Justizreform
Was bei uns normal ist, erklären Tagesschau & Co. in Israel zum Demokratie-Ende
Israels Regierung plant eine Justizreform, die dem Obersten Gericht eine Stellung wie in nicht wenigen westlichen Ländern geben soll. Trotzdem verteufeln deutsche Medien das ganze als Ende der israelischen Demokratie.
In Deutschland werden Verfassungsrichter vom Parlament gewählt, ja sogar von Parteien nominiert. In Amerika selektiert der Präsident die Richter und das Parlament stimmt zu. Und in Israel sollen bei der Richterauswahl bald auch Volksvertreter mehr Sagen haben.
Und dafür präsentiert man das Land in den deutschen Medien so als stünde es vor dem Abgrund einer Diktatur. In der Tagesschau etwa schreibt man inzwischen etwa vom „Ende des liberalen und demokratischen Rechtsstaats” Israels.
Israel soll für etwas verteufelt werden was im Rest der Welt gängig ist
Die Dämonisierung Israels für etwas, was in vielen anderen, auch westlichen Staaten, Normalität ist, das war eigentlich lange Zeit die Definition von Israelfeindlichkeit. Klar, der israelischen Opposition, die die letzte Wahl verlor, gefallen die Vorhaben nicht und sie protestieren aufs Schärfste dagegen. Das ist ihr gutes Recht.
Aber die neue Stellung des Obersten Gerichts, die am Ende das Resultat der Pläne wäre, ist weder ein internationales Novum noch das vermeintlich Ausgefallenste, was der Rest der westlichen Welt kennt. Viele demokratische Länder haben gar kein Verfassungsgericht: Die Schweiz etwa hat keins, auch Großbritannien nicht. Und Israel, das wie Großbritannien keine Verfassung hat, würde lange nicht so weit gehen.
Das steckt wirklich hinter den Plänen zur Justizreform
Israels Oberster Gerichtshof dürfte nach den Plänen der Regierung grundsätzlich weiterhin Gesetze außer Kraft setzen. Bloß, dass nun die Richter eben von Volksvertretern ausgewählt werden. Dass in Israel ein Gericht überhaupt Gesetze aufheben kann, selbst nach den Reformen, kann man aus verfassungstheoretischer Sicht durchaus hochproblematisch sehen, schließlich gibt es ja gar keine Verfassung gegen die Gesetze verstoßen könnten.
Woran misst man dann also fragliche Fälle? Bei Regierungsentscheidungen etwa an deren „Angemessenheit“, ein extrem subjektiver Maßstab, auf den sich etwa das Gericht beruft, um Ministerernennungen zu blockieren. Zumindest bis das israelische Parlament am Montag dafür stimmte, diesen „Angemessenheits“-Test aufzuheben.
Abgesehen von der Richterernennung durch einen Wahlausschuss, der aus mehr Volksvertretern besteht, sehen die weiteren Pläne zur Justizreform vor, die Aufhebung von Gesetzen nicht mehr ganz so einfach oder subjektiv möglich zu machen. Konkret ist im Gespräch etwa eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Richter zur Aufhebung von Gesetzen zu verlangen. Ein Überstimmen von Gerichtsurteilen mit einer entsprechend großen Parlamentsmehrheit war ebenfalls im Gespräch, wurde jetzt aber wohl aufgegeben.
Auch das wäre aber nichts völlig Exotisches, wenn man bedenkt, dass etwa bis vor kurzem in Großbritannien das Oberhaus letztinstanzlich Urteile fallen konnte und mehrfach US-Gerichtsentscheidungen zu Verfassungsfragen durch Verfassungszusätze wieder aufgehoben wurden.
Israel ist genauso wenig eine Diktatur wie Deutschland
Jedenfalls sind die Reformpläne bei weitem nichts Einmaliges, im Gegenteil, in vielerlei Hinsicht eher ein Gleichziehen mit vielen Ländern der westlichen Welt, bei der Richterwahl etwa Deutschlands, bei anderem etwa ähnlicher angelsächsischen Ländern.
Eins ist das Vorhaben vor allem nicht: Faschistisch und undemokratisch. Denn statt das Parlament zu schwächen, wird es gestärkt. Natürlich kann man immer argumentieren, es brauche eine stärkere Kontrolle der Parlamentsmehrheit, aber es ist nun mal Kernmerkmal parlamentarischer Demokratien, dass Parlamentsmehrheit und Regierung oft auf einer Linie sind.
In Deutschland läuft es ähnlich. Und wenn man hier der Meinung ist, ein Gesetz sei verfassungswidrig, dann trifft man am Ende auf Verfassungsrichter, die mitunter vor kurzem selbst prominente Regierungspolitiker waren – soweit ist es in Israel bei weitem nicht. Sind wir deshalb eine Diktatur? Nein, und genauso wenig steht Israel davor eine zu werden.
Die scharfen Attacken auf Israels Regierung gerade von Seiten deutscher Linker, zeigen stattdessen wie gern und schnell man die Doppelmoral gegen Israel wieder aus der Kiste holt. Man scheint geradezu begeistert zu sein, dass man mit der Rückkehr von Benjamin Netanjahu in die Regierung wieder das Feindbild rechter Israelis einsetzen kann, so inflationär bestempelt man seine konservative Regierung inzwischen mit dem Label “rechtsextrem“ – besonders perfide, wenn man bedenkt, dass das im allgemeinen deutschen Diskurs oft synonym zu „Nazi“ steht. Und niemand könnte davon so entfernt sein, wie der einzige jüdische Staat der Welt.
Danke für diesen Artikel! So sieht für mich echter Journalismus aus. Traurig genug, das es in Deutschland so viele Menschen gibt, die Israel ihr Existenzrecht absprechen. Manchmal frage ich mich, was ohne Israel passieren soll.
Wollen wir 9 Millionen Israelis aufnehmen? Ich denke, da haben die keine Lust mehr drauf. Diese Gelegenheit haben wir spätestens 1933 endgültig verspielt.
Wir sollten uns mit unseren Vorurteilen mal ganz stark zurückhalten. Während die Israelis im Pyjama darum gekämpft haben, ein zu Hause zu behalten. Haben wir nichts Besseres zu tun gehabt, als zu sagen, dass wir das damals doch alles nicht gewusst haben. Wo sind die Nachbarn nur hingekommen damals? Ach so, wir haben es nicht gewusst? Die kamen nicht wieder und wir haben es alles nicht gewusst? Nein, das war nicht so. Alle haben es gewusst. Die Menschen sind alle verschwunden und jeder wusste es. Also, wäre es hier angebracht sich mal zurück zu halten, wenn Israelis ihre Demokratie weiter entwickeln. Welche Unverschämtheit des Deutschen sich so über den Israeli zu stellen. Kehren wir doch lieber vor der eigenen Tür und arbeiten daran die Demokratie in diesem Lande nicht weiter abzubauen, z.B. wie derzeit im Gesundheitssystem geplant!
Lieber Herr Thormann, vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel!
Interessant wäre auch einmal eine differenzierte Betrachtung des Verhältnisses zwischen orthodoxen und säkularen Juden, wobei es sich bei letzteren sicherlich nicht um so eine homogene Gruppe handelt, wie uns glauben gemacht wird…
Danke für diese saubere Recherche.
Leider ist diese Debatte um die Justizreform ein Thema dass das Volk Israel schon seit Jahrtausenden prägt und das schon zwei dreimal zur Spaltung des ganzen Staates beigetragen hat . Siehe im Alten Testament die Zeit nach Salomo oder 70 n.chr. Die Zerstreuung in die Diaspora.