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Nach Sexismus-Vorwürfen

Nach Cancel-Sturm: Thilo Mischke wird doch nicht Moderator von ARD-Sendung „titel thesen temperamente“

Thilo Mischke wird doch nicht Moderator der ARD-Sendung "titel thesen temperamente". Der Entscheidung ging ein Cancel-Sturm vorweg: Linke Kritiker werfen ihm Sexismus vor und sagen, dass er nicht in der Lage sei, sich sensibel mit Themen wie Sexismus und Diskriminierung zu befassen.

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Für seine ProSieben-Dokumentationen erhielt Thilo Mischke Fernsehpreise.

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Wie ARD am Samstag mitteilte, wird Thilo Mischke doch nicht Moderator der Kultursendung „titel thesen temperamente“ (ttt) werden. Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf verschiedene Quellen aus dem Fernsehsender darüber berichtet, dass Mischke doch nicht Moderator werden soll. Wie der Fernsehsender in einem gemeinsamen Statement mit dem Journalisten bekanntgab, hätte die „heftige Diskussion um die Personalie“ die „für uns zentralen und relevanten Themen“ überschattet. 

Um einen weiteren Rufschaden von Mischke und der Sendung ttt abzuwenden, habe man sich dazu entschlossen, dass er nicht als Moderator arbeiten soll, wie es weiter in dem Statement heißt. Die Kritik an der Personalie entzündete sich dabei vor allem an Mischkes Buch „In 80 Frauen um die Welt“ aus dem Jahr 2010, in dem es darum geht, dass er eine Wette abschließt, ob er mit 80 Frauen schlafen kann. 

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Wie eine Sprecherin der ARD gegenüber der SZ in einem Statement mitteilte, habe Mischke sich „sehr ernsthaft und selbstkritisch mit den Vorwürfen, darin ein sexistisches Frauenbild und teilweise rassistische Sprache benutzt zu haben, auseinandergesetzt“. In einem offenen Brief hatten 100 Kulturschaffende geäußert, mit dem Journalisten als Moderator von ttt nicht zusammenarbeiten zu wollen. Die Unterzeichner des Briefes verwiesen darauf, dass die ARD 2022 die Erklärung „Gemeinsam gegen Sexismus und sexuelle Belästigung“ unterschrieben habe. 

Damit habe sich der Fernsehsender verpflichtet, aktiv gegen Sexismus vorzugehen. Diese Verpflichtung sollte laut dem offenen Brief auch in der Personalpolitik berücksichtigt werden. Thilo Mischke wird von den Unterzeichnern vorgeworfen, sich nicht ausreichend mit dem Thema Sexismus befasst und sich nicht ausreichend von seinem eigenen Werk distanziert zu haben. Startpunkt der Kritik an Mischke war der sich selbst als feministisch bezeichnende Podcast „Feminist Shelf Control“ von Annika Brockschmidt und Rebekka Endler vom 23. Dezember, in dem mehrere Kulturschaffende Mischke absprachen, sich sensibel mit Themen wie Sexismus oder Diskriminierung zu befassen. 

Nach anderthalb Stunden Gespräch sagen die Podcasterinnen, dass sie Thilo Mischke nicht canceln wollen, aber sie wünschen sich „Accountability“. „Was gibt es für ein deutsches Wort, das gut dazu passt und das trifft?“, wird gefragt. „Rechenschafft ablegen“, „Verantwortung“, „Verbindlichkeit“ lauten Vorschläge. Es wird sich gefragt, ob man gesellschaftlich nicht schon so weit sei, besser zu kuratieren, „wen wir in der Öffentlichkeit mit den richtig coolen Jobs beschenken wollen“. Es wird sich darüber echauffiert, dass so ein „Lurch“ diesen Job bekommen soll. „Wir haben Fachkräftemangel“, heißt es. Eigentlich müsste Thilo Mischke nach Meinung der Podcasterinnen umschulen und einer Arbeit nachgehen, bei der er „in die innere Migration“ gehen kann und „ein bisschen über das nachdenkt, was er in den letzten 15 Jahren von sich gegeben hat“.

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Die Sendung ttt ist die bekannteste Kultursendung der ARD und hat durchschnittlich etwa 850.000 Zuschauer, was einem Marktanteil von 7,4 Prozent entspricht. Die Sendung gibt es seit 1967. Am 23. Dezember hatte die ARD angekündigt, dass Thilo Mischke Moderator werden sollte. Er hätte auch einen ttt-Podcast zusammen mit Jule Lobo leiten sollen. Bereits einen Tag später, an Heiligabend, teilte der Fernsehsender mit, dass man die Kritik, die sich sofort erhob, gehört habe und man das Thema aufarbeiten wolle. 

Der Fernsehsender ProSieben, für den Thilo Mischke zahlreiche Reportagen verfasste, stellte sich hinter den Journalisten. Auf X schrieb der Fernsehsender: „Wir schätzen ihn, weil er seit Jahren unfassbar wichtige und gute Reportagen macht, für die er vielfach ausgezeichnet wurde. Ihn nur an einem Buch aus der Damals-Zeit zu messen, ist ein sehr sehr selbstgerechter Ansatz, der viel über diejenigen aussagt, die genau das machen.“ 

Thilo Mischke hatte für ProSieben zum Beispiel 2019 die Dokumentation „Deutsche an der ISIS-Front“ gedreht, für die er 2020 den Bayerischen Fernsehpreis erhielt. Im gleichen Jahr veröffentlichte er die Doku „Rechts. Deutsch. Radikal“. 2023 erhielt er für die Dokumentation „Verlassen und vergessen? Afghanistan im Griff der Taliban“ den deutschen Fernsehpreis.

Anm. d. Red.: Nach dem vierten Absatz wurde ein Absatz über Inhalte des Podcasts ergänzt.

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