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750 Euro Strafe

„Wo kommst du wirklich her?“ – Berliner Polizei wegen Rassismus zu Geldbuße verurteilt 

Bei einer Verkehrskontrolle vor fast vier Jahren fragte ein Polizist einen jungen Mann mit afghanischen Migrationshintergrund: „Wo kommst du wirklich her?“. Das kostete die Berliner Polizei nach langwidrigem Prozess nun 750 Euro Entschädigungszahlungen.

Vor fast vier Jahren, im Sommer 2020, wurde Syed N. von der Polizei angehalten, nachdem er mit einem Handy in der Hand Fahrrad gefahren sein soll. Er soll sich bei der darauffolgende Kontrolle, gemeinsam mit zwei Zeugen, aggressiv verhalten haben, weigerte sich das Bußgeld von 50 Euro zu zahlen. Während der Identitätskontrolle fragte ein Polizist: „Wo kommst du her?“ Syed N. antwortete: „Bochum.“ „Wo kommst du wirklich her?“, fragte der Polizist dann. 

Diese Frage und eine unzureichende Entschuldigung dafür kostet die Berliner Polizei nun 750 Euro Entschädigung – denn: Sie ist rassistisch. Das urteilte das Amtsgericht Berlin-Mitte nach einem dreijährigen Prozess am vergangenen Montag. Es ist das erste Mal, dass die Polizei aufgrund des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) verurteilt wurde, obwohl dieses Gesetz seit seinem Erlass besonders für Beschwerden gegen die Polizei genutzt wird. 

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Der Student mit afghanischen Migrationshintergrund hatte sich zunächst mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Bußgeld wehren wollen. Diese wurde aufgrund des „aufbrausenden“ Verhaltens von Syed N. selbst abgelehnt. Er soll „wegen seiner Emotionalität“ die Situation falsch eingeschätzt haben. Die Polizisten bestreiten bis heute, dass die Frage rassistisch gemeint gewesen sei. 

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Nach Intervention durch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle der Justizverwaltung entschuldigte sich die Polizei aber in einem schriftlichen Schreiben. Der Bußgeldbescheid wurde bereits 2021 zurückgenommen. Eigentlich hatte Syed N. damit erreicht was er wollte – das würde man zumindest meinen. Die Polizei bot ihm sogar eine Entschädigungszahlung über 100 Euro an, die er aber als zu gering ablehnte. 

Er ging stattdessen noch weiter und reichte Ende 2021 Klage ein. Schon zu Beginn des Prozesses hatte die Richterin das Entschuldigungsschreiben der Polizei, in dem diese formuliert, sie würde es bedauern, dass Syed N. sich „diskriminiert gefühlt“ hat, als nicht ausreichend bemängelt. 

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Unterstützung hatte Syed N. durch das staatlich geförderte Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes Berlin (ADNB) erhalten. Nach eigenen Angaben setzt sich dieses besonders für Menschen in Berlin ein, die rassistische Diskriminierungserfahrungen machen: „People of Color bzw. Schwarze Menschen, Muslim* innen, Sint* ezze und Rom* nja, Jüdinnen_Juden, Menschen mit Migrationsgeschichte, Fluchterfahrung und/oder andere“. 

„Wo kommst du her“ ist nicht rassistisch!

Das Urteil macht stutzig. Auch wenn es im Einzelnen anders rüber gebracht werden kann – was ist an der Frage „Wo kommst du her“ bitte rassistisch? Zumal der Kläger doch tatsächlich Migrationshintergrund hatte. Warum soll man solche Fragen nicht stellen dürfen? Ist es etwa etwas schlechtes, einen Migrationshintergrund zu haben, etwas das weg ignoriert werden muss und nicht angesprochen werden darf, weil es so peinlich ist?

Wer die Frage als rassistisch betrachtet, wertet grundsätzlich erstmal selbst. Nun kann man argumentieren, dass es einen Streifenpolizisten in einem Verkehrsfall nichts angeht, woher jemand ursprünglich kommt, da es nicht relevant ist. Aber so pauschal kann man auch das nicht sagen, dafür müsste man den Grund für die Frage feststellen. In den Presseberichten zu dem Fall wurde die Perspektive des betroffenen Polizisten aber kaum wiedergegeben.

Man kann der Polizei schlecht vorwerfen, dass sie in ihren Fahndungen und Stellungnahmen keine Angaben mehr über die Herkunft beziehungsweise den Migrationshintergrund von Verdächtigen und Tätern machen, wenn sie danach nicht mal fragen dürfen. Wie auch immer es im Einzelfall konkret gemeint war. War die Bemerkung nun wirklich einen vierjährigen Gerichtsprozess wert? Zur Folge wird das nur haben, dass Polizisten mit Menschen mit erkennbarem Migrationshintergrund vorsichtiger – anders – umgehen werden. Sie also diskriminieren.

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