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Maaßen, Krall und der Cancel-Sturm von rechts

Krall und Otte schießen sich auf die Werteunion ein, ein rechter Shitstorm geht durchs Netz. Die Gründe wirken aufgebauscht, den Mechanismus kennt man sonst nur von Links. Einige Akteure im Dunstkreis der AfD wünschen sich offenkundig eine Art Gegen-Brandmauer.

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Konkurrenz belebt das Geschäft. Ein Satz, der immer schöner wird, je länger man über ihn nachdenkt. Weil man ihn vor allem zu sich selbst sagt. Ein Aufruf, sich über Konkurrenzneid, Verdrängungsangst und Missgunst zu erheben, seinen Wettbewerber nicht als Feind zu sehen und sich dem Kampf um die bessere Idee mit offenem Visier zu stellen. Die Reife unserer Zivilisation besteht auch in der Ablösung von Mord und Totschlag durch das Grundprinzip des Wettbewerbs. Dazu gehört aber ein ganz genereller innerer Pluralismus.

Auch daran krankt dieses Land: Von Faesers neuen Anti-Rechts-Gesetzen bis zu ängstlichen Konzernlenkern, die sich an den Staat anlehnen wollen, um in seinem Windschatten konkurrenzfrei agieren zu können. Man versucht nicht mehr besser zu sein als die Konkurrenz, man will die Konkurrenz beseitigen und sabotieren. Jetzt zeigt ausgerechnet auch das rechte, konservative Lager, dass es von diesem Geist befallen ist. Jahrelang wurde die AfD ausgegrenzt und mit einem Bekenntniszwang gegen sich belegt. Einige konservative und rechte Akteure wollen jetzt allerdings einen eigenen Bekenntniszwang dagegen setzen – das zeigt die Aufregung rund um die Gründung der Werteunion in den vergangenen Tagen.

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Kurz nachdem Hans-Georg Maaßen die Gründung als Partei vollzogen hatte, hagelte es einen enormen Shitstorm von rechts, speziell von den beiden Ex-Mitgliedern Max Otte und Markus Krall. Im Kern dreht sich dabei alles um die Haltung zur AfD. Eigentlich hatten Maaßen und andere Beteiligte immer wieder klargemacht, dass es in keine Richtung, auch nicht zur AfD, eine Brandmauer geben werde – trotzdem fordert man jetzt faktisch ein AfD-Bekenntnis von der neu gegründeten Partei.

Max Otte, der früher einmal der Werteunion vorsaß und inzwischen sagt, er habe sich „aus der Parteipolitik“ zurückgezogen, attackiert die neue Partei auf genau diese Weise: für die Werteunion sei „ein klares Bekenntnis zur Koalition mit der größten freiheitlichen Partei in Deutschland, der AfD, […] notwendig angesichts einer CDU, die sich schon jetzt zu den Grünen bekennt.“ Otte beklagt, Maaßens Partei sehe die AfD „teilweise als Konkurrenten“. Aber ist nicht das der Kern einer gesunden Debatte? Wenn nicht Konkurrenz, welchen Grund gäbe es dann, überhaupt eine neue Partei zu gründen?

Canceln um die Macht

Die Art und Weise, in der sowohl Otte als auch Krall ihre fast gleichzeitig verkündeten Austritte aus dem Verein mit scharfen Attacken begleiten, irritiert – es ist ein Sammelsurium verschiedenster, oft kleinlicher Kritikpunkte, gemessen an den Hoffnungen und Erwartungen, die sie zuvor öffentlich in das Projekt gesteckt hatten.

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Ein Beispiel dafür liefert Krall in einem langen X-Post, den er mit dem Satz „Mit meiner Austrittserklärung aus der WerteUnion habe ich mich eigentlich sehr kurz gehalten, weil ich nicht vorhatte, große Erklärungen über das Warum abzugeben“ einleitete. Denn danach folgt eine fast 1.000 Wörter lange Liste an diversen Dingen, die ihn stören – abgesehen vom fehlenden AfD-Koalitionsbekenntnis, fast ausschließlich persönliche Gründe. Krall hatte offensichtlich den Wunsch, eine größere Rolle in der Partei zu spielen, auch wenn er im gleichen Beitrag beteuert, gar kein politisches Amt anzustreben.

Monatelang hatte Krall zuvor darüber getwittert, eine „neue Partei“ zu gründen, von der er versprach, dass sie die politische Landschaft in Deutschland völlig umkrempeln würde. Immer wieder mischte er da auch den Namen Maaßen herein – obwohl der nie etwas mit Kralls Plänen zu tun hatte. Als dann eine Wertunions-Partei ohne Krall an den Start ging, will der jetzt enttäuscht sein und hängt sich insbesondere an der „Premiumpartner“-Debatte auf.

Maaßen biedert sich an die CDU an?

Dabei hatte Maaßen, der ja gerade aus der Union ausgetreten war, davon gesprochen, mit allen möglichen Parteien, ohne irgendeine Brandmauer zu sprechen. Darüber jetzt in dieser Art herzufallen, ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Einerseits haben AfDler selbst in den letzten Jahren immer die CDU als nächsten möglichen Koalitionspartner identifiziert. Andererseits ist die Art, einen Politiker beziehungsweise eine gesamte Partei anhand einer unglücklichen Formulierung – „Premiumpartner“ – zu canceln, etwas, was gerade die AfD und ihre Anhänger seit Jahren aus der linken Hauptstadtblase erfahren. Es war insbesondere Maaßen, der die AfD dagegen immer wieder in Schutz nahm.

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Die Wahrheit ist ja die: Die Rechte empört sich gerne über Brandmauern und Berufspolitiker. Man muss aber erst beweisen, dass man selbst der Verlockung der Macht widerstehen kann – und wie liberal man noch ist, wenn man einmal über Macht verfügt. Über Hans-Georg Maaßen kann vieles gesagt werden. Er ist kein geborener Wahlkämpfer, versteht sich nicht auf die taktische Rhetorik des politischen Berlins, die alles so abrundet, dass niemand sich angegriffen fühlt. Dafür hat er im Angesicht der Macht Charakter bewiesen. Das ist die Substanz. Nun kann ja jeder wählen, was ihm wichtiger ist.

Maaßen hat sich bis aufs Äußerste mit dem Establishment der CDU angelegt und vieles aufgegeben – u.a. auch um einen fairen Umgang mit der AfD zu wahren. Ihm ausgerechnet eine „Anbiederung“ an die CDU vorzuwerfen, das ist schon grotesk. Maaßens neue Kritiker sitzen derweil vielfach im sicheren Schützengraben ihrer politischen Blase; im wohligen Warm der Echokammer kann man sich immer dadurch beliebt machen, am radikalsten gegen Abweichler zu schießen. Doch Größe gibt es nur, wo man für sich selber stehen kann.

Konkurrenz belebt das Geschäft. Und diese Belebung ist offenkundig notwendig.

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