Werbung:

Werbung:

Taleb Al-Abdulmohsen

Prozessauftakt: Attentäter von Magdeburg zeigt keine Reue

Rund ein Jahr nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, bei dem sechs Menschen starben und über 300 verletzt wurden, hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter Taleb al-Abdulmohsen begonnen. Der 51-Jährige zeigte keine Reue.

Taleb Al-Abdulmohsen muss sich vor dem Landgericht Magdeburg verantworten (IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Werbung

Taleb Al-Abdulmohsen, der Mann, der vor knapp einem Jahr den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt begangen hat, muss sich nun vor dem Landgericht Magdeburg verantworten. Am 20. Dezember 2024 forderte der Anschlag über 300 Verletzte; sechs Menschen, darunter ein Kind, kamen dabei ums Leben. Heute begann der Prozess gegen den 51-Jährigen.

In einer besonders gesicherten Glaskabine sitzt der Mann vor dem Landgericht und äußert sich. Doch was er von sich gibt, ist wirr. Anstatt über die Tat zu sprechen, richtet er seine Worte vor allem gegen die Polizei, gegen Frauen in Saudi-Arabien und gegen die Medien. Zwischendurch hebt er seinen Laptop in die Höhe, auf dessen Bildschirm „Sept. 2026“ zu lesen ist. „Da ist die nächste politische Wahl in Sachsen-Anhalt“, kommentiert der aus Saudi-Arabien stammende Mann. Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist für den 6. September 2026 angesetzt.

Während der Verhandlung bleibt der 51-Jährige kühl und ungerührt. „Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat“, räumt er zwischenzeitlich ein, bleibt ansonsten jedoch vage. Weder Entschuldigung noch Anzeichen von Reue sind zu erkennen. Mehrfach sieht sich der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg gezwungen, die langen und politisch gefärbten Ausführungen des Angeklagten zu unterbrechen.

Laut Anklage soll der Mann sechs Menschen getötet und in 338 weiteren Fällen versucht haben, sie zu ermorden. Oberstaatsanwalt Matthias Böttcher und Staatsanwalt Marco Reinl schildern beim Verlesen der Anklage minutiös den Weg des Fahrzeugs über den Weihnachtsmarkt. Taleb Al-Abdulmohsen traf zuerst Menschen, die an einer Ampel warteten, und steuerte dann mit seinem über zwei Tonnen schweren, 340 PS starken Wagen auf den Weihnachtsmarkt zu. Rund 350 Meter legte er dabei zurück, teilweise mit bis zu 48 Kilometern pro Stunde.

Aus einer „vermeintlich persönlichen Frustration“ heraus habe der Angeklagte das Ziel verfolgt, eine „möglichst große Menge von Personen“ zu treffen, erklärte Oberstaatsanwalt Böttcher. Dafür sei er in Schlangenlinien gefahren, um so viele Menschen wie möglich zu erfassen und damit die „von ihm gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen“. Er raste über den Weihnachtsmarkt, überfuhr Passanten oder verletzte sie, indem er Menschen und Gegenstände durch die Wucht des Aufpralls durch die Luft schleuderte – vieles davon lasse sich laut Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr exakt rekonstruieren.

Lesen Sie auch:

Immer wieder berichten Ermittler von gebrochenen Beinen und Hüften, schweren Trümmerfrakturen, Schädel-Hirn-Traumata und schmerzhaften Prellungen. Unter den Betroffenen befanden sich Frauen, Männer und Kinder. Eine schwangere Frau erlitt so schwere Verletzungen, dass ihre Fruchtblase platzte. Ihr Kind wurde am folgenden Tag geboren. Etwa 180 Betroffene und Hinterbliebene nehmen als Nebenkläger am Verfahren teil, unterstützt von rund 40 Anwälten. Um allen die Teilnahme zu ermöglichen, wurde ein provisorisches Gerichtsgebäude errichtet. Bundesopferbeauftragter Roland Weber erklärte vor Prozessbeginn, die meisten wirkten ruhig und gefasst.

Viele Opfer wollten der Verhandlung jedoch fernbleiben und ließen sich von ihren Anwälten vertreten. „Wenn man mit den Nebenklägern spricht, ist es so, dass die lieber den Prozess auf Abstand beobachten über uns als Anwälte“, sagte Anwältin Petra Küllmei, die über 100 Betroffene vertritt. Zahlreiche Opfer mieden den Gerichtssaal aus Angst oder wegen psychischer und körperlicher Belastungen.

Diejenigen, die anwesend waren, reagierten mit sichtbarer Fassungslosigkeit, einige wandten sich ab oder schüttelten den Kopf, als der Angeklagte sprach. Das Verfahren zählt zu den größten Strafprozessen in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zum Auftakt reisten zahlreiche Journalisten aus dem In- und Ausland nach Magdeburg. Im Zuschauerraum des provisorischen Gerichtsgebäudes blieben dennoch zunächst viele der rund 100 Plätze unbesetzt.

Der Angeklagte, ein früherer Arzt im Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter, wurde per Hubschrauber aus der Justizvollzugsanstalt Burg nach Magdeburg gebracht. Er steht seit mehreren Tagen unter der Aufsicht des Justizvollzugs von Sachsen-Anhalt, nachdem er zuvor mehrere Monate in Berlin in Untersuchungshaft saß. Weitere Angaben wollte ein Sprecher des Justizministeriums nicht machen. Nach Informationen der dpa wird Al-Abdulmohsen für die jeweiligen Verhandlungstage eingeflogen.

Al-Abdulmohsen wurde hinter einer schussicheren Scheibe platziert. Als ein Verteidiger dies scharf kritisierte, erklärte Richter Sternberg, diese Maßnahme diene dem Schutz des Angeklagten und solle mögliche Racheakte verhindern. Das Gerichtsgebäude ist von einem stacheldrahtbewehrten Zaun umgeben und zusätzlich durch mobile Poller gesichert. Eine Hundertschaft der Polizei sowie zahlreiche Justizbeamte aus Sachsen-Anhalt sorgten laut dpa für die Sicherheit beim Prozessauftakt.

Die Fortsetzung des Prozesses ist für Dienstag geplant; bis zum 12. März 2026 sind zunächst rund 50 Verhandlungstage angesetzt.

Werbung

Werbung