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Black-Power Magazin meint:

Wer Kaffee trinkt, ist ein Rassist

Kaffee wurde von Schwarzen für Schwarze gemacht und von Weißen Kolonialisten gestohlen - laut einem Black-Power Magazin sollten Weiße deshalb ab sofort auf den Genuss der afrikanischen Delikatesse verzichten. Andernfalls seien sie Rassisten und unterstützen die weiße kapitalistische Vorherrschaft.

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Liebe Leserinnen, liebe Leser, wenn Sie heute morgen aufgestanden und ihrer Morgenroutine nachgegangen sind, dann haben Sie sich wahrscheinlich eines Verbrechens schuldig gemacht. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen die Illusion eines harmlosen Frühstücks nehmen muss, aber Sie haben, ohne es zu ahnen, mit nur einem einzigen Schluck Kaffee offenbart, dass Sie ein fürchterlicher Rassist sind. 

So sieht es zumindest ein Autor des Blogs Afru – das Meinungsmagazin eines Startups, das Black-Power-Aktivismus und Modedesign in sich vereinen möchte. Neben Artikeln darüber, dass weiße Frauen grundsätzlich schlechte Köchinnen, fett, psychisch krank und nicht fähig seien, mit Männern umzugehen, wird man auf dem Blog – der total inklusiv und aufgeschlossen ist – darüber belehrt, dass Kaffeetrinken die weiße, kapitalistische Vorherrschaft unterstützt.

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Wie der Kaffee uns zu Kolonialisten machte

Wenn Sie nicht aus Äthiopien stammen, dann sollten Sie die „morgendliche Tasse weiße Vorherrschaft“ also besser aufgeben. Kaffee wurde laut Afru „von Schwarzen für Schwarze“ geschaffen – wir Weiße sollen ihn uns brutal angeeignet haben. Immerhin ist es „eine bekannte Tatsache“, dass wir ohne den Diebstahl „von kulinarischen Geheimnissen von farbigen Menschen und vor allem von Schwarzen“ nur „fades Essen wie einfaches Brot und Krümel“ zu uns nehmen könnten. 

Um unser langweiliges Essen aufzupeppen, so suggeriert es der Autor, haben wir Weißen – Europäer und Amerikaner – beschlossen, Afrika zu kolonialisieren. Nachdem wir den „ersten Schluck der schwarzen Delikatesse bekommen hatten“, versklavten wir „brutal farbige Menschen, um mit der Nachfrage Schritt zu halten“ und verwandelten „ein rituelles Getränk in ein weiteres Konsumprodukt in der kolonialen kapitalistischen Maschine“.

Müssten wir nicht auch arabische Kaffeehäuser verbieten?

Ob der erste sündhafte Schluck Kaffee auch der Grund für den arabischen Sklavenhandel, dem längsten, größten und vielleicht brutalsten in der Geschichte der Menschheit, war? Historiker vermuten, dass Kaffee bereits im 9. Jahrhundert von Sklavenhändlern in den Jemen, also auf die arabische Halbinsel, gebracht wurde. Das war ganze sechs Jahrhunderte bevor die gar nicht so weißen Portugiesen als erste europäische Kolonialmacht nach Afrika kamen und dort mit Sklaven handelten. Müsste man nun nicht auch den Arabern und Portugiesen den Kaffee verbieten? Und wie geht man eigentlich mit Nachfahren afrikanischer Sklavenjäger und -händler um? Laut Abdulazizi Lodhi, Professor für Suaheli und Afrikanische Linguistik, waren Stammesafrikaner, wenn es um den Export von Sklaven ging, keine Ausnahme, sondern Hauptakteure. 

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Ob Afrikaner laut Afru nun einen Ahnenbuch zum Kauf von Kaffee mitbringen müssten? Oder dürfen nun wirklich nur noch Äthiopier in den süßen Genuss einer Tasse Morgenkaffee kommen? Und wie erklärt man den armen Kaffeebauern in Afrika dann, dass sie alle ihre Jobs verlieren und ihre Kinder nicht mehr ernähren können, wenn die Kaffee-Nachfrage einbricht? Kaffeebohnen werden heutzutage in 32 afrikanischen Ländern angebaut – in vielen Fällen von Kleinstbauern. 

Aber mit solchen ketzerischen Aussagen und der frechen Hinterfragung der Kaffee-Kolonialismus-Theorie halte ich mich an dieser Stelle lieber zurück – immerhin bin ich weiß, sitze grade am Strand des einstigen europäischen Sklavenhandel-Vorreiters Portugal und genehmige mir eine „Tasse weiße Vorherrschaft“.

Weiße verzichten auf Kaffee, Schwarze auf Technik?

Sie sehen also schon, werter Leser, wir sind in Sünde vereint – bevor wir uns reuevoll zurückziehen und darüber nachdenken, warum wir Weißen „ungestraft“ die Früchte schwarzer „Arbeit und Kultur schlürfen“ dürfen, sollten Sie aber noch etwas wissen: Gehen Sie nicht mehr in Cafés. Die vielen Läden sind meist nicht nur von Weißen geführt und verkaufen widerrechtlich Kaffee an andere Weiße, sie sind auch ein Zeichen der Gentrifizierung – und laut Afru damit auch ein Zeichen der Verdrängung von Schwarzen, der „Blackspaces“ – und das gilt sogar für linke, anarchistische Cafés. Auch sie versuchen heute „farbige Menschen genauso auszubeuten wie die Kolonialisten des 19. Jahrhunderts“.

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Die einzige „angemessene antirassistische direkte Maßnahme“, die wir Weißen nun ergreifen können, ist laut Afru, den Kaffee ganz aufzugeben. Und denken Sie ja nicht, Sie könnten jetzt auf heiße Milch umsteigen – die ist nämlich auch rassistisch, weil sie die weiße Hautfarbe repräsentiert. Wir sollten einfach wieder zu „fadem Brot“ und Wasser zurückkehren. Ich frage mich nur, ob die Schwarzen nach der Theorie von Afru im Umkehrschluss auch auf weiße Kulturgüter, die Weiße für Weiße entwickelt haben, verzichten sollten – zum Beispiel auf das Auto, die Glühbirne, das Telefon und Röntgengeräte. 

Wahrscheinlich nicht, immerhin gelten solche Forderungen immer nur, wenn sie sich gegen Weiße richten. Von den bösen weißen amerikanischen und europäischen Kaffeetrinkern käme aber auch wohl kaum einer auf den Gedanken, etwas so Absurdes zu fordern – immerhin ist es nicht nur freihandel-, friedens- und fortschrittsfeindlich, sondern vor allem eines: ziemlich bescheuert. Und nebenbei auch rassistisch.

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