Werbung

...
...

„Trusted Flagger“

„Fördern das Chaos“: Jetzt geraten Kritiker der neuen Zensur-Pläne ins Fadenkreuz

Die Empörung nach der Ernennung von „REspect!“ als „Trusted Flagger“ war groß – doch jetzt nehmen Spiegel, Zeit und Co. die Bundesnetzagentur in Schutz: Die Stelle sei keine „Zensurbehörde“. Die Argumente sind dünn.

Von

Facebook, X und Co. sollen künftig Löschanträge von „Trusted Flaggern“ schneller bearbeiten.

Werbung

Die Bundesnetzagentur sei keine „Zensurbehörde“ – das zumindest meinen einige deutsche Medien. Dabei steht die von Klaus Müller geführte Behörde nach der Berufung einer Meldestelle gegen „Hass und Hetze“ als „Trusted Flagger“ stark in der Kritik. So stark, dass Müller selbst an die Öffentlichkeit ging, um klarzustellen: Die betroffene Meldestelle „REspect!“ – die sich auf „Hetze, Verschwörungserzählungen und Fake News“ eingeschossen hat – solle nur illegale Beiträge im Internet zur Anzeige bringen und deren Löschung bei dem jeweiligen Online-Unternehmen beantragen.

Hintergrund ist die in der EU-Verordnung Digital Services Act (DSA) begründete Möglichkeit, ebenjene „Vertrauenswürdigen Hinweisgeber“ zu ernennen. An diese sollen Verstöße im Internet gemeldet werden – und letztlich eine Löschung des Beitrags bis hin zu rechtlichen Schritten verfolgt werden. Die Crux: Dadurch sind Online-Unternehmen per EU-Verordnung verpflichtet, Löschanträge oder Beitragsmeldungen von diesen Hinweisgebern vor den Anträgen anderer Akteure zu untersuchen.

...
...

Im Internet wird die Meldestelle daher jetzt auch als verlängerter Arm der Regierung zur Einschränkung der Meinungsfreiheit betrachtet. Die Welt sieht das ähnlich: Das Springer-Medium betitelt die Bundesnetzagentur gar als „Zensurbehörde“, deren Werkzeuge bestens geeignet sind, um „legitime Meinungsäußerungen je nach politischer Perspektive willkürlich zu disqualifizieren“. Für diese Aussage wurde die Zeitung von Zeit und taz an die Wand gestellt.

„Sie nennen es Freiheit. Aber sie fördern das Chaos“, wirft die Zeit der Welt und anderen kritischen Medien entgegen. „Einige von denen, die dauernd nahezu alles sagen, behaupten nun, sie dürften nichts mehr sagen.“ Die Beitragslöschungen in einschlägigen Netzwerken während der Pandemie hat das Medium offenbar schon vergessen. Auch von Hausbesuchen und Gefährderansprachen, die aufgrund der Verbreitung von regierungskritischen Inhalten stattfanden, hat die Redaktion scheinbar noch nie gehört.

Stattdessen werden Medienunternehmen, die „mit der rhetorischen Mistforke“ auf „eine Nichtregierungsorganisation“ einstechen wollen, als „Lärmschleuder“ bezeichnet. Auch hier vergisst die Zeit ein wichtiges Detail: „REspect!“ ist zwar eigenständig organisiert, wird jedoch durch die Bundesregierung finanziert.

Zudem kann das Blatt gegen die Begrifflichkeit „Zensor“ oder „Zensur“ keine geeigneten Argumente hervorbringen. Um die Ernennung von „Trusted Flaggern“ und insbesondere von „REspect!“ zu rechtfertigen, wagt das Medium einen Blick in die Bundeskriminalstatistik. „Ihr zufolge zeigen REspect und vergleichbare Organisationen pro Jahr einige Tausend Äußerungen beim BKA an, und davon sind laut BKA 80 Prozent eindeutig strafbar. Straftaten sind aber nicht grün, links oder konservativ. Sie sind strafbar.“

Auch die taz steigt in den Deutungskampf ein. Auf die Welt-Frage, ob der Staat der öffentlichen Auseinandersetzung die Regeln vorgeben soll, antwortet der Autor flapsig: „Ähm – ja, dazu sind zum Beispiel Gesetze, Presserecht, Gerichte da, alles Staat, liebe ‚Welt‘. Und nicht die Grünen, wie ihr behauptet.“

Mit anderen Worten: Beide Medien legitimieren den Einsatz solcher privaten Hilfsorganisationen für bevorzugte Löschaufforderungen im Netz. Auch der Spiegel versucht, das Vorgehen der Bundesnetzagentur zu rechtfertigen: Laut Informationen des Magazins könnten im „Meldeverhalten von ‚REspect!‘ keine Indizien für eine fehlende Objektivität oder mögliche politische Schlagseite der Organisation“ gesehen werden.

Lesen Sie auch:

Um strafbare Inhalte im Netz zu melden oder gar zur Anzeige zu bringen, braucht es aber keine halbstaatlichen Meldestellen – jeder Nutzer kann Beiträge melden und Anzeigen erstatten. Noch dazu gehört zu einem der Hauptfokuspunkte der „Trusted Flagger“ die Hassrede. Aus einer Liste „unzulässiger Inhalte“, die dem „Leitfaden zur Zertifizierung als Trusted Flagger“ der DSA zu entnehmen ist, gehen tatsächlich definierbare Straftatbestände hervor. Etwa Verletzung des Urheberrechts, Tierleid oder sexuelle Belästigung. Vor allem aber der Punkt „Unerlaubte Rede“ beinhaltet Delikte, deren Begründung teils schwammig erscheint.

Bestes Beispiel: Hassrede. Ein Phänomen, das auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser bekämpfen möchte – wirklich definierbar ist Hassrede aber nicht. Auch der Wissenschaftliche Dienst im Bundestag hielt dazu in einer Auswertung fest: „Hass an sich mag also etwa aus moralischen Gründen abgelehnt werden, ist jedoch nicht strafbar“ – es sei denn, er überschreitet juristisch relevante Grenzen, beispielsweise zur Volksverhetzung.

Abgesehen davon, dass in der Liste „unzulässiger Inhalte“ unter jeder Kategorie der Unterpunkt „Andere“ auftaucht, ist der Definitionsbereich von Hassrede in der Theorie unermesslich groß. Wo hört Sarkasmus auf, wo fängt Beleidigung an? Was ist als Meinung zulässig – und was ist von der Meinungsfreiheit gedeckt? Diese nebulöse Orientierung ermöglicht es „vertrauenswürdigen Hinweisgebern“, nach eigenem Ermessen Beiträge zur Anzeige zu bringen und einen Löschantrag einzureichen.

Nachdem aus diesem Umstand heraus großer Widerstand im Internet gewachsen war, sagte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur und Habeck-Vertrauter, dann gegenüber Bild: Es sollen vor allem illegale Beiträge angezeigt werden. Ob das dann auch wirklich „objektiv“ passiert, wie es laut Punkt 61 der DSA-Verordnung eigentlich gefordert wird, wird sich zeigen. Bislang hat „REspect!“ als erster deutscher „Trusted Flagger“ keinen Transparenzbericht vorgelegt.

Wie Apollo News zuletzt erfuhr, liegen zudem elf weitere Bewerbungen von Organisationen bei der Bundesnetzagentur vor, die ebenfalls als „vertrauenswürdige Hinweisgeber“ zertifiziert werden möchten. In der Folge könnte es also bald zwölf solcher Einrichtungen geben, die mit staatlichem Siegel Zensur-Druck auf Facebook, Instagram, X und Co. ausüben können.

Werbung