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Der Kamala Harris-Wahlkampf von Robert Habeck

Süß und bitter, wach und benebelt - diese neue wöchentliche Kolumne von Elisa David ist ein Espresso Martini in Times New Roman. Denn wer will seinen Sonntag schon mit einem einfachen Espresso starten - oder schlechter Lektüre?

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Am Morgen des 7. November 2024 sind in Deutschland die Tageszeitungen gestorben. Am Zeitungskiosk, an den Zeitungsregalen der Supermärkte und den Zeitungsdrehständern in den Lottoläden: Ein Farbenmeer aus Orange, Gelb, Rot, Blau und Weiß – Donald Trump vor der Amerikaflagge. Viele von ihnen haben noch vor dem Ergebnis der US-Wahl Redaktionsschluss gehabt und konnten nicht einmal den Sieger der Wahl vermelden. Ihre Artikel waren allgemein und abstrakt, abstrakt genug, um auf jedes mögliche Ergebnis zutreffen zu können. Die Zeit soll in weiser Voraussicht drei Titelseiten vorbereitet haben – eine für den Trump-Sieg, eine für den Sieg von Harris und eine für den Fall, dass der Sieger am nächsten Morgen noch nicht feststeht. Doch das Ampel-Ende, das hatte keiner von ihnen vorhersehen können.

Als die Eilmeldungen im Minutentakt bimmelten, in den sozialen Medien schon längst der dritte Finanzministerkandidat gehandelt wurde und selbst die Online-Medien kaum hinterher kamen, war die gedruckte Presse noch auf dem Stand von vorgestern. Trotz des Charmes, den das Gefühl der rauen Seiten in der Hand, das markante Knittern der unhandlich großen Blätter und der Geruch von frischer Farbe haben mag – Tageszeitungen sind lange überholt. Selten war das so klar wie an diesem Morgen. Bei allem Hin und Her, wer denn nun das Ampel-Aus mehr vorbereitet haben soll – die SPD mit ihren vorbereiteten Reden, die Grünen mit ihren vorbereiteten Werbespots oder die FDP mit ihren Schlachtplan-Powerpoint-Präsentationen – niemand hatte eine Titelseite für das plötzliche Ende der Regierung vorbereitet. 

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Überall außer in der gedruckten Presse ist man aus offensichtlichem aktuellem Anlass schnell von der Berichterstattung und dem Diskurs um die Ergebnisse der US-Wahl weggewischt – vor allem letzteres. Die Wochenzeitungen wie Spiegel und Stern zogen noch mit ihren typischen Trump-Covern nach, wofür denn eine feinsäuberlich erarbeitete Titelstory samt verzogener oranger Fratze vorne drauf aufgeben, doch bis auf Empörung über die überzogene Panikmache kam auch hier nichts nach. Die intensive Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der US-Wahl blieb aus. Früher wäre das über Wochen mehrmals wöchentlich und teilweise sogar mehrmals täglich das Talkshow-Thema Nummer 1 gewesen, man hätte über jeden Aspekt und neuen Winkel durchgekaut, bis man es nicht mehr hören könnte. Diese Aufarbeitung fehlt und die Folgen davon merkt man in der Politik bis heute. 

Ein Wahlkampf folgt auf den nächsten. Und nicht wenige Teilnehmer des neuen scheinen von dem vorherigen sichtlich inspiriert. Da wäre Dieter Bohlen, der in Bild verkündete, er wäre gerne für Friedrich Merz, was Elon Musk für Donald Trump war und damit perfekt auf den Punkt brachte, dass niemand in Deutschland versteht, was Trump so beliebt gemacht hat – und dass Friedrich Merz alles, aber kein Donald Trump ist. Doch noch gravierender als die Inspiration von Trump aus den falschen Gründen ist die Nachmache der Wahlkampf-Strategie von Kamala Harris.

Ganz besonders die Grünen spielen da ganz vorne mit. Das fängt schon an mit den „Kanzler-Era“-Perlenarmbändchen, die Habeck in seinem Wahlkampfauftakt-Video einführte und die man sich auf dem Grünen-Parteitag sogar selbst nachbasteln konnte. 

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Eine klare Anlehnung an die Eras-Tour von Taylor Swift, für die ihre Fans solche Freundschaftsarmbänder basteln und auf den Konzerten untereinander tauschen. Vielleicht erinnern Sie sich noch: Von Forbes über den Spiegel bis zur Tagesschau war sich beinahe die gesamte westliche Presse einig, dass Taylor Swift die Wahl beeinflussen, ja sogar bestimmen könnte. Ihr wurde ein unglaublicher Einfluss zugesprochen, als hänge der Sieg über den Welthunger nur noch von ihr ab. Dann unterstützte sie Kamala Harris und was hat es ihr gebracht? Nach der Wahl gaben einige Demokraten sogar Taylor Swift die Schuld für ihre Niederlage. Ein bisschen haben sie damit wahrscheinlich sogar recht.

Bevor Harris in den letzten Wochen vor der Wahl sehr aggressiv das Narrativ forciert hatte, dass mit Donald Trump alle Frauen zu Zwangsgeburtsmaschinen verdammt werden würden, hatte sie noch alles daran gelegt, authentisch und cool zu sein. Sie präsentierte sich dauernd mit Stars, ließ ihre Werbespots von ihnen sprechen, sie sprang auf sämtliche Meme-Trends auf und die Statements der Demokraten waren in Jugendsprache formuliert. Sie war die gechillte Tante, mit der man auf der Thanksgiving-Familienfeier im Hinterhof heimlich einen Joint ziehen konnte, die für alles zu haben war – viel fresher als der verschrumpelte Trump. 

Die New York Times hat über den Wahlkampf eine Gruppe von 13 jungen unentschiedenen Wählern monatelang verfolgt, um zu beobachten, was ihre Wahl beeinflusst, und sie am Ende gefragt, warum sie sich für welchen Kandidaten entschieden haben. Der 26-Jährige Pierce aus New York erklärte kurz und knapp: „Ich hab Trump gewählt. Ich habe das entschieden, nachdem Kamala zu ‚Call Her Daddy‘ gegangen ist.“ Eine junge Frau aus Washington, D.C. wählte ebenfalls Trump und erklärte das damit, dass er für sie „irgendwie Normalität repräsentiert“. Kamala hat es mit ihrem Social Media Wahlkampf geschafft, noch abgehobener rüberzukommen als ihr Konkurrent, der in einem goldenen Wolkenkratzer haust. 

Und doch machen die Grünen gerade ihren Wahlkampf nach. Nicht nur die Armbändchen, auch das in die Häuser rennen, die seltsamen Memes, das Aufspringen auf jeden TikTok-Trend. Dass Trump gewonnen hat, hat man in Deutschland mitbekommen. Dass Harris verloren hat, noch nicht so ganz. Während sie Videostatements abgibt, in denen sie ihre Anhänger dazu aufruft, niemals aufzugeben und dabei so lallt und zerzaust aussieht, dass sie alle für betrunken halten. Biden wandelt derweil immer noch durch den Dschungel, nachdem seine letzte Amtshandlung das Anknabbern eines Babys zu Halloween war. Ein unrühmliches Ende für einen unrühmlichen Wahlkampf – der jetzt zum Verkaufsschlager wird.

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