Darum geht es in Trumps neuster Anklage in Georgia wirklich
Ab wann wird eine Politiker-Falschaussage zum Verbrechen? Und Wünsche zur Wahlmänner-Ernennung eine Straftat? Die Hintergründe über das, was eine demokratische Staatsanwältin Donald Trump in Georgia vorwirft.
Immer wieder Georgia: Der US-Südstaat steht wieder mitten im Zentrum der amerikanischen Politik. Er war als heiß umkämpfter Bundesstaat mitentscheidend für die letzte US-Präsidentschaftswahl und die letzten beiden Senatswahlen – und nun ist er Schauplatz von Anklage Nr. 4 gegen „Donald John Trump“.
Von den inzwischen vier Anklagen ist das neue Verfahren gegen Trump, nach der Manhattan-Anklage wegen Schweigegeld-Zahlungen, die zweite, die sich auf Bundesstaatsebene abspielt. Und die zweite, die sich um das Nachspiel der Wahl 2020 dreht – nach der Bundesanklage in Washington wegen Betrugs gegen die US-Regierung.
Eine lokale Anklage
Anders als etwa bei den Bundesanklagen, hat es Trump hier, wie auch in Manhattan, mit lokal gewählten Distriktstaatsanwälten zu tun. Die Anklage führt Fani Willis die Staatsanwältin, von Fulton County, dem Landkreis in dem die Hauptstadt des Bundesstaats, Atlanta, liegt. Die Region ist urban und demensprechend politisch eher links – Willis selbst ist eine Demokratin, die 2020 in das Amt gewählt wurde.
Ein weiterer Unterschied zu den Bundesanklagen ist, dass ein republikanischer Sieg bei der nächsten Präsidentschaftswahl nicht genug wäre, um Trumps Rechtsprobleme in Fulton County zu beenden: Sollte er oder einer seiner Parteifreunde, die nächste Wahl gewinnen, könnte er begnadigt werden – allerdings nur für Bundesvergehen. Die Anklage in Georgia beruht aber auf Staatsvergehen und bliebe deshalb bestehen.
Über das was sich bei den Georgia-Ermittlungen abspielte, die nun schon seit Frühjahr 2021 laufen, war lange wenig bekannt. Mal abgesehen von der unverholfenen jungen Geschworenen-Sprecherin der „Special Grand Jury“ (einem Geschworenengremium für die Ermittlungen), die in Interviews begeistert darüber berichtete, wie sie Trump vernahm.
„Ich wollte etwas vom ehemaligen Präsidenten hören, aber ehrlich gesagt wollte ich den ehemaligen Präsidenten irgendwie vorladen, weil ich alle vereidigen durfte, und deshalb dachte ich, es wäre wirklich cool, Präsident Trump 60 Sekunden lang dabei zu sehen, wie ich zuschaue auf ihn und zu sagen: ‚Schwören Sie feierlich …?‘ und ich durfte ihn vereidigen. Ich dachte einfach, das wäre ein großartiger Moment“, sagte sie etwa bei MSNBC.
Was wird Trump vorgeworfen?
Inzwischen ist die Ermittlung vorbei und eine „Grand Jury“ hat Anklage erhoben. Was wird ihm also vorgeworfen? Medial heißt es, er habe die Wahl „stehlen“ wollen, und stehe daher vor Gericht. Thema ist auch ein Telefonat Trumps, in dem er geschildert haben soll, man müsse nur noch gut zehntausend Stimmen für ihn „finden“ – und der vermeintliche Wahlbetrug fliege auf.
Konkret geht es also vor allem darum, was er zu anderen sagte und zu was er andere angeblich verleiten wollte. Der Großteil der 13 Anklagepunkte gegen ihn dreht sich um falsche Aussagen, die er gegenüber anderen, vor allem Beamten und Abgeordneten des Bundesstaates, getätigt haben soll. Alle ansässig in der Hauptstadt Atlanta und damit Fulton County – daher die Anklage dort. Zudem soll all das Teil einer kriminellen Verschwörung sein, die eben in Straftaten wie Fälschung und Falschaussage involviert sein soll.
In der Hinsicht ist die Anklage ähnlich wie die letzte Bundesanklage gegen Trump. Auch sie dreht sich viel um Trumps Aussagen über eine „gestohlene Wahl“ und vor allem um die Frage, ob man Politiker wie Trump wegen Betrugs anklagen kann, weil sie etwas falsches gesagt haben (Apollo News analysierte). Unterschied hier ist, dass Staatsrecht womöglich bei Trumps Wunsch, man solle seine Wahlmänner-Kandidaten zum Sieger erklären, eher greifen könnte, als das Bundesrecht, das eben, anders als das der einzelnen Staaten, eigentlich nicht in das Auswahlverfahren der Wahlmänner involviert ist.
Ein kurzer Blick in die Anklageschrift zeigt, dass sich neben vielen Aussagen Trumps gegenüber Abgeordneten und Wahlbeamten des Staates häufig auch – auf den ersten Blick – harmlose Dinge finden: So wird etwa seine öffentliche Fernsehansprache in der Wahlnacht, wo er sich zum Sieger erklärte, als er in Auszählungen vorne lag, als „offenkundige Handlung zur Förderung der Verschwörung“ aufgeführt.
Genauso Tweets von ihm, etwa als er eine Parlamentsanhörung über angebliche Wahlfälschung verlinkte und schrieb: „Anhörungen in Georgia jetzt auf @OANN. Toll!“. Auch das eine „offenkundige Handlung zur Förderung der Verschwörung“, laut der Staatsanwältin. Auch als er jemanden nach „bestimmten Informationen, einschließlich Kontaktinformationen des Mehrheitsführers des Senats von Georgia, Mike Dugan, und des Präsidenten Pro Tempore des Senats von Georgia, Butch Miller” fragte, um beide zu kontaktieren, sei dies eine „offenkundige Handlung zur Förderung der Verschwörung“ gewesen. Diese Punkt erscheinen recht dünn, sind aber natürlich nicht die einzigen Vorwürfe.
Viel wird sich am Ende, wie im Washingtoner Bundesfall zu Wahläußerungen Trumps, darum drehen, ob über den Wahlausgang zu lügen und das Bitten um Einsetzen von Trump-treuen Wahlleuten illegal ist – oder von der Redefreiheit gedeckt. Und ob es an sich eine Lüge ist, wenn Trump selbst fest von einer gestohlenen Wahl überzeugt ist.