Die Rückkehr von Victoria’s Secret zeigt, wie die Woke-Ideologie in den USA zunehmend in die Defensive gerät
Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

Männer wollen schöne Frauen und Frauen wollen Männern gefallen. Eine Wahrheit, die so alt ist wie die Menschheit und vielen Geschäftsmännern und schönen Frauen die Taschen gefüllt hat, darf heute nicht mehr wahr sein und bringt ursprünglich einmal bombensichere Geschäfte ins Wanken.
Victoria’s Secret ist bekannt für aufreizende Dessous, die schönsten Models der Welt, Engelsflügel und die jährliche Victoria’s Secret Fashion Show. Doch diese Show hat das Unternehmen vor fünf Jahren gecancelt, nachdem auch die Marke selbst als sexistisch und politisch inkorrekt gecancelt wurde.
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Politisch anzuecken, hatte der Marke bis dahin nichts ausgemacht. 2002 wurde die Victoria’s Secret Show von PETA-Aktivistinnen gestürmt. Gisele Bündchen lief einfach an ihnen vorbei, kurz darauf wurden sie von Sicherheitsmännern vom Laufsteg geschmissen. 2005 brüstete man sich sogar damit, dass das amerikanische Finanzministerium beklagte, die Fashion Show sei so eine massive Ablenkung, dass die amerikanische Wirtschaft während ihrer Übertragung Milliarden verlieren würde.
2018 erklärte aber der Marketingchef Ed Razek, der über 15 Jahre die Models für die Show aussuchte, in einem Interview mit der US-Zeitschrift Vogue, dass es bei Victoria’s Secret keine Transgender-Models geben werde, weil sie nicht in die Fantasiewelt passen, die die Marke verkauft. Er revidierte die Aussage kurze Zeit später. Als die Marke dann doch das erste Trans-Model für eine Kampagne einstellte, trat er kurz darauf zurück.
Der Skandal fiel in eine Zeit, in der die Marke – anders als bei den „Skandalen“ zuvor – wirtschaftlich abzusacken drohte, während andere Dessous-Konkurrenten, die auch Plus-Size-Models in ihren Kampagnen abbildeten, sie überholten. Das wurde bei Victoria’s Secret als Signal aufgefasst, aus der Zeit gefallen zu sein.
Mit der weiteren Emanzipation der Frauen und der Zunahme von Bewegungen wie #MeToo ging es nicht mehr darum, eine Männerfantasie zu verkaufen, wenn man will, dass Frauen weiterhin die Wäsche kaufen. Man müsse sich vielmehr stärker an das richten, was Frauen wollen. Die Marke versuchte es mit einer neuen Strategie: „Wir haben uns verändert. Wir wissen jetzt, dass wahre Schönheit von innen kommt.“
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Höhepunkt: Das Comeback der Fashion Show, das diese Woche Dienstag endlich stattfand. Die Show erreicht auf keiner Ebene die Superlative, die Victoria’s Secret in den letzten Jahrzehnten aufgestellt hat. Leichtigkeit, Konzept und Glitzer fehlten. Es gab die ersten zwei Trans-Models und mehrere Plus-Size-Models, die irgendwie wohl mit einem Aufgebot von Kate Moss, Carla Bruni, Eva Herzigova, Adriana Lima und Cher ausgeglichen werden sollten.
Aus der Show sprach vor allem Panik. Früher musste jedes Model, egal wie berühmt, jedes Jahr aufs Neue zum Casting kommen, die Show brüstete sich damit, nur die allerbesten Models zu nehmen. Heute hat man eher das Gefühl, die Marke hat alles Geld zusammengesammelt und es jedem berühmten Star hinterhergeworfen, mit dem man Zuschauer zurückholen kann.
Heidi Klum war übrigens nicht da. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie mit der Dessous-Marke Intimissimi für die etwas bizarr anmutenden Werbekampagnen mit ihrer Tochter einen Vertrag mit Wettbewerbsverbot abgeschlossen hat, als sie noch nicht daran geglaubt hat, dass Victoria’s Secret jemals wieder zurück sein und dann auch noch Ü50-Models auf dem Laufsteg erlauben würde. Denn sonst würde die Frau doch niemals nein zu einer Kamera sagen, in die sie ihr Gesicht halten kann.
Kate Moss hat gleich noch ihre Tochter Lila Moss mitgebracht, die als einziges Model in der Geschichte von Victoria’s Secret Flügel mit ihrem Namen darauf bekam, obwohl sie vorher noch nie für die Marke gelaufen ist und ihre Mutter zwar zweifellos eins der berühmtesten Models ihrer Zeit war, aber vorher auch noch nie für die Marke gearbeitet hat.
Man versteht nicht ganz, welche Zielgruppe die Marke sich versprochen hat. Die Ü50-Legenden streiten sich alle, wer den besten Schönheitschirurgen hat – ein Wettbewerb, den Cher seit vierzig Jahren gewinnt – und wer Carla Bruni ist, kann sich jeder unter Dreißig von seiner Mama erklären lassen.
Die alte Show am Woke-Zensor vorbeigeschmuggelt
Und doch ist das Comeback dieser Show nicht woke gewesen. Sie spiegelt einen Trend wider. Eine Gegenbewegung zur politischen Korrektheit, die sich in Amerika auch in der Tech-Branche bereits abzeichnet. Heute braucht man noch zwei Alibi-Transmodels, um die typischen Victoria’s Secret-Models am nächsten Shitstorm vorbeizuschmuggeln, die genauso dünn und leichtbekleidet sind wie eh und je. Lange wird das nicht so bleiben, denn BHs werden auf zumindest nahezu echten Brüsten immer besser aussehen.
