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An Aufarbeitung nicht interessiert

RKI-Studie: Corona-Maßnahmen sollen wirksam gewesen sein – 3G und 2G wurde nicht untersucht

Eine neue Studie des Robert-Koch-Instituts hat die Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen untersucht. Ein Blick in die Arbeit wirft einige Fragen auf.

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„Die Corona-Maßnahmen waren wirksam“, schrieb Karl Lauterbach am Donnerstag und bezog sich dabei auf eine neu veröffentlichte Studie des Robert-Koch-Instituts. Die Wissenschaftler analysieren darin den Einfluss der  Corona-Maßnahmen auf die Verbreitung des Corona-Virus, genauer gesagt auf die Reproduktionszahl, also die Anzahl an Personen, die im Durchschnitt von einem Corona-Fall angesteckt werden. Und tatsächlich schließen darin die RKI-Autoren aus ihren Untersuchungen, dass die Corona-Maßnahmen mit „einer deutlichen Reduktion“ der COVID-19 Ausbreitung in Deutschland assoziiert gewesen seien und demnach „wesentlich zur Bekämpfung der Pandemie“ beigetragen hätten.

Guckt man sich jedoch die Studie näher an, gibt es – gelinde gesagt – so einige Gründe, an dieser Schlussfolgerung zu zweifeln. Zum einen steht schon in der Zusammenfassung der Studie, dass sich der Effekt der Maßnahmen stets schon kurz VOR Inkrafttreten der jeweiligen Verordnung zeigte. Damit wohl niemand auf falsche Ideen kommt, liefern die Wissenschaftler gleich eine Einordnung mit: „Die naheliegendste Erklärung dafür ist, dass Verhaltensanpassungen in der Bevölkerung bereits vor dem Inkrafttreten der Einschränkungen erfolgten.“ Dies weise laut dem RKI auf die „besondere Rolle“ der medialen Berichterstattung und der Ministerpräsidentenkonferenzen hin. 

Ursache und Wirkung…

Nun habe ich meinen Kopf hin und her gewälzt, Sodoku, Gehirn-Jogging und Achtsamkeitsübungen gemacht – und trotzdem will sich mir einfach nicht eröffnen, warum diese Begründung am naheliegendsten sein sollte. Wenn sich der „Effekt“ einer Maßnahme bereits vor deren Beginn zeigt, würde man Kraft seines logischen Geistes doch eher erst einmal davon ausgehen, dass der „Effekt“ vielleicht auch ganz unabhängig von der Maßnahme aufgetreten ist. Ja, man könnte sogar soweit gehen, aus dieser Beobachtung zu schließen, dass die Maßnahmen im besten Fall nur einen Prozess begleitet haben, der sich eh schon abgezeichnet hatte. Im schlimmsten Fall haben sie überhaupt nichts beigetragen. 

Erklären ließe sich das durch unterschiedliche Theorien, beispielsweise, dass sich die Verbreitung eines Virus ganz von selbst limitiert, wenn erst einmal genug Menschen mit ihm angesteckt wurden. Doch selbst wenn man die Lesart des RKI übernimmt und mal davon ausgeht, dass die Leute schon mit der Ankündigung neuer Maßnahmen ihr Verhalten verändern, scheint es nicht gerade plausibel, dass diese Verhaltensänderung sich nun gerade in vorauseilendem Gehorsam widerspiegeln sollte. Davon könnte man wenn überhaupt noch im ersten Jahr der Pandemie ausgehen, als noch viele Menschen große Angst vor Ansteckung hatten, später jedoch führte die Ankündigung neuer Einschränkungen erfahrungsgemäß (zumindest unter jüngeren Leuten) eher zu „Jetzt erst recht“-Verhalten und großen Abschiedsknutschereien. 

Was ist eine wirksame Maßnahme?

Diese Einordnung der Wissenschaftler ist bei Weitem nicht das einzige, was an der Studie irritiert. Auffällig ist auch, dass man sich offenbar überhaupt nicht überlegt hat, ob ein zeitweiliger Rückgang der Reproduktionszahl wirklich ein geeigneter Indikator für eine „wirksame“ Maßnahme ist. Immerhin ist Wirksamkeit relativ. Beispielsweise haben verschiedene internationale Analysen der Corona-Zeit bekanntermaßen gezeigt, dass auf harte Maßnahmen kurze Zeit zwar eine Verringerung der Infektionszahlen folgte, diese jedoch stets zum Zeitpunkt der Lockerungen nachgeholt wurden. Eine wirksame Maßnahme sollte daher doch eher nicht nur durch eine kurzzeitige Verringerung der Reproduktionszahl gekennzeichnet sein, sondern vielmehr langfristig zu einer Verringerung harter Analyseparameter wie beispielsweise der Mortalität beitragen.

Doch nun zum unangefochtenen Höhepunkt der Studien-Versäumnisse: Wer in die Studie schaut, sieht, dass darin nur die Maßnahmen zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. August 2021 analysiert wurden. Nun gab es in diesem Zeitraum zwar schon einige Lockdowns, Schulschließungen und ähnliches – eine doch recht wesentliche Maßnahme wurde allerdings just erst im September 2021 eingeführt: „3G“, also der Zugang zu Bars, Restaurants und Verkaufsstätten nur mit Test-, Impf- oder Genesenenbescheinigung. Im November 2021 folgte „2G“ und damit der Ausschluss der Ungeimpften aus dem öffentlichen Leben. 

Kein Interesse an Aufarbeitung

Es bedarf schon einer gewissen Zynik, wenn nicht überheblichen Desinteresses für die unvergleichliche Ausgrenzung der Ungeimpften im Winter 21/22, wenn man die Corona-Maßnahmen als „wirksam“ bewertet, ohne die wohl härteste und (für die Ungeimpften) belastendste aller Maßnahmen überhaupt untersucht zu haben. Das RKI und Lauterbach haben mit dieser neuen Analyse vor allem eines gezeigt: An einer ernsthaften Aufarbeitung ihrer Corona-Politik und der verhängten Maßnahmen sind sie nicht interessiert. 

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