler, wie Kapitän İlkay Gündoğan für Flick aus. Doch die Zeit von Flick war abgelaufen und Ex-Bundestrainer und heutiger Sportdirektor des DFB, Rudi Völler kam. Und sah und siegte.

Doch eigentlich ist das Stück Fußballromantik, das unsere Nationalelf mit Völler gestern, am letzten Nationalmannschafts-Spiel des Sommers, feierte, kein Zufall, kein wundersames Handauflegen, wie es manche heute betiteln. Es ist vielmehr das Ergebnis des langen überfälligen Endes der Feel-Good-Kultur, die unter Hansi Flick beim DFB herrschte. Ein Ringelpiez mit Anfassen, das es den Nationalspielern zwar bequem machte, aber sie gleichermaßen auch leidenschaftslos, gesichtslos und blutleer spielen ließ. Mit dem Aus von Flick und dem Ende dieser Wohlfühlstimmung herrscht wieder Rationalität und Härte. Und siehe da – zwei Tage später gewinnt die Mannschaft, die gegen Japan noch müde und chancenlos verlor, wieder ein Fußballspiel. Aber zurück zum Anfang.

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Graugänse statt Kampfgeist

Hansi Flick kam als Trainer-Star zum DFB. Er hatte gerade mit Bayern erneut den Bundesliga-Titel gefeiert, in dem Jahr davor gewann er das „Sextuple“, also jeden Titel, den er in dem Jahr gewinnen konnte. Vor Bayern war er lange Co-Trainer des DFB unter Weltmeister Joachim Löw, er kannte die Nationalmannschaft also schon – das perfekte Match also, Flick und der DFB, das konnte nur funktionieren. Doch es sollte so schnell anders kommen: Denn Flick legte eine dem momentanen Zeitgeist Deutschlands angepassten Stil im Coaching an den Tag. Nicht mehr Leistung zählte, nicht mehr die Einsatzbereitschaft und der Kampfgeist, sondern das Zwischenmenschliche, das Teambuilding wurde das oberste Ziel der Mission unter Flick.

Dass man das so unschwer behaupten kann und der Stil Flicks nicht Raum der Spekulation ist, liegt auch an einer bemerkenswerten Amazon-Doku, die die Nationalmannschaft bei der WM in Katar begleitete und gerade veröffentlicht wurde. Ein Unikum in der Nationalmannschaftsgeschichte, die das Scheitern Flicks uns allen nun so einzigartig aufzeigt. Flick schuf sich mit der Doku seine eigene Zirkusmanege, in der er jetzt als trauriger Clown dasteht.

Die Dokumentation enthüllt skurrile Maßnahmen, die genauso aus einem Kindergarten im Prenzlauer Berg stammen könnten, die Flick etablierte. So schwärmte Flick seinen Spielern vom Verhalten der Graugänse vor und zeigte der Mannschaft einen Film über die sozialen Tiere. Gemeinsam im Verbund schaffen es Graugänse eine noch größere Strecke zurückzulegen als alleine. Eine Metapher, die auf die Nationalmannschaft übertragen werden sollte. Als der Film jedoch vorbei ist, steht Flick auf und sagt Folgendes: „Graugänse haben grundsätzlich nichts mit uns zu tun“ und relativiert damit jegliche Message des Films, falls sie denn überhaupt vorhanden war. Man kann als Zuschauer die Peinlichkeit im Raum förmlich anfassen.

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Wohlfühlprogramm und Sensibilität

Es blieb aber nicht bei Graugänsen, die gesamte Dokumentation wirkt, mit kleinen Ausnahmen, wie eine einzige „Safe Space Stunde“, in der die Spieler ihre Gefühle teilen und auf keinen Fall jemand verletzt werden soll. Alle klatschen, wenn jemand etwas Motivierendes sagt, als Teambuilding-Aktion zünden die Spieler und die Trainer Kerzen an und lassen sie auf kleinen Lampions in einem Pool schwimmen. Ob sich erfahrene Topspieler wie Thomas Müller oder Fußball-Sternchen wie Leroy Sané davon wirklich beeindrucken lassen haben?

Die Doku zeigt eine Mannschaft, die immer wieder fast stupide betont, wie wichtig Coach Flick das Zwischenmenschliche ist und dass die Atmosphäre im Team so klasse ist. Eine Mannschaft, die dann aber auch sang- und klanglos gegen Japan und Costa Rica ausscheidet. „Hansi ist ein Profi darin, eine gute Atmosphäre zu schaffen, alle mit ins Boot zu holen“, meint Leon Goretzka. Dass Flick klar kommuniziere, „was er erwartet“, findet Verteidiger Antonio Rüdiger großartig – Flick sei eine „Vaterfigur“ so der Berliner. „Hansi ist jemand, der unfassbar teamfähig ist und auch fähig, ein Team zu leiten. Wir haben eine tolle Fehlerkultur“, findet auch Dr. Stephan Nopp, Co-Trainer Spielanalyse im DFB-Team. Egal wo, man hört nur Lob über die Stimmung im Team.

Das Problem liegt in der Wahrheitsverleugnung

Und genau das ist das Problem, das man nicht mehr wahrhaben will und uns nicht nur im Fußball erfolglos macht: Es ist ein ins Absurde geführter Fokus auf die Gefühle, auf das innere Seelenleben der Spieler und Trainer. Es geht nicht mehr darum, wie wir Spiele gewinnen, mit welchen taktischen Mitteln wir den Gegner überlisten, mit welcher Mentalität wir dem Gegner im Zweikampf begegnen, es geht um die Frage, ob wir uns denn alle wohlfühlen.

Und statt aus Niederlagen Wut und Wille zu ziehen, analysiert man sich zu Tode, was dann doch gut lief und zählt die „Learnings“ aus der Demütigung. Man genehmigt sich die Schwäche und verliert dabei die Stärke, den Stolz. Man begegnet nicht mehr der Wahrheit, der Realität, sondern strebt nach einem absurden Meta-Ziel, in der Fußballer sensible Menschen sind, die wie Graugänse oder Kerzenlampions zusammenhalten und ihre Gefühle zeigen.

Flicks Stil war ein einziges Wohlfühlprogramm, eine Sensibilitäts-Offensive, die im Fußball, in einem Männersport, in der du oft gegen über-nationalistische Mannschaften mit Messern zwischen den Zähnen spielst, keinen Platz hat. Emsige Japaner, hitzige Kolumbianer und stolze Polen hatten in den Testspielen gegen die Wohlfühlgruppe Deutschland entsprechend keine Probleme. Kein Wunder.

Völler ist der Gegenentwurf

Rudi Völler ist der Gegenentwurf dazu, einer der alten Schule sozusagen. „Tante Käthe“, wie sein Spitzname ist, ist nicht zimperlich und hart. Er flucht, man erinnere sich an seinen legendären Ausraster nach dem Spiel gegen Island 2003, er motiviert und scheint die Hemmungen der Feel-Good-Ära zu lösen. Er erzählt den Spielern auf alle Fälle nichts von Graugänsen und lässt sie statt über ihre Gefühle zu reden, arbeiten. So stand auf dem Feld gestern wieder eine fleißige, kampfbereite Mannschaft, die gewinnen will und kann.

Rudi Völler wird nur dieses eine Spiel Nationaltrainer gewesen sein, was eigentlich schade ist. Sein Nachfolger, wie immer der auch heißen mag, muss sich aber wieder an ihm und nicht an Flick orientieren. Nur so kann die Heim-Europameisterschaft dann auch ein Erfolg werden, vielleicht wird aus der Graugans ja dann doch noch ein schöner Schwan.

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