Werbung:

Werbung:

Merz und die magische Rente

Merz zetert und beschwert sich über die Jugend, die immer Widerworte geben würde. Und wieder will seine Regierung Geld ausgeben, das es noch gar nicht gibt. Aber Rente ist ja sowieso ein dehnbarer Begriff.

Werbung

Naaa, haben Sie mich vermisst? Wer mich inzwischen schon ein kleines bisschen besser kennt, weiß schon ganz genau, was ihn erwartet, wenn man mal ein Wochenende nichts von mir hört: Absätze über Absätze zu unmenschlichen Qualen, die ich erleiden musste. Ich bin nun mal eine sehr mitteilungsbedürftige Person – das ist gut, um Kommentare zu schreiben, andererseits macht mich das zu einem Menschen, den man nie „Wie geht es dir?“ fragen sollte.

Ich wende mich nun zum ersten Mal ohne Weisheitszähne an Sie, das heißt vielleicht weniger weise, aber mit einer prägenden Lebenserfahrung mehr. Die vergangene Woche habe ich vor allem damit verbracht, zu beten, dass es in meinem Haus keinen Feueralarm gibt. Vor der OP versprachen mir meine Freundinnen, dass ich wie ein Hamster aussehen würde. Ich habe mich schon als rundes, liebenswertes Etwas gesehen, das sich den ganzen Tag von Eis und Brei ernährt.

Stattdessen brachte mich die Schwerkraft der Geometrie näher. Zunächst war ich ein Viereck. Als die Schwellung stärker wurde, mutierte ich zu einem Dreieck, ein Gesicht, das nur Pythagoras lieben könnte. Die meiste Zeit huschte ich allerdings mit einem in ein Handtuch gewickelten Kühlkissen durch die Wohnung, das ich mir mit einem Bademantelgürtel um den Kopf gebunden hatte – so wie es die Hamsterdamen in Paris gerade tragen. Ich kann weichgekochte Möhren nicht mehr sehen und werde wohl nie wieder Eis essen. Ansonsten habe ich das Ganze eigentlich mit Fassung getragen. 

Und zum Glück bin ich gerade rechtzeitig wieder unter die Kauenden und Vorzeigbaren zurückgekehrt, um den politischen Höhepunkt der Saison mitzuerleben, den Tag, an dem sich die politische Elite von morgen versammelt und die politische Elite von heute zur Rede stellt: den Deutschlandtag der Jungen Union. Den Sarkasmus haben Sie wahrscheinlich rausgehört, allerdings stimmt es ja schon irgendwie. Denn auch wenn man weder die Union noch ihre Jugendorganisation von ihrem Auftreten her sonderlich ernst nehmen will oder kann, ist es immer noch die Regierungspartei, die den Kanzler stellt. Und äußerst untypisch für die JU wurde auf diesem Kongress tatsächlich die „politische Elite“ in Gestalt von Kanzler Friedrich Merz zur Rede gestellt. 

Dennoch: Schon bei der blauen Neonoptik, den vermeintlich dynamischen Farbverläufen und dem Bühnenbild hat man schon auf den ersten Blick keine Lust mehr. Dass die Abkürzung „DLT25“ in keinster Weise eingängig ist und der Slogan „What the future?!“ einfach nur peinlich ist, hilft nicht. Noch schlimmer als der Slogan ist übrigens, dass er auch noch von einer Bildungskampagne aus NRW geklaut ist. Die hatten den Slogan für den richtig fetzigen Swag noch mit dem Hashtag #WTFuture abgekürzt. „Cringe“ würde die Jugend sagen, die man damit vermeintlich erreichen will. 

Lesen Sie auch:

Kanzler-Dämmerung

54

Zur Ankündigung großer Gäste wie Friedrich Merz wird dann auch noch die neueste Chartmusik aus 2018 abgespielt, um zu beweisen, wie sehr man mit der Zeit geht – und nach dem Aufgebot ist das erste, wofür sich Merz in seiner Rede bedankt, die Social-Media-Kompetenz der JU, die ihm zum Sieg verholfen habe. Hmmm. Events wie diese bestätigen mich jedenfalls immer wieder darin, dass Parteipolitik wirklich absolut nichts ist, was ich von innen erleben will. Alleine das ewige Klatschen würde mir schon reichen, dann noch die schlecht rübergebrachten Beweihräucherungsfloskeln. 

