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Schweiz

Leiter eines LGBTQ-Vereins sollen minderjährige Schutzbefohlene missbraucht haben

Die Schweiz wird von einem schweren Missbrauchsskandal der LGBTQ-Szene erschüttert. Zwei Leiter eines queeren Jugendtreffs sollen mit dort betreuten Jugendlichen - ihren Schutzbefohlenen - Sex gehabt haben.

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„Die Gefühle sind real. Alex tut mir sehr gut, Alex sagt, ich tue ihm sehr gut. Ob diese Machtposition jetzt da ist, das muss schlussendlich Alex beurteilen“ – diesen Satz soll ein Mitte 40-jähriger Betreuer eines LGBTQ-Jugendtreffs im vergangenen Sommer über einen jungen Schutzbefohlenen gesagt haben, mit dem er sich zu diesem Zeitpunkt in einer Beziehung befand. Inzwischen ermittelt die Schweizer Staatsanwaltschaft gegen den Mann und seinen Partner wegen des Verdachts auf strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität. Ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Vereins „sozialwerk.LGBT+“ hatte die Männer angezeigt. 

Der Fall, der vom Schweizer Tages-Anzeiger, in einer ausführlichen Recherche aufgearbeitet wurde, erschüttert die Schweiz. Zwei Gründungsmitglieder des Vereins „sozialwerk.LGBT+“, der in der Schweiz mehrere queere Treffs für Jugendliche ab 13 Jahren anbietet, sollen eine sexuelle Beziehung mit einem 17-Jährigen eingegangen sein. Die Recherchen des Tages-Anzeigers setzen sich aus Gesprächen mit Zeugen sowie der Auswertung von zahlreichen Sprach- und Textnachrichten zusammen. Diese zeichnen ein Bild von den ungeheuerlichen Vorkommnissen, die nun von der Staatsanwaltschaft untersucht werden. 

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Im Winter 2022/2023 soll der zu diesem Zeitpunkt 17-jährige Alexander Zuflucht in dem queeren Club gesucht haben, weil unter der Ausgrenzung in seinem Umfeld wegen seiner Homosexualität litt. Der Name des Jungen wurde von der Redaktion des Tages-Anzeigers geändert. Über Jahre soll er beleidigt, beschimpft, gemobbt und körperlich angegriffen worden sein. Der Jugendtreff war eine Art Erlösung für ihn. Eine Videoaufnahme, die dem Tages-Anzeiger vorliegt, soll zeigen, wie Alexander euphorisch beteuert, der Jugendtreff habe seine dreijährige Depression beendet. „Ich habe hier Freunde gefunden, eine Familie, der Treff wurde zu meinem Zuhause“, wird der junge Mann zitiert. 

Dreiecksbeziehung mit einem Schutzbefohlenen

Diesen Rückhalt soll ihm vor allem der Mitte 40-jährige Betreuer Bernd T. gegeben haben. Bernd T. und sein Ehemann Andreas T. (beide Namen von der Redaktion des Tages-Anzeigers geändert) sind Gründungsmitglieder des queeren Vereins, in dem sie sich als Sozialarbeiter engagierten. Andreas T. war zu diesem Zeitpunkt zudem als Geschäftsleiter tätig. Der 17-Jährige hat in öffentlich zugänglichen Onlineplattformen beschrieben, was nach seinem ersten Kontakt mit dem Jugendtreff geschah: Schnell sei es zu ersten intimen Kontakten mit Bernd T. gekommen. Das habe sich eine Weile so fortgesetzt, bis Bernd T. dann von dem Jugendlichen verlangt habe, ihr Verhältnis in eine Dreiecksbeziehung mit seinem Ehemann Andreas T. auszuweiten. 

Auf der Onlineplattform beschreibt Alexander, dass er schon bald zu dem schwulen Ehepaar gezogen und auch mit ihnen in den Urlaub gefahren sei. Die Dreiecksbeziehung wurde nicht geheim gehalten und sorgte schließlich auch im Vorstand des Vereins für heftige Auseinandersetzungen, wie verschiedene ehemalige Vorstandsmitglieder gegenüber dem Tages-Anzeiger angeben. Man war sich jedoch nicht sicher, wie mit dem Fall umzugehen sei, da er – so wird ein Vorstandsmitglied zitiert – „die Vorurteile gegenüber homosexuellen Menschen“ befeuere und ihrem „Image“ schade. Außerdem war Alexander mit 17-Jahren formal sexuell mündig. 

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Doch dann kam heraus, dass Bernd T. auch mit einem zweiten minderjährigen Besucher des Jugendtreffs Sex gehabt hatte – in einem Beratungszimmer des Vereins. Erst jetzt kam es im Vorstand zum Bruch, der damalige Präsident informierte seine Mitglieder über die Ereignisse und Andreas T. kündigte seine Position als Geschäftsleiter. Diese Kündigung wollte er kurz darauf wieder rückgängig machen. Letztendlich wurde sie nicht vollzogen. 

Sexuelle Kontakte mit Jugendlichen seien in der Jugendarbeit üblich gewesen, verteidigt sich Andreas T.

Der Tages-Anzeiger zitiert aus Textnachrichten, die Andreas T. damals zur Rechtfertigung an verschiedene Personen verschickt haben soll. „In der offenen Kinder- und Jugendarbeit war es lange Zeit üblich, dass auch Jugendarbeitende sexuelle Kontakte zu Jugendlichen hatten“, soll er gesagt haben. Außerdem soll er darauf hingewiesen haben, dass es in Berlin noch bis in die 90er üblich gewesen sei, dass Straßenkinder in die Obhut von pädophilen Straftätern gegeben wurden, damit diesen ihnen „Liebe“ geben. 

Welche Rolle Andreas und Bernd T. aktuell noch in dem Verein spielen, ist gemäß der Recherchen des Tages-Anzeigers unklar. Aus zahlreichen Jugendeinrichtungen hagelt es nun Kritik. Ein Verhältnis mit einem Schutzbedürftigen einzugehen, gehe „gar nicht“, erklärt unter anderem die Therapeutin und Co-Präsidentin des Fachverbands für Sexologie Schweiz, Petra Wohlwend, und ergänzt: „Die Schutzbedürftigkeit ist in diesem Fall riesig und entsprechend auch das Abhängigkeitsverhältnis. Hier sexuell aktiv zu werden, ist ein No-go.“ 

Die Angebote des Vereins „sozialwerk.LGBT+“ galten als Vorzeigeprojekte der queeren Community in der Schweiz. Sowohl amerikanische als auch deutsche Botschafter hatten die Jugendtreffs besucht. Mehrere Kantone sowie zahlreiche Stiftungen und Unternehmen hatten den Verein finanziell unterstützt. Im Moment ist der Jugendtreff vorübergehend geschlossen. Auf der Webseite des Vereins ist zu lesen: „Infolge personellem Engpass fallen die Jugend- und Erwachsenenangebote bis auf weiteres aus“.

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