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Die woke Selbstzerstörung Hollywoods und der „Promi-Krisen-Manager“ 

Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

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Krisen-Manager. Das klingt nach einem sehr teuren Check für eine sehr durchschnittliche Power-Point-Präsentation. Oder nach dem Mann, der als Erstes in den White House Situation Room zitiert wird, wenn bekannt wird, dass eine kleine „aktivistische Gruppierung“ im Nahen Osten mit Geldern aus dem Iran eine große Lieferung Toyota Pick-Up-Trucks bestellt hat. Es klingt nach der Nummer, die man anruft, wenn der Praktikant bei Ernst & Young bei der nachträglichen Überprüfung der Wirecard-Bücher „Verdammte Scheiße“ sagt.

Es klingt jedenfalls nicht nach etwas, was man braucht, wenn man als aufkommender Schauspieler in der Verfilmung eines Schnulzenromans mit Teenie-Zielgruppe mitspielt. Doch der Film „It Ends With Us“ ist gerade im Begriff, Legenden und Karrieren zu zerstören, PR-Leute mit exotischen Berufsbezeichnungen sehr glücklich zu machen – und wenn man so will, den Anfang vom Ende der Politisierung der Unterhaltungsbranche einzuleiten. 

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Man kann wohl sagen, dass Coleen Hoover eine der erfolgreichsten Autorinnen dieses Jahrzehnts ist. Im amerikanischen „Publishers Weekly“-Ranking 2022 belegten drei ihrer Bücher auf allen Kategorien die ersten drei Plätze, fünf weitere Titel der Autorin waren dabei zusätzlich unter den Top 25. Diesen Erfolg hat sie TikTok zu verdanken, was eigentlich schon alles sagt.

Aus einem billigen Liebesroman sollte ein tiefgründiger Weckruf werden

Das Buch ist verdammt schlecht. Ich hab es nicht gelesen, aber glauben Sie mir einfach. Die Handlung: Eine Floristin namens Lily Bloom – ja, das soll ihr echter Name sein – eröffnet einen „Punk-Blumenladen“ – nein, ich weiß nicht, was das sein soll – und verliebt sich in einen Chirurgen namens Ryle Kincaid. Dann kommt eine alte Jugendliebe, der Obdachlose Atlas Corrigan zurück in ihr Leben und ihre Beziehung zu Ryle verändert sich drastisch. 

Er beginnt sie zu schlagen, misshandelt sie und vergewaltigt sie einmal fast. Atlas hilft ihr irgendwann dabei, sich von ihm zu trennen. Am Ende ist sie schwanger mit Ryles Kind. Ihre Tochter nennt sie mit Zweitnamen „Dory“, nach dem Fisch aus „Findet Nemo“, weil Ellen DeGeneres ihn als Synchronsprecherin gesprochen hat – ach, hab ich vergessen zu erwähnen, dass Ellen DeGeneres Lilys imaginäre Brieffreundin ist? 

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So ein Kunstwerk muss natürlich verfilmt werden. Da das Buch scharf dafür kritisiert wurde, häusliche Gewalt zu romantisieren, wollten die Filmemacher alles anders machen. Aus einem billigen, schlecht geschriebenen Liebesroman, der Kapital daraus schlägt, dass 13-jährige Mädchen eine extrem verquere Vorstellung von Romantik haben, sollte ein tiefgründiger Weckruf werden, der Aufmerksamkeit auf die Gefahren von häuslicher Gewalt lenkt. 

Justin Baldoni, der die Regie des Films führte und zugleich den Schläger Ryle Kincaid spielte, nahm seine neue Rolle als Häusliche-Gewalt-Botschafter sehr ernst. Er gab sich bescheiden und sagte so Dinge wie: „Wenn auch nur eine Lily Bloom da draußen diesen Film sieht und ihr Leben ändert, habe ich mein Ziel erreicht.“ Das mag sehr gut gemeint sein – ich kann es aber nicht wirklich ernst nehmen, wenn man bedenkt, dass dieses Buch nur verfilmt wird, weil klar war, dass es ein Kassenschlager wird.

Einen harten Kontrast zu Baldoni bildete Kollegin Blake Lively, die die Rolle der Lily Bloom gespielt hat. Sie sprach in der Werbung zum Film viel lieber über das Versace-Kleid, das sie auf der Premiere anhatte oder die Louis Vuitton-Stiefel, die sie im Film getragen hat. Sie nutzte den Hype um den Film, um eine neue Shampoo-Marke auf den Markt zu bringen und ihre Spirituosen-Firma oder den Deadpool-Film ihres Mannes Ryan Reynolds zu bewerben. 

„Crisis PR Veteran“

Ihre Auftritte in Interviews waren oft deplatziert sarkastisch, während es gerade um echte Opfer häuslicher Gewalt ging und so dauerte es nicht lange, bis sie ein gehöriger Shitstorm traf. Wie wehrt man so einen Shitstorm als starke Frau, etablierte Schauspielerin und knallharte Businessfrau ab? Natürlich, indem man seinen Co-Star vor den Bus wirft. Plötzlich ging durch die Medien, Baldoni hätte Lively als fett bezeichnet und beim Dreh gegen ihren Willen zu lange geküsst. 

Kurze Zeit später kam als Antwort darauf dann die Meldung in die Presse, dass Justin Baldoni eine „Krisen-Managerin“ eingestellt hat – die gleiche, die schon Johnny Depp während des Skandals um Amber Heard engagiert hatte. Melissa Nathan wird auch als „Crisis PR Veteran“ bezeichnet und hat dieses Jahr die Firma „The Agency Group PR LLC“ gegründet, die sich auf PR-Krisen-Management spezialisiert hat. Scheint in Hollywood also gerade ein lukratives Geschäft zu sein.

