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Boris Kotchoubey

„Beruht auf kontrafaktischen Annahmen“: Scharfe Kritik an WHO-Studie zu Millionen Geretteten durch Covid-Impfung

Eine im August 2024 veröffentlichte WHO-Studie behauptet, COVID-19-Impfungen hätten zwischen Dezember 2020 und März 2023 in 54 europäischen Ländern die Sterblichkeit um 59 Prozent reduziert und 1,6 Millionen Leben gerettet. Professor Boris Kotchoubey von der Universität Tübingen kritisiert die Methodik der Studie scharf.

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Anfang August 2024 erschien in der Fachzeitschrift Lancet Respiratory Medicine eine Studie von WHO-Mitarbeitern unter der Leitung von M. Meslé. Die Autoren präsentierten darin Ergebnisse zur Wirksamkeit der COVID-19-Impfungen im europäischen WHO-Gebiet. Laut ihrer Analyse haben die Impfstoffe im Zeitraum von Dezember 2020 bis März 2023 in den 54 untersuchten Ländern die COVID-19-Sterblichkeit um 59 Prozent reduziert. Dies entspräche etwa 1,6 Millionen geretteten Leben, wobei fast eine Million davon auf die Omikron-Phase entfallen sei. Diese Zahlen fanden schnell Eingang in die deutsche Medienlandschaft und wurden dort breit kommuniziert

Boris Kotchoubey, Professor an der Uni Tübingen am Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, zufolge gibt es an dieser Studie jedoch erhebliche Zweifel, wie er bei der Berliner Zeitung ausführt. Laut Kotchoubey offenbart die Studie zahlreiche methodische Fehler. So beschränkt sich die Untersuchung lediglich auf die Covid-19-spezifische Mortalität, jedoch nicht auf die Gesamtsterblichkeit, die mit der Impfung einhergeht. Mögliche indirekte Folgen der Impfkampagne auf andere Todesursachen, insbesondere Impfnebenwirkungen, werden Kotchoubey zufolge nicht berücksichtigt.

Die Erfassung und Bewertung der Covid-Sterblichkeit unterliege zudem erheblichen Herausforderungen und potenziellen Verzerrungen. Die Methoden zur Erfassung und Meldung von Covid-19-Todesfällen können von Land zu Land stark abweichen. So ist etwa die Definition eines Covid-19-Todesfalls nicht einheitlich festgelegt und kann je nach Land, Region oder sogar Gesundheitseinrichtung variieren. Auch medizinisches Personal hat oft einen beträchtlichen Ermessensspielraum bei der Festlegung der Todesursache, insbesondere bei Patienten mit Vorerkrankungen.

Eine umfassende und aussagekräftige Bewertung der Auswirkungen von Impfstoffen oder anderen medizinischen Interventionen erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, so Kotchoubey. Jede medizinische Maßnahme, einschließlich Impfungen, hätte potenzielle Vor- und Nachteile. Eine ausgewogene Analyse müsse deswegen sowohl die beabsichtigten positiven als auch mögliche negative Auswirkungen einbeziehen. Hierfür kommt für dem Professor für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie nur das Heranziehen der Gesamtsterblichkeit in Frage. Genau das werde in der Studie jedoch völlig vernachlässigt.

Die Studienautoren kommen schließlich zu dem Ergebnis, dass „die meisten Menschenleben“ bei Personen über 60 Jahren, „in der Omikron-Phase der Pandemie und nach der ersten Booster-Impfung gerettet“ wurden. Ältere sollten sich daher unbedingt boostern lassen. Die präsentierte Schlussfolgerung ergebe sich jedoch unmittelbar aus der grundlegenden Annahme, dass ein proportionales Verhältnis zwischen der Anzahl der geretteten Leben und der Zahl der Verstorbenen besteht.

Betrachte man diese Annahme im Kontext verschiedener epidemiologischer Faktoren, erscheint das Ergebnis weniger überraschend, so der Professor für Medizinische Psychologie. Zu diesen Faktoren zählen die mit dem Alter exponentiell ansteigende Sterberate, die außergewöhnlich hohen Infektionszahlen während der Omikron-Phase sowie die vergleichsweise längere Zeitspanne nach Verabreichung der ersten Auffrischungsimpfung. Diese Kombination von Umständen dürfte die beobachteten Zahlen erklären, ohne dass sie notwendigerweise auf eine außergewöhnliche Wirksamkeit der Impfungen hindeuten müssen, so Kotchoubey.

Weiter erklärt der Tübinger Professor: „Denn auch ohne Meslé und Co-Autoren haben wir wohl gewusst, dass eben mehr ältere als jüngere Menschen sterben und mehr davon in einem längeren als in einem kürzeren Zeitraum.“ Seine abschließende Kritik an der Studie, die gerade in deutschen Medien großflächig publiziert wurde, ist deswegen scharf: „Die Studie ist nicht die Stromkosten des E-Papiers wert, mit dem sie erschien. Sie bleibt im Reich der Modelle, die auf unbewiesenen oder sogar kontrafaktischen Annahmen beruhen; mit den Auswirkungen der Impfstoffe in der realen Welt hat sie nichts zu tun.“

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