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Die Süddeutsche Zeitung und das Rentner-Räumkommando: Oma raus!

Der Wohnungsmarkt in deutschen Städten ist angespannt. Die Süddeutsche identifiziert einen neuen Schuldigen: Rentner, die in „zu großen“ Wohnungen leben. In einem Text irgendwo zwischen Planwirtschaft und stalinistischer Wohnungspolitik fordert der Autor: Schmeißt Oma endlich aus der Bude!

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Hamburg Grindelberg: Hier lebt Oma Roland seit Jahrzehnten. Aus Pommern vertrieben und ausgebombt, kam sie in den letzten Kriegsmonaten ins zerstörte Hamburg. Später ergatterte sie eine begehrte Neubauwohnung: Bad, Küche, drei Zimmer. Jackpot für die junge Familie. Hier verbrachte sie ihr ganzes Leben nach dem Krieg, hier zog sie ihre Kinder groß. Jetzt ist sie 98, lebt alleine, und ihre Kinder werden längst selbst zu Senioren. Ihre Wohnung bewohnt und liebt sie noch immer.

Und damit ist meine Oma wohl sowas wie ein egoistisches, asoziales Subjekt. Zumindest, wenn es nach der Süddeutschen Zeitung geht. In einem Essay widmet sich das Blatt dem Wohnungsmangel in deutschen Städten und macht einen neuen Schuldigen für ihn aus: Senioren. „Keine andere Gruppe in Deutschland lebt statistisch gesehen auf so vielen Quadratmetern pro Person wie Menschen jenseits der 65 Jahre“, schreibt das Blatt.

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„Das liegt daran, dass sie in Wohnungen wohnen bleiben, wenn der Partner stirbt oder sie sich im Alter trennen. Auch die Kinder sind dann schon aus dem Haus und zurückbleibt eine einzelne Person auf sehr vielen Quadratmetern“, erklärt ein Experte der Zeitung. In der Fachsprache bezeichnet man das als „Remanenzeffekt“.

Opa will wohnen bleiben? Damit schadet er der Gesellschaft!

Die Süddeutsche schreibt dazu: „Frei übersetzt könnte man aber auch sagen: Die wohnen da, weil sie eben schon immer da wohnen, auch wenn das Haus oder die Wohnung heute viel zu groß ist. Das ist aus gesamtgesellschaftlicher Sicht eine Katastrophe und wirft auch ethisch-moralische Fragen auf: Darf eine Bevölkerungsgruppe so leben, wie sie will, auch wenn sie damit einer anderen schadet? Und was darf der Staat tun, um dieses Ungleichverhältnis zu ändern?“

Ein ordentlicher Hauch von Planwirtschaft weht durch die Münchner Redaktionsräume der SZ. Wer entscheidet, was „zu groß“ ist? Was ist zum Beispiel mit dem Opa, der in seinem „zu großen“ Haus oder seiner „zu großen“ Wohnung regelmäßig seine Kinder und Enkel empfängt? Kriegt der dann eine Ausnahmegenehmigung zum weiter wohnen? Müssen meine Eltern bald aus ihrem Zuhause ausziehen oder zumindest das Dachgeschoss wegsprengen, weil ihr Sohn das Haus schon verlassen hat? Ist ja jetzt zu viel Platz, so ohne Kind. Das ist eine absurd-sozialistische Denkweise. Nur: Verdiente Rentner aus ihren Wohnungen zu werfen, so eine Forderung hätte sich nicht mal das ZK in Ostberlin getraut.

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Okay, folgen wir dem Gedanken trotzdem einmal: Was ist denn dann die „richtige“ Menge an Wohnraum für eine Person? Darf man als alleinstehender Mensch nur maximal zwei Zimmer mieten oder besitzen? Wie viel Quadratmeter darf eine Person denn maximal bewohnen? Und wer entscheidet das – die Süddeutsche Zeitung? Oder eine staatliche Wohnraum-Behörde, die dann Räumungsbefehle per Post verschickt? „Wir haben festgestellt, dass Ihre Wohnung zu groß ist. Sie haben zwei Wochen Zeit, Ihren Umzug zu organisieren.“

Schöne neue Welt: Oma wird per Räumkommando abtransportiert

Das ist völlig dystopisch – und löst im Ernst auch keine Probleme: Ja, wenn der alleinstehende Opa seine Vierzimmerwohnung aufgibt, könnte dort vielleicht eine Familie mit Kindern einziehen. An der generellen Knappheit am Wohnungsmarkt ändert das aber nichts. Doch das ist der SZ und ihrer Vision von der „radikal einfache[n] Lösung“ egal. Geht es nach ihr, schmeißen wir einfach die Generation aus ihren Wohnungen, die sich ihren und unseren Wohlstand über Jahrzehnte hart erarbeitet hat – und dafür mit mickrigen Renten belohnt wurde. Dann ist wieder Platz für eine queer-feministische Studenten-WG mehr.

Um dem längst entstandenen Eindruck noch etwas entgegenzuwirken, schiebt der Autor noch schnell ein: „Keiner hat Spaß daran, Eltern oder Großeltern aus ihren Häusern zu scheuchen.“ Und diskutiert im zweiten Teil des Artikels tatsächlich noch ein paar Vorschläge, die sinnig sind: Der Staat könnte zum Beispiel die Erbschaftssteuer reformieren, um den Verkauf des gemeinsamen Hauses oder der Wohnung für eine Witwe oder einen Witwer unkomplizierter zu machen. Vielleicht würden dann tatsächlich sogar freiwillig ein paar Leute diesen Schritt gehen.

Doch: „Helfen diese Anreize nicht, muss eine Gesellschaft aber auch die Möglichkeit haben, einen radikaleren Weg zu gehen. Denn Eigentum verpflichtet und Wohneigentum erst recht.“ Wenn die Steuerentlastung nichts bringt, kommt die SZ also bei Oma mit dem Räumkommando vorbei: „Solange es ein solches Missverhältnis von Wohnraum gibt, muss der Staat stärker eingreifen. Von allein zieht ja leider keiner um.“

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