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Klima-Maßnahmen

Umweltministerium verstrickt sich in Widersprüche: Betrugsverdacht bei CO2-Zertifikaten schon monatelang bekannt

Nachdem ein Milliardenschaden durch gefälschte Klimaschutzprojekte in China bekannt geworden ist, verstrickt sich das Umweltministerium in Widersprüche. Obwohl die Behörden bereits seit Monaten von dem Verdacht wussten, tat sich nichts – im Gegenteil: Man feiert sich für den Erfolg der CO2-Zertifikate.

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Nachdem die ZDF-Sendung „Frontal“ einen weitgreifenden Betrug mit CO₂-Zertifikaten, bezahlt von deutschen Autofahrern, aufgedeckt hat, prüft die Staatsanwaltschaft nun auch Ermittlungen. Wegen des Verdachts auf Betrug sei eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingegangen, berichtet die Welt. Dabei handelt es sich um eine Anzeige des Umweltbundesamtes gegen Unbekannt. Gleichzeitig offenbaren interne Papiere und eine Ausschusssitzung aber: Monatelang wusste das Amt sowie die dafür zuständige Aufsichtsbehörde, das Umweltministerium, um den möglichen Betrug – und taten nichts, rühmten sich gar noch für den Erfolg des Zertifikatehandels.

Bevor die Behörden sich näher mit dem Milliardenbetrug beschäftigten, hatte die ZDF-Sendung für Aufsehen gesorgt: Projektzahlungen in Milliardenhöhe waren vom Umweltministerium beziehungsweise dem unterstehenden Umweltbundesamt an chinesische Projekte abgesegnet worden – obwohl diese Projekte teilweise gar nicht existieren (Apollo News berichtete). In Deutschland müssen Mineralölkonzerne müssen ihre Emissionen beispielsweise mit CO₂-Zertifikaten ausgleichen – der Aufpreis fällt oft zulasten der Autofahrer, die dann beim Tanken mehr bezahlen müssen. Die Zertifikate kommen dann Projekten im Ausland zugute, bei denen Emissionen eingespart werden. „Upstream Emission Reductions“, kurz UER, nennt man diese CO₂-Sparprojekte.

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Und bei eben jenen Sparprojekten wurden vermutlich bis zu 4,5 Milliarden Euro in den Sand gesetzt – obwohl das Umweltbundesamt schon seit einigen Monaten von möglichen Betrugsmaschen weiß. Jetzt räumt das von der Grünen-Politikerin Steffi Lemke geführte Umweltministerium in einem Bericht des Ministeriums an den zuständigen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz des Bundestages das eigene Versagen ein, berichtet Welt.

Obwohl der Verdacht bekannt ist: Behörden halten die Füße still

Die Behörde muss eingestehen: „Das System hat sich als undurchsichtig und fehleranfällig erwiesen, u. a. weil es durch deutsche Behörden kaum kontrollierbar ist“. Trotzdem segnete das Umweltministerium den Zertifikatshandel für 75 Projekte ab, von denen jetzt 40 eine genaue Prüfung durchlaufen müssen. Vier Projekte habe das Umweltbundesamt bereits gestoppt, teilte der Amtspräsident, Dirk Messner, in einer Anhörung mit. Dieser Schritt erfolgte jedoch Monate nachdem das Umweltbundesamt erstmals den Verdacht gehegt hatte, die betroffenen Projekte könnten Betrugsmaschen seien. Bereits im August 2023 hatte das Amt Hinweise auf mögliche Betrugsfälle erhalten – zunächst aber nicht reagiert, wie aus dem Bericht des Umweltministeriums hervorgeht.

„Konkretisierungen der Vorwürfe gingen Ende Februar 2024 ein“, heißt es weiter – doch auch dann passierte erstmal nicht viel. In einer nicht-öffentlichen Ausschusssitzung sollte das Umweltministerium erklären, warum die Behörde beziehungsweise das untergestellte Umweltbundesamt nicht schon bis Februar notwendige Konsequenzen zog und wie genau diese „Konkretisierung der Vorwürfe“ aussah. Das Ministerium konnte diese Fragen nicht beantworten, berichten Teilnehmer der Sitzung laut Welt.

Nach der „Konkretisierung der Vorwürfe“ im Februar hatte das Umweltministerium allersings einen Gesetzesentwurf zu Abstimmung an alle Ministerien geschickt. Darin vorgesehen: Das Anrechnen der CO₂-Sparprojekte im Ausland solle vorzeitig beendet werden können. Erst im Mai – möglicherweise auch durch die aufkeimende Berichterstattung angefeuert – rückte der Referentenentwurf wieder in den Vordergrund. Zudem sah sich das Umweltbundesamt jetzt dazu gezwungen, eine Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen. Ein Dreivierteljahr, nachdem die Behörde erstmals von den möglichen Betrugsprojekten erfahren hatte

Widersprüchlicher Referentenentwurf: verdreht das Ministerium Tatsachen?

Das Bundeskabinett verabschiedete den Referentenentwurf im Mai, am 8. Juni trat die Änderung in Kraft, sodass die Projekte bis Ende 2024 auslaufen. Das Umweltministerium versucht diesen Vorstoß als bereits im Februar errungenen Erfolg darzustellen: Man habe nach der „Konkretisierung der Vorwürfe“ schnell gehandelt und „die entsprechende Verordnung ist bereits in Kraft getreten“, heißt im Bericht an den Ausschuss. Wirklich in Kraft getreten ist die Änderung aber nicht im Februar – sondern erst, nachdem die mediale Aufmerksamkeit das Thema in den Vordergrund gerückt hatte.

Zudem kommt noch erschwerend hinzu, dass die Kontrollprobleme mit möglichen Betrugsprojekten im ursprünglichen Änderungsentwurf aus Februar keine Erwähnung finden. Dass das Umweltministerium damit also direkt auf die „Konkretisierung der Vorwürfe“ reagierte, ist nicht hundertprozentig nachzuvollziehen – im Gegenteil. Im Entwurf werden die UER-Maßnahmen als Erfolg gefeiert. „Auch haben UER-Maßnahmen in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, CO₂-Emissionen bei Kraftstoffen zu mindern, da andere Optionen nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung standen“, deshalb seien die Projekte nicht mehr notwendig und könnten frühzeitig ausgesetzt werden, argumentiert das Ministerium.

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