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Abschreckende Strafen drohen

40 Prozent in Aufsichtsräten: EU-Richtlinie zur Frauenquote in Führungspositionen in Kraft getreten

Die EU-Richtlinie zur Frauenquote in börsennotierten Unternehmen ist in Kraft getreten. Sie sieht u.a. 40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten vor. Auch im Hinblick auf Corona will die EU mit Vielfalt so „Erholung und Resilienz" fördern.

Ex-Familienministerin Anne Spiegel und Außenministerin Annalena Baerbock beim Statement zur Richtlinie im Februar 2022

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Die EU-Richtlinie 2022/2381 „zur Gewährleistung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften“ ist nun Ende Dezember in Kraft getreten. Das Parlament hatte die Richtlinie Mitte November 2022 angenommen und eine Frist für die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bis zum 28. Dezember 2024 gesetzt. Bis zum 30. Juli 2024 müssen die gesetzten Ziele durch die Unternehmen erreicht sein. 

Konkret bedeutet das, dass den betroffenen Unternehmen weniger als zwei Jahre Zeit bleibt, um die Frauenquote umzusetzen, die diese Richtlinie vorsieht. Große börsennotierte Unternehmen müssen entweder 40 Prozent ihrer nicht-geschäftsführenden Direktoren (Aufsichtsratsmitglieder) oder mindestens 33 Prozent unter allen Direktoren (Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern) weiblich besetzen. 

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Halten sich verpflichtete Unternehmen nicht an die Maßgaben, kann das schwere Folgen haben. Von Seiten des EU-Parlaments ist von „abschreckenden Strafen“ die Rede, als Beispiel werden Geldbußen genannt. „Wenn der von dem jeweiligen Unternehmen gewählte Vorstand gegen die Grundsätze der Richtlinie verstößt, könnte er von einem Gericht für nichtig erklärt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung von 2022. 

„Im Einklang mit dem Erfordernis, der verfügbare Talentpool — sowohl von Frauen als auch von Männern — in vollem Umfang auszuschöpfen, sind die Gleichstellung der Geschlechter und inklusive Leitungsstrategien nach der COVID-19-Krise wichtiger denn je. Forschungserkenntnissen zufolge gehören Inklusion und Vielfalt zu den Wegbereitern für Erholung und Resilienz“, heißt es in der Begründung der Richtlinie. 

Europa verfüge „über einen großen und ständig wachsenden Pool hoch qualifizierter Frauen, was sich daran zeigt, dass 60 Prozent der Hochschulabsolventen Frauen sind“, um welche Arten von Abschlüssen es sich hierbei handelt, wird dabei nicht differenziert. Weiter heißt es: „Es herrscht weitgehend Konsens darüber, dass Frauen in Leitungsorganen die Unternehmensführung positiv beeinflussen, weil die Teamleistung und die Qualität der Entscheidungen durch eine vielfältigere und kollektiv orientiertere Denkweise mit breiter gefassten Perspektiven verbessert werden.“

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Zahlreiche Studien hätten aufgezeigt, „dass Vielfalt zu einem vorausschauenderen Geschäftsmodell, zu ausgewogeneren Entscheidungen sowie zu besseren Fachkompetenzen in den Leitungsorganen führt, die den gesellschaftlichen Gegebenheiten und den Bedürfnissen der Verbraucher besser Rechnung tragen. Zudem fördert sie Innovation.“ Auch „die Geschäftsergebnisse und der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens“ würden zahlreichen Studien zufolge durch Vielfalt positiv beeinflusst. Benannt werden diese Studien dabei nicht. Wenn mehr Frauen in der Führungsetage so gewinnsteigernd für Unternehmen sind, fragt man sich, warum diese Unternehmen darauf noch nicht selbst gekommen sind. 

10 Jahre lang war über eine solche Richtlinie auf EU-Ebene bereits diskutiert worden. Die Europäische Kommission hatte ihren Vorschlag bereits 2012 vorgelegt, das Europäische Parlament nahm seine Verhandlungsposition bereits 2013 an. Doch unter anderem Deutschland hatte sich lange quergestellt. Unter der Ampel-Regierung änderte sich dieser Standpunkt jedoch. 

Die Bundesregierung beschloss im Februar 2022, der Richtlinie zuzustimmen, die von Frankreich bearbeitet worden war. Ex-Familienministerin Anne Spiegel und Außenministerin Annalena Baerbock gaben damals ein gemeinsames Statement zu dieser Entscheidung ab. Baerbock erklärte damals: „Es kann nicht sein, dass wir mitten in Europa immer noch mit der Lupe suchen müssen, um Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen zu finden.“

Ohne angemessene Repräsentation von Frauen in machtpolitischen Schlüsselbereichen sei die „Demokratie nicht vollständig.“ Sie bedauerte, dass Deutschland eine solche Richtlinie in der EU bislang blockiert hatte. „Ich bin davon überzeugt: Mit einer Personalpolitik, die die gesellschaftliche Realität widerspiegelt, treffen Unternehmen bessere Entscheidungen und sind erfolgreicher. Diversität zahlt sich aus.“ 

Ex-Familienministerin Spiegel sagte dazu: „Noch immer haben wir in der EU keine Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern. Dabei sehen wir deutlich: verbindliche Quoten wirken. In Ländern mit festgelegtem Frauenanteil sind mitunter doppelt so viele Frauen in Vorständen börsennotierter Unternehmen wie in Ländern ohne Quote. Die Richtlinie ist ein notwendiger Schritt für mehr Geschlechtergerechtigkeit.“ Sie fügte hinzu: „Deutschland und Frankreich werden gemeinsam zum Motor für die Europäische Gleichstellung.“

Zwar hat Deutschland die Einführung der Richtlinie ermöglicht, die Quote und die Mittel zu ihrer Erreichung hat es aber ausgesetzt, muss sie mithin nicht umsetzen. Denn die Richtlinie sieht eine Ausnahmeklausel vor: Länder, die selbst derartige Quoten und Maßnahmen bereits eingeführt haben, müssen diese Artikel der Richtlinie nicht übernehmen. Und in Deutschland ist das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) bereits seit 2015 in Kraft. 

Es schreibt für Unternehmen der Privatwirtschaft etwa ein Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen vor. Unternehmen, die sich das Ziel setzen, keine Frau in den Vorstand zu berufen, müssen das begründen. Unternehmen, die keine Zielgröße melden oder keine Begründung für die Zielgröße Null angeben, werden sanktioniert. 

Deutschland wird jedoch die nach der Richtlinie vorgesehene „Stelle für die Förderung einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter in börsennotierten Gesellschaften“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Abteilung 4, einführen. „Der entstehende Mehrbedarf an Personal- und Sachmitteln aus dieser Richtlinie für die Einrichtung einer Stelle wird vollständig und dauerhaft im Einzelplan 17 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gegenfinanziert“, heißt es dazu von der Bundesregierung. 

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