Berlins erster „Queer-Beauftragter“, der SPD-Politiker Alfonso Pantisano, hat mehrere Journalisten wegen Volksverhetzung angezeigt. Er tue dies in offizieller Funktion, so der SPD-Politiker in einem Post auf Facebook. Der staatliche Beauftragte will den ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, seine Kollegin Judith Basad und das Medienunternehmen VIUS vor Gericht bringen.
Reichelt hatte mit Blick auf das zeremonielle Hissen einer Regenbogenflagge vor dem Polizeipräsidium Berlin in einem Tweet geschrieben, dass die Polizei auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte „nie wieder die Flaggen einer politischen Bewegung“ hissen sollte. „Jede totalitäre Ideologie hat schon immer die ‚Solidarität‘ beschworen“, heißt es weiter. Judith Basad ist Autorin einer Dokumentation mit dem Titel „Trans ist Trend“, in der sich kritisch mit der politischen Trans-Bewegung und ihren Folgen auseinandergesetzt wird.
Alfonso Pantisano ist vom schwarz-roten Senat um CDU-Bürgermeister Kai Wegner zum ersten „Queer-Beauftragten“ berufen worden. Seine Ernennung war ohnehin anrüchig, da der Politiker die Journalistin Alice Schwarzer und andere Frauen als „Hündinnen“ verunglimpft hatte (Apollo News berichtete). Das Aufgabenfeld der neu geschaffenen Stelle sei noch recht unklar, meint selbst der Lesben-und Schwulenverband LSVD zu der Stelle. Deswegen definiert Pantisano sein Aufgabenfeld nun selbst: Und ganz oben auf der Agenda steht offenbar, Journalisten mundtot zu machen.
Lässt Wegner diesen Angriff zu?
Staaten, die Journalisten mit fadenscheiniger Begründung vor Gericht zerren wollen: Da denkt man an Erdogans Türkei oder Putins Russland. Nicht mehr an Berlin. Doch es ist die Stadt an der Spree, die deutsche Hauptstadt, in der ein Regierungsvertreter genau das tut – und damit Reichelts Anspielungen auf „totalitäre Ideologien“ noch griffiger macht. Wo, außer in Staaten auf der Vorstufe zum Autoritarismus, stellen Regierungen Journalisten wegen Meinungsvergehen vor Gericht?
Die Frage ist, warum der CDU-Bürgermeister Wegner diesen Irrsinn überhaupt zulässt. Pantisano stellte die Anzeigen immerhin ausdrücklich in seiner Funktion als Beauftragter des Senats – also auch im Namen des Bürgermeisters. Auf eine Anfrage von Apollo News antwortete ein Sprecher der Senatsverwaltung, Pantisano handle „in Abstimmung und im Auftrag des Landes Berlin und des Berliner Senats.“
In Berlin gibt es jeden Tag homophobe Gewalt
Währenddessen gäbe es so einiges, worum sich ein Beauftragter für „queeres Leben“ in Berlin stattdessen mal kümmern könnte: In keiner anderen deutschen Stadt werden so viele LGBT-Feindliche Übergriffe gemeldet wie in Berlin. Im Vergangenen Jahr wurden 731 solcher Fälle gezählt. 731 Fälle pro Jahr – das sind zwei Übergriffe jeden Tag. Ob am U-Bahnhof, vor dem Späti an der Ecke oder beim flanieren durch Parks und über Plätze: So wirklich sicher können sich offen Homosexuelle in Berlin nicht fühlen. Und soviel sei gesagt: Die Täter solcher Übergriffe lasen sicher nicht Reichelts Tweets oder sahen Basads Doku, bevor sie Schwule, Lesben oder Transgender beschimpften, schlugen und bespuckten.
Ein besonders großer Teil der Fälle von staatlich erfassten „Hassverbrechen“ geschehen in den migrantisch geprägten Vierteln der Stadt. Allein auf die grüne Hochburg Friedrichshain-Kreuzberg und den Bezirk Mitte fallen fast über 40 Prozent aller Delikte. Diese Fälle sind gerade ein Phänomen in den Bezirken, die eigentlich fest in rot-grün-linker Hand sind.
Nach Einschätzung des Anti-Gewalt-Projektes Maneo besteht die übergroße Mehrheit der Täter aus jungen Männern mit arabisch-türkischem Migrationshintergrund oder solchen, die sich in islamisch gefärbten Milieus bewegen. Auch dort stellt man fest: Die Gefahr, einem homophoben Angriff ausgesetzt zu sein, ist in Berlin-Neukölln und anderen „Brennpunktvierteln“ um ein Vielfaches höher als in Vierteln wie Charlottenburg oder im Prenzlauer Berg.
Will die CDU nicht mehr gewählt werden?
Dass Pantisano lieber Journalisten zensiert, anstatt dieses evidente Problem überhaupt erkennen zu wollen, spricht Bände über sein Auftragsverständnis als „Queer-Beauftragter“ – anstatt sich für Menschen einzusetzen, verteidigt er lieber eine Ideologie. Und untergräbt so die Pressefreiheit. Was für ein Präzedenzfall wäre es, wenn Politkommissare wie Pantisano quasi von Amtswegen aus Journalisten in ihrer Berichterstattung einschränken könnten? Und was für eine Schande wäre es, diesen Präzedenzfall ausgerechnet (mal wieder) in Berlin zu schaffen?
Man muss es klar sagen: Dass das ausgerechnet unter einem CDU-geführten Senat geschieht, ist unfassbar. Bürgermeister Kai Wegner muss einschreiten und diesem unwürdigen Schauspiel einen Riegel vorschieben, bevor seine Regierung irreparablen Schaden verursacht. Falls er das nicht tut, ist sein Senat nicht mehr von Rot-Rot-Grün zu unterscheiden. Für so einen antiliberalen Wahnsinn wurde Wegner jedenfalls ganz sicher nicht gewählt.
Es ist schon schrecklich genug, dass wir überhaupt einen „Queer“-Beauftragten haben. Nun muss Wegner Farbe bekennen – man fürchtet nur, dass es ein Regebogen sein wird…