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Dresdner Stadtrat

Angebliche Instrumentalisierung durch „Neue Rechte“: Erich Kästner-Lesung untersagt

Eine Lesung der Freien Wähler aus Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ wurde in Dresden untersagt. Weil die Teilnehmer um Uwe Steimle und Antje Hermenau öffentlich der sogenannten „Neuen Rechten“ zugeordnet wurden, entzog der Atrium-Verlag das Leserecht.

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Basch / Opdracht Anefo, CC0, via Wikimedia Commons. Eigene Collage

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Jeder Jugendliche und junger Erwachsener unserer Zeit ist mit Erich Kästner und seinen Erzählungen aufgewachsen. Ältere Generationen haben ihren Kindern überdies hinaus aus „Das doppelte Lottchen“ oder auch „Emil und die Detektive“ vorgelesen. Kultur pur, ein Teil deutscher Literaturgeschichte. Und dennoch wurde eine Lesung aus Kästners „Die Schule der Diktatoren“ letzte Woche in Dresden untersagt.

Die Stadtrats-Fraktion der Freien Wählern hatte unter dem Titel „Ein Abend zu Ehren von Erich Kästner“ zu einer Lesung eingeladen. FW-Politiker Thomas Blümel teilte dann im Vorfeld der für den 25. April geplanten Veranstaltung mit, die Lesung sei als „Instrumentalisierung der Neuen Rechten“ und „politische Veranstaltung“ von links kritisiert worden.

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Teil der Lesung sollten auch der Kabarettist Peter Flache und die Verlegerin Susanne Dagen sein, welche wiederum mit Götz Kubitschek kooperiert, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird. Des Weiteren sollte der Kabarettist Uwe Steimle sowie die Ex-Grünen-Politikerin Antje Hermenau eine Podiumsdiskussion leiten.

Diese Besetzung brachte der geplanten Veranstaltung viel Kritik entgegen, sodass zuerst der Atrium-Verlag als Rechteinhaber von „Die Schule der Diktatoren“ sowie wenig später die Sächsische Zeitung, in deren Redaktionsgebäude die Lesung stattfinden sollte, ihre Freigaben zurückzogen. Der Atrium-Verlag teilte den Freien Wählern mit, „Leserechte zu den Werken Erich Kästners grundsätzlich nicht an politische Parteien und Wählervereinigungen“ freizugeben.

Die Freien Wähler gaben daraufhin zu denken, dass beispielsweise SPD-Kreisverbände immer wieder Lesungen mit Kästners Werken veranstalteten. Um wenigstens die Podiumsdiskussion zu ermöglichen, wollte die FW-Fraktion die Veranstaltung dennoch in abgeschwächter Form durchbringen. Dagegen werte sich wiederum die Sächsische Zeitung, in dem sie erklärte, der vereinbarte Mietvertrag sei mit dem Wegfallen der Leserechte ebenfalls verwirkt.

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Erich Kästner, der 1899 in Dresden geboren wurde, sah sich selbst als heimatverbunden und wanderte auch während Deutschlands dunkelster Tage nicht aus. Statt zu emigrieren, sah er sich vielmehr als Zeitchronist im Dritten Reich. Aus dieser Position heraus wurde Kästner einer der bedeutendsten deutschen Kinderbuchautoren, seine Werke werden regelmäßig im Rahmen politischer Veranstaltungen gelesen.

Den Dresdner Freien Wählern wurde diese Möglichkeit trotz der geografischen Verbundenheit untersagt. Der Stadtrats-Fraktion wird jetzt vielmehr vorgeworfen, das 50. Todesjahr des Autors für neurechte Zwecke ausnutzen zu wollen. Kästner selbst würde mit alledem vermutlich nichts zu tun haben wollen.

Über „Die Schule der Diktatoren“ sagte Kästner kurz nach der Veröffentlichung 1956: „Dieses Buch ist ein Theaterstück und hat ein Anliegen. Der Plan ist 20 Jahre alt, das Anliegen älter und das Thema, leider, nicht veraltet. Es gibt komische Aktualitäten.“ In der Folge führt die Komödie die Manipulation der Wahrheit durch den Missbrauch von politischer Macht aus.

Das Werk sollte nicht nur Kritik an der Ideologie und Struktur des Dritten Reichs nehmen, sondern die Beeinflussung der Menschen im Generellen betrachten. Durch diese etwas einfache Darstellung lässt das Werk wenig Interpretationsspielraum, überzeugt dafür mit einem bis dato zeitlosen Inhalt.

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