Ich möchte direkt den einen Punkt vorwegnehmen, den ich an der Rede von Merz gut fand. So erinnerte er zu Beginn daran, dass wir beim letzten Deutschlandtag noch vor einer Neuwahl standen – was mich wieder realisieren ließ, dass Merz noch nicht mal annähernd ein Jahr Bundeskanzler ist. Fühlt es sich für Sie nicht auch wie eine Ewigkeit an? Gerade wenn man kürzlich so mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert wurde, wie ich vergangene Woche, ist es doch schön zu sehen, dass die Zeit nicht so schnell vergeht, wie man manchmal meint. 

Nun aber zum Rest des Auftritts. Wie man so ziemlich der gesamten Presse entnehmen kann, ist das Wochenende für Merz nicht so dolle gelaufen. Lediglich die Bild berichtete von einer „Klartext-Rede“, in der Merz den „Renten-Rebellen die Leviten“ gelesen hätte. Als Ansage kann man diese Rede schwerlich bezeichnen, wobei es schwierig ist, sie zu beschreiben. Merz bemüht sich, autoritär rüberzukommen. Seine Botschaft: Instagram-Bildchen könnt ihr, aber Politik überlasst ihr lieber den Großen. 

Später in einer Fragerunde muss er zugeben, dass es keine inhaltlichen Gründe gibt, die für den Vorschlag der SPD sprechen. Wieder eins dieser vielen Zitate, die ihm noch um die Ohren fliegen werden, wenn er dann wieder einknickt. Während er seine nervigen Bälger mit einem Lolli beruhigen will und verspricht, dass man noch viel verhandeln müsse – die JU dann aber gefälligst auch konstruktiv dazu beitragen solle – muss ihn einer der jungen Unionler unsanft aus den leeren Versprechen zerren. 

Zeitgleich hatte nämlich der Vizekanzler auf dem Landesparteitag der SPD Baden-Württemberg ein tatsächliches Machtwort gesprochen: „Ich sage euch in aller Klarheit: An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert.“ Ein Machtwort zeichnet sich dadurch aus, dass man a) tatsächlich Macht hat und b) damit die Diskussion auch beendet ist. Die „Ansage“ von Merz war eine Zetertirade. Die Jugend von heute, kein Benehmen und immer nur Kritik! Es war der Versuch, nach unten zu treten, obwohl er selbst am Boden liegt. Während Merz gegen seine eigenen Leute schießt, zieht Klingbeil ihm eine Bratpfanne über den Kopf. 

Die Rententhematik ist ein schwieriges Thema. Auf der einen Seite stehen die Rentner, die dieses Land aufgebaut und ihr ganzes Leben gearbeitet haben. Auf der anderen Seite steht die Jugend, die vor einer zusammenbrechenden Wirtschaft steht, während die Inflation ihr Geld immer weiter entwertet. Zwischen ihnen stehen Milliarden von Euro, die ganz plötzlich einfach weg sind, der Sozialstaat hat sie einfach verloren. 

Merz wird einknicken, wie ein müdes Kamel in der Sahara, tippe ich mal. Es wäre vielmehr eine Überraschung, wenn er es nicht tun würde. Dafür ist das Thema perfekt. Erstens: Er hat bereits etwas angekündigt. Ein klarer Hinweis darauf, dass er es nicht tun wird. Darf ich erinnern, welche Jahreszeit gerade ist? Herbst – der Herbst der Reformen? Klingelt da noch was? 

Zweitens hat Merz seine Leute auch schon darauf eingeschworen, dass man Kompromisse eingehen muss. Kompromiss bedeutet für die CDU in dieser Koalition Unterwerfung, das wissen wir aus Erfahrung. Aus Erfahrung wissen wir auch, dass Klingbeil sich tatsächlich durchsetzen kann. Vielleicht erlaubt man dem vermeintlichen Kanzler, sich danach als Superhelden hinzustellen, der diesen Kompromiss eingehen musste, um das Land/die Regierung/die EU/die Nato/die Welt zu retten.

Überhaupt hat die Rententhematik mit der Schuldenbremse ganz zentral eines gemeinsam: Wieder wird Geld ausgegeben, das noch gar nicht erarbeitet wurde. Und wir wissen, wie sehr es Regierungen lieben, fremdes Geld auszugeben, das noch gar nicht existiert. Dann fühlt es sich immer so an, als wäre das Problem mit einer Zeitmaschine beseitigt worden. Dementsprechend können wir uns auch ziemlich sicher sein, dass das Geld nicht bei den Rentnern ankommen wird. „Rente“ ist doch ein dehnbarer Begriff – davon kann man doch bestimmt auch Straßen finanzieren.

