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Recherche-Enthüllung

Grüne Europaabgeordnete arbeitete jahrelang für russischen Geheimdienst

Eine ehemalige Grünen-Politikerin arbeitete rund ein Jahrzehnt für den russischen Geheimdienst. Im Auftrag Moskaus spähte die Lettin Tatjana Zdanoka das EU-Parlament aus und berichtete umfangreich an den FSB.

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Die lettische Grünen-Politikerin und Europaabgeordnete Tatjana Zdanoka soll fast ein Jahrzehnt lang für den russischen Geheimdienst gearbeitet haben. Das geht aus einer Recherche des russischen Portals The Inside sowie Berichten der schwedischen Zeitung Expressen und des lettischen Zentrums für investigativen Journalismus Re:Baltica hervor. Die Zeitungen berichten über ihnen vorliegende E-Mails zwischen Zdanoka und ihren beiden Führungsagenten beim russischen Geheimdienst: dort soll sie von ihren Aktivitäten, Geld und die Rekrutierung von weiteren Agenten berichtet haben.

Zdanoka beschreibt gegenüber ihrem „Betreuer“ ausführlich und detailliert die Arbeit als europäische Gesetzgeberin, insbesondere im Zusammenhang mit der Förderung kremlfreundlicher Stimmungen in ihrer baltischen Heimat. Andere Korrespondenz beinhaltet die Organisation von Treffen in Moskau oder Brüssel zwischen Zdanoka und ihrem Kontaktmann sowie Anträge auf Finanzierung aus russischen Quellen, um ihre politischen Aktivitäten in Lettland und im Europäischen Parlament zu unterstützen. Mindestens einmal bat sie um Geld für die Organisation einer Kundgebung zum Gedenken an den Sieg der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg. Seit Oktober 2005 liegt Schriftverkehr zwischen Zdanoka und den russischen Agenten vor, berichtet The Insider.

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Zdanoka, die aus einer russischen Familie stammt und in Riga geboren wurde, begann ihre politische Karriere in den 80er-Jahren. Sie setzte sich unter anderem gegen die Unabhängigkeit Lettlands von der Sowjetunion ein. 2004 wurde sie erstmals ins Europaparlament gewählt und war dort über ein Jahrzehnt lang Mitglied der Grünen-Fraktion. 2022 verließ Zdanoka, weil sie den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilen wollte, die Europäischen Grünen und ist derzeit fraktionslos.

Zwei FSB-Agenten betreuten Asset Zdanoka

Die Recherche bestätigt, dass die beiden Männer, mit denen Zdanokas umfangreich korrespondierte, Beamte des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) waren. Den E-Mails zufolge war ihr erster Sachbearbeiter ein altgedienter FSB-Kader aus der St. Petersburger Zentraldirektion, Dmitry Gladey (74), der Zdanoka von etwa 2004 bis 2013 betreute. Nach 2013 stand Zdanoka in regelmäßigem Kontakt mit Sergei Beltyukov, der seit dem Jahr 1993 FSB-Agent ist.

Die früheste Kommunikation zwischen Gladey und Zdanoka, die von The Insider untersucht wurde, datiert vom 3. Oktober 2005. Zdanoka schickte zwei Anhänge an die E-Mail-Adresse von Gladey. Bei dem einen handelte es sich um einen unveröffentlichten Entwurf der Tagesordnung für eine bevorstehende Konferenz in Tallinn und Narva, Estland, die von zwei parlamentarischen Blöcken – der Fraktion der Grünen/Europäischen Freien Allianz im Europäischen Parlament und der Europäischen Russischen Allianz – gesponsert wurde. 2005 stellte der estnische Dienst für innere Sicherheit in seinem Jahresbericht fest, dass die „NGO“ kaum mehr als eine FSB-Fassade sei und dass ihre Gründung „in St. Petersburg vorbereitet wurde und dem Generaldirektor des FSB (…) direkt unterstellt war.“

Umfangreiche Belege: „Berichte“ an Russland und mutmaßliche Rekrutierung weiterer „Assets“

Der dokumentierte Kontakt zwischen Zdanoka und den russischen Agenten ist lang und umfangreich. Immer wieder vereinbarte sie Treffen mit ihren Führungsoffizieren, etwa am Brüssler Bahnhof. Mindestens ein Treffen fand auch in Moskau statt. Es scheint so, dass Zdanok und Gladey die heikleren Teile ihrer Kommunikation für persönliche Treffen reservierten. Solche konnten jedoch nicht immer arrangiert werden, sodass Zdanoka gelegentlich detaillierte Diskussionspunkte und Berichte an ihren Führungsoffizier schickte. So schrieb Zdanoka beispielsweise am 8. September 2007, eine Woche nach ihrem Treffen in Moskau, an Gladey eine lange E-Mail in russischer Sprache mit der Betreffzeile „Bericht“. Sie entschuldigte sich zunächst dafür, dass sie „die versprochenen Informationen“ aus Straßburg nicht übermitteln konnte, und berichtete dann, welche Aufgaben seit Juni erledigt worden waren.

Schriftliche Belege für ihre Agententätigkeit lassen sich noch bis 2017 finden, berichten die Journalisten hinter der Recherche. Die Dokumente legen auch nahe, dass Zdanoka weitere Assets für den FSB rekrutieren sollte. In einer E-Mail spricht sie davon, eine Gruppe Reisender für das Gedenken an die Blockade von Leningrad „kuratiert“ zu haben. Das russische Verb курировать, das Zdanoka auffällig oft in der entsprechenden E-Mail verwendet, kann mit „beaufsichtigen“ übersetzt werden. Im Sprachgebrauch des FSB wird der Begriff jedoch auch für „leiten“ verwendet, das heißt für die Verwaltung von Vermögenswerten oder Unterauftragnehmern. Handfeste Belege für eine Rekrutierungstätigkeit der Grünen gibt es jedoch nicht.

Zdanoka sagte gegenüber The Insider, sie habe „Tausende von Menschen“ getroffen und könne sich an niemanden namens Beltyukov erinnern, und beantwortete weitere Fragen der Journalisten nicht fristgerecht. Sie bestätigte jedoch, dass sie Gladey seit Jahrzehnten kennt und ihn „in den frühen 1970er Jahren im Urlaub im Nordkaukasus kennengelernt hat, wo sie Skifahren lernten“. Sie bestritt jedoch, dass sie wusste, dass Gladley ein russischer Spion ist.

Zdanokas Zukunft ist nach den Enthüllungen ungewiss. Als Europaabgeordnete genießt sie noch parlamentarische Immunität – bis zum Sommer, wenn die Legislaturperiode des EU-Parlamentes endet. Die Journalisten haben ihre Recherche dem lettischen Inlandsgeheimdienst zugänglich gemacht. Der meint lediglich, man werde sich die Sache „angucken“.

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