Seit der Schauspieler Baldoni die Krisen-Managerin Melissa Nathan eingestellt hat, werden uralte Skandale aus Livelys Vergangenheit ausgekramt, was ihre Fans wiederum auf eine Schmutzkampagne zurückführen wollen. So hat Lively mal eine nicht schwangere – und wie sich jetzt herausstellt unfruchtbare – Interviewerin zu ihrem Babybauch gratuliert, nachdem diese es gewagt hat, ihr zu ihrer Schwangerschaft zu gratulieren. Lively war damals der #AskHerMore Kampagne gefolgt, einer feministischen Aktion von Schauspielerinnen, die sich dagegen wehren wollten, dass Frauen in Interviews nur Frauen-Sachen gefragt werden würden.

Die feministische Ikone Hollywoods wird als Sexistin gecancelt

Zu Anfang dachte ich noch, dass der Streit zwischen Baldoni und Lively genauso eine PR-Masche ist, wie der Zickenkrieg zwischen Christina Aguilera und Britney Spears. Aber inzwischen hat der Ruf der beteiligten Schauspieler so viel Schaden genommen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ihre Manager sich auf so etwas wirklich freiwillig eingelassen haben sollen. Blake Lively, die einst eine feministische Ikone Hollywoods war – und dieses Image auch sehr eifrig gepflegt hat – die mit Barack Obama privat diniert und Werbung für Hillary Clinton gemacht hat, wird jetzt als Sexistin, Rassistin, transfeindlich und was weiß ich alles gecancelt. 

Es gab mal eine Zeit, in der Hollywood Hollywood war und Washington DC Washington DC. Eine Zeit, in der der Monica Lewinsky Skandal und der Rosenkrieg zwischen Justin Timberlake und Britney Spears in zwei komplett unterschiedlichen Spähren stattgefunden haben. Doch dann kam man in Hollywood auf den Trichter, dass man mit politischen Botschaften Prestige und Einfluss generieren und sich mit sehr oberflächlichen Aussagen sehr erhaben und gebildet fühlen kann. 

Heute muss jedes Lied, jeder Film, jeder Instagram Post eine politische Message haben. Heute heißt es, Taylor Swift könnte die Wahlen entscheiden. Wahlberechtigte erwachsene Menschen richten ihre politische Einstellung nach ihren Lieblingsstars aus – eine Macht, mit der diese nicht sonderlich sorgfältig umgehen. Aber: Den Zauber werden sie jetzt – wo er sich gegen sie richtet – nicht mehr los.

Blake Lively ist nicht der einzige große Name in Hollywood, deren politische Korrektheit sich gerade gegen sie wendet. Taylor Swift zum Beispiel macht gerade einen Shitstorm durch, weil Donald Trump KI erstellte Wahlwerbung mit ihr für sich gemacht hat und sie ihn dafür noch nicht verklagt hat. Ja, Sie haben richtig gehört: Sie hat an dieser Kampagne nicht mitgearbeitet, sie hat absolut nichts damit zu tun und ist offene Demokratin – aber weil sie Trump für seine Werbung noch nicht verklagt hat, wird sie aktuell als heimliche Republikanerin verleumdet. 

„Willst du etwa sagen, dass ich fett bin?“ 

Ich liebe dieses ganze Drama, weil es eins ziemlich deutlich macht: Das ganze Woke-Theater ist im Begriff in sich zusammenzustürzen. Wenn man auf Fragen zu oberflächlich antwortet, ist das falsch, aber wenn man sich gegen zu oberflächliche Fragen wehrt, ist das genauso falsch. Selbst wenn man alles richtig macht, kann man schon morgen einen „Krisen-Manager“ einstellen müssen, weil irgendwer ein Gerücht in die Welt gesetzt hat. Man kann für Taten gecancelt werden, aber auch für das Unterlassen. Selbst die größten Namen in der Entertainment-Industrie sind nicht mehr sicher.

Politische Korrektheit ist unberechenbar, weil es keiner wirklichen Agenda mehr folgt, sondern nur noch bei allem fragt: Wie könnten wir das so auslegen, dass es rechts ist? Es ist kein politisches Konzept mehr, es hat sich komplett verselbstständigt. Im Grunde folgt es der gleichen Logik, wie die Hinterfrage-Foltertaktik, mit der Frauen seit jeher ihre armen Männer quälen, die den Versuch wagen, ihnen Komplimente zu machen oder überhaupt nur mit ihnen zu kommunizieren. 

„Du siehst heute schön aus.“
„Heißt das, ich sehe sonst nicht schön aus?“ 

„Der Lippenstift steht dir gut.“
„Willst du etwa sagen, dass ich ohne hässlich bin?“ 

„Du siehst auch ohne Schminke wunderschön aus.“
„Heißt das, ich mache mir die ganze Mühe umsonst?“

„Wollen wir heute Abend Pizza bestellen?“
„Willst du etwa sagen, dass ich fett bin?“

„Möchtest du den Salat?“
„Willst du etwa sagen, dass ich fett bin?“ 

Wir haben bis vor kurzem in einer Zeit gelebt, in der es sehr lukrativ sein konnte, sich politisch zu äußern. Gerade leben wir in einer Zeit, in der jede Woche eine neue politisch unkorrekte Sau durchs Dorf getrieben wird. Wenn noch ein bisschen Marktwirtschaft in Hollywood steckt, werden wir bald in einer Zeit leben, die wieder komplett unpolitisch ist. Denn so langsam lohnt es sich nicht mehr, stramm demokratisch zu sein und sich für die Seeschildkröten einzusetzen. Im Gegenteil: Man manövriert sich damit in die Ziellinie. 

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