Es ist kein Wunder, dass diese Rückkehr zum alten Image noch richtungslos ist. Wie soll es auch anders sein, wenn man gar nicht weiß, was man selbst verkauft? Die Show und das alte Image wurden im Zuge einer feministischen Bewegung gecancelt, um Frauenkörper nicht mehr ach so bösen „Männerfantasien“ zu unterwerfen.
Die tragische Ironie an der ganzen Sache ist doch eigentlich, dass Männer nie wirklich Victoria’s Secret Models haben wollten. Die Behauptung, Victoria’s Secret würde Männerfantasien verkörpern, war das Hauptverkaufsargument – gerichtet an Frauen. Doch so wirklich gestimmt hat das nie. Victoria’s Secret hat die Frauenfantasie verkauft, eine Männerfantasie zu werden.
Die Vorstellung von Frauen, was Männer wollen, hat sich dabei verselbstständigt und hat kaum noch etwas mit der Realität zu tun. Es ist lustig, dass Feministinnen dann aber ständig Männern vorwerfen, unrealistische Schönheitsstandards an Frauen zu stellen. Wenn es eins gibt, das man heterosexuellen Männern nicht vorwerfen kann, dann doch, dass sie nicht auf Kurven stehen würden (bei Victoria’s Secret gibt es seit jeher keine Kurven, nur magere Modelmaße).
Frauen leiden am meisten unter den Schönheitsstandards, die sie sich selbst und gegenseitig auferlegen. Die wenigen Männer, die auch an diesen Standards festhalten, haben eh noch nie eine nackte Frau berührt und sollten nicht der Maßstab sein. Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass es für Frauen kaum etwas Besseres geben würde, als tatsächlich nach dem zu streben, was Männer wirklich wollen. Weil Männer in der Masse einfach biologisch darauf gepolt sind, Frauen attraktiv zu finden, die gesund sind.
Nicht bis in die Unfruchtbarkeit ausgemergelt und auch nicht Diabetes Typ II übergewichtig – einfach normal und durchschnittlich. Insofern hat die Bewegung absolut gar nichts erreicht. Victoria’s Secret hat die schlimmsten Jahre ausgesessen und wird jetzt langsam das politische Klima austesten, um sich sein Geschäftsmodell langsam wieder zurückzuerobern. Und Männer und Frauen werden sich gegenseitig wohl nie vollständig entschlüsseln. Und so bleibt alles so wie immer, irgendwie ein beruhigender Gedanke.
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Der Reiz der Reizwäsche für Männer besteht darin, daß sie klarmacht, daß die Frau gewollt werden will. Es ist ein Beischlafversprechen, das dem Mann Selbstsicherheit verleiht und der Frau die Gewißheit, daß es zum Sex kommen wird, wenn sie nur will. Da Dessous üblicherweise verborgen bleiben, behält die Frau das Steuer in der Hand. So jedenfalls unter kultivierten Leuten.
Die Linken, Dicken und Woken kaufen keine Dessous. Und wenn ich meine Kampagnen und meine Ausrichtung an solchen Randgruppen ausrichte, dann muss ich mich nicht wundern das meine eigentliche Klientel und Zielgruppe nicht mehr kauft.
Beispiel: Gerade macht z.B. Tchibo diese Erfahrung. Deren Zielgruppe sind eigentlich Frauen im nicht mehr ganz so jungen Alter und Familien, mit denen sie Geld verdient haben. Ihre Werbung zeigte aber farbige Männer mit weißen jüngeren Frauen um dem woken Narrativ hinterher zu laufen. Damit haben sie eindeutig ihre Zielgruppe verfehlt und der Umsatz rauscht in den Keller da diese Werbung einen wohl eher geringen Kreis von Kunden anspricht.
Go woke, go broke
Verehrte Frau David, ein kluger Essay. Ein Genuß.
Wie kommt es, dass Sie für eine Frau so viel von Männern verstehen, Frau David? Kluge Sätze, beim Kaffee. Danke, dieser Artikel ist spannend und lustig.
„Nicht bis in die Unfruchtbarkeit ausgemergelt und auch nicht Diabetes Typ II übergewichtig – einfach normal und durchschnittlich.“
Genau so sieht es aus!
Auch die Frau sucht für die Fortpflanzung, normerweise, einen gesunden kräftigen Mann. (Mit kräftig meine ich Nicht die Anabolika verseuchten!)
Warum?
Das hat man, eigentlich, im Biologieunterricht gelernt oder kann es im Internet nachlesen.
Genial.
Gut geschrieben.
Ich habe sowieso dass Gefühl, dass die Frauen bei Apollo noch eher echte Weiber sind, die wissen worauf es ankommt.
Schön, dabei zu sein, wie sich das Blatt wieder wendet, zugunsten mehr Menschlichkeit.
Wenn es um Attraktivität geht, ist Ausstrahlung alles. Die war bei den – ich erspare mir langatmige Euphemismen – Freaks stets katastrophal, bei den Engeln himmlisch und ist auch bei vielen Frauen mit „normalem“ Körper toll. Und wenn ihnen Reizwäsche dabei hilft, sich gut zu fühlen, dann ist das doch eine tolle Sache!