Werbung

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Strafbare Inhalte, Beleidigungen oder ähnliches sind verboten (hier unsere Kommentar-Richtlinien). Kommentare sind auf maximal 1.000 Zeichen limitiert.

6 Kommentare

  • Danke für die Zeilen. Merz verkündet oft Einigungsergebnisse die es gar nicht gibt.
    So geschehen z.b beim EU Mercosur Abkommen. Donnerstag auch bei Rente und Verbrenner. Merz hat alle Wahlversprechen gebrochen. Merz geht als der größte Lügner und Schuldenkanzler in die Geschichte der BRD ein. Vieles von dem Haushalt und den Sonderschulden wird verbrannt oder landet im Korruptionssumpf der Ukraine. Die Tilgung Zinszahlungen der Schulden werden in Zukunft, das Land in den Bankrott führen.
    Deindustrialisierung und „Green Deal“ geben uns dann endgültig den Rest.
    Die Wahl von Merz zum Bundeskanzler war eine Tragödie fürs Land. Die Kanzlerschaft muss jetzt schnell enden.

  • Dass NRW den Slogan ihrer Bildungskampagne mit WTFuture an WTF (what the fuck…) anlehnt, spricht für ungeahntes selbstkritischen Bewusstsein.
    Ja, sieht man die Dystopie unserer Zukunftsgesellschaft an den Brennpunktschulen fällt einem in der Tat auch nichts anderes ein, wobei diese treffliche Abkürzung natürlich auch die Politik des Mainstreams insbesondere der CDU bestens beschreibt.
    Ja, es fühlt sich an, als wäre Merz ewig da, weil man als Wissende nicht mehr einzelne Politikercharaktere, sondern seit der Merkelmitte nur noch verlogenen Abschaffungsbrei wahrnimmt. Ja, und die Regierung hat einen wunderbaren Zaubertrick nicht existentes Geld existent zu machen, nämlich durch die staatliche Versorgung vieler Familienmitglieder durch die soziale Infrastruktur NGO in den eigenen Taschen, die Schulden haben ja dann die anderen, die „Fremden“ und wo alle mitmachen ist ohnehin keiner schuld.
    2 Dinge brauchen wir: Die Hoffnung, dass alles gut wird und die Kraft bis dahin durchzuhalten.

  • Ihr dämlicher Realitätsverlust ist ja nicht mehr auszuhalten, Herr Merz !
    Die deutsche Wirtschaft, der Mittelstand die Mittelschicht sind durch Jahrzehnte falscher und schädlicher Politik auch der Union vollständig zerstört worden.
    Hier wächst kein Gras mehr, weil sie weiterhin das Land vergiften.
    Kein Einziger aus der Jungen Union hat es Ihnen auf offener Bühne gesagt.
    Das ist hier kein Schmierentheater sondern echte Politik.
    Wenn Sie sich gegen Klingbeil nicht durchsetzen können,
    dann verpissen Sie sich.

    • Kein anderer CDUler wird sich gegen Klingbeil durchsetzen, so lange Merkel nicht aufgearbeitet wird und die Union erpressbar bleibt. Merz ist doch schon „rechtsaußen“.

  • Schön, dass sie wieder da sind, Frau David.

    Zu Ihrer Kolumne nur zwei Anmerkungen:
    1) kein Mensch braucht Weisheitszähne
    2) In einem Jahr wird Merz schon wieder Geschichte sein. Aber die bis dahin wird sich anfühlen wie eine Extraktion der Weisheitszähne ohne Betäubung.

  • Die JU kann es sich nicht leisten, nachzugeben.
    Keiner würde sie mehr wählen.
    Und , so, wie ich Merz verstanden habe, wirft er der JU beabsichtigte Rentenkürzungen vor.
    Damit würden keine Wahlen gewonnen.
    Doch, Merz wird wohl sowieso keine Wahl mehr gewinnen— Gründe gibts dafür wohl genug.
    Dabei wird von der JU nur gewollt, dass sich konkret an den Koalitionsvertrag gehalten wird.
    Beide, Spahn und Merz, habe ich in ihren Äusserungen so erlebt, dass die JU sich wohl einfach nur “ vera….t“ fühlen kann.

Werbung