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Entwurf

Abgeordneten-„Beeinflussung“ unter Strafe: Wie ein neues Gesetz Politikerkritik ins Visier nimmt

Der Bundesrat hat ein neues Gesetz beschlossen, das Politiker-„Beeinflussung“ unter Strafe stellen soll. Im Bundestag unterstützt die Ampel-Koalition den Entwurf. „Hass und Hetze“ seien eine Vorstufe der Gewalt und Nötigung, begründet die grüne Staatsministerin das Vorhaben.

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„Beweisschwierigkeiten [entheben] den demokratischen Rechtsstaat nicht von der Pflicht, […] Unrecht auf strafrechtlichem Weg zu ahnden“, sagte die sächsische Staatsministerin für Justiz, Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) jüngst im Bundesrat. Meier sprach zur Beschlussfassung eines neuen Gesetzes, welches das Strafrecht reformieren soll.

Das sieht eine Reform der Paragrafen 105 und 106 im Strafgesetzbuch vor und allen voran die Einführung eines neuen Paragrafen 106a. Insbesondere kommunale Abgeordnete sollen u. a. vor Stalking und Nötigung geschützt werden. Das soll geschehen, indem bestimmte Taten unter Strafe gestellt werden, wenn sie den betroffenen Politiker entweder dazu bewegen können, sein Amt nicht mehr durchzuführen oder gar sein Amt niederzulegen. So weit, so gut. Gewalt gegen kommunale Politiker ist schließlich ein wachsendes Problem.

Jedoch gibt es für alle vom Gesetz abgedeckten Taten eigentlich bereits Straftatbestände, diese würden aber „nicht gezielt auf die Problematik ausgerichtet sein“, so der Bundesrat. Mandatsträger sollen künftig deshalb gesondert vom Strafrecht geschützt werden. Anscheinend wird die Strafbarkeitsgrenze bei Vergehen in dem Zusammenhang herabgesetzt.

Staatsministerin Meier, die das Gesetz im Bundesrat einbrachte, sprach im Zuge dessen davon, dass das bisherige Strafrecht lediglich greife, sobald die „Schwelle von expliziten Drohungen“ überschritten werden würde. Dabei entstünden Bedrohungen und Gewalt als Folge von „Hass und Hetze“ und anderen Taten unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Verfahren nach Strafanzeigen in solchen Fällen würden, so Meier, nicht selten eingestellt. Mit dem Gesetzentwurf möchte die Staatsministerin dem entgegentreten.

Besonders brisant am Vorschlag ist vor allem der Absatz 1 Nummer 2 des vorgeschlagenen Paragrafen 106a. Demnach soll die Kontaktaufnahme (auch in digitaler Form) mit einem betroffenen Politiker oder seinem privaten Umfeld, unter Strafe gestellt werden, wenn dadurch die „Lebensgestaltung“ so beeinträchtigt wird, dass der betroffene Politiker seine „Befugnisse nicht oder in einer bestimmten Weise“ ausübt oder sein „Amt oder Mandat ganz oder teilweise“ aufgibt. Reicht dabei bald allein eine wütende E-Mail an einen Politiker etwa mit einer Rücktrittsforderung, um sich strafbar zu machen?

Strafe droht mitunter auch ohne, dass „Tatbestand vollständig“ erfüllt ist

Interessant ist weiter, dass die Strafbarkeitsgrenze bei den betreffenden Taten herabgesenkt wird, sollte der Politiker von einer großen Anzahl dieser betroffen sein. In dem Fall können Taten, „ohne […] notwendigerweise selbst den Tatbestand […] vollständig [zu] erfüllen“, unter das Gesetz fallen, wird in dem Gesetzesentwurf erläutert.

Nachdem der Gesetzentwurf im Mai im Bundesrat durch das Bundesland Sachsen eingebracht und im Juli im Bundesrat beschlossen wurde, muss der Vorschlag nun im Bundestag beraten werden. Eine Verabschiedung dort gilt als wahrscheinlich, denn gleichzeitig sicherte die Bundesregierung dem Vorhaben ihre Unterstützung zu. Zumindest bei der Änderung des Strafrechts geht die Regierung voll beim Vorschlag des Bundesrates mit.

Die vorgesehene Reform wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen. Aufgrund der eher undeutlichen Formulierung des Gesetzes wird sich erst dann zeigen, inwieweit dieses in Grundrechte eingreifen wird. Es lässt Richtern erheblichen Spielraum bei der Interpretation des Gesetzes. Klar ist eins: Einige bisher legale Äußerungen gegenüber Politikern werden dann künftig illegal sein.

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