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Selbst Rezo lacht

Peinliche Reichen-Doku: NDR-Format fällt auf TikTok-Blender rein

„Superreich“ nannte das NDR-Format STRG_F in seiner Reichen-Doku „Millionär“ Theo Stratmann - und fiel damit auf den Tiktok-Blender rein. In Sprachnachrichten offenbarten die Journalisten später, dass sie nicht recherchiert hatten. Ein Fiasko für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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Rezo, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Der Influencer Rezo ist neben seinen blauen Haaren auch für die „Zerstörung der CDU“ bekannt – STRG_F für teilweise absurde Dokumentationen im Namen der öffentlich-rechtlichen Sender. Das Journalistenkollektiv, das sich eher an junge Erwachsene und Teenager richtet, gehört dem ÖRR-Netzwerk „Funk“ an und obliegt der Aufsicht des NDR. Man sollte meinen, in solchen Kreisen herrsche eine gewisse Sorgfaltspflicht, doch Rezo sieht das anders: Er behauptet beweisen zu können, dass STRG_F mit Steuermitteln Falschaussagen ohne jede Grundlage über seine Person, aber auch in einer anderen Dokumentation über „Superreiche“ geäußert habe. Dafür präsentierte er einschlägige Sprachnachrichten von betroffenen Personen.

Die Reportage „Wie beeinflussen Superreiche das Klima“ schlug im Juli 2023 ein wie ein Feuerball. Im Mittelpunkt: der 18-jährige selbsternannte „Millionär“ Theo Stratmann und sein angeblich luxuriöser Alltag. Allerdings tauschten sich Stratmann und Rezo aus und schnell wurde klar: Die Darstellungen von STRG_F waren falsch – er ist kein Superreicher, nicht mal reich. Das merkte auch die Redaktion, begann erst jetzt mit einer tieferen Recherche und ruderte zurück, aber der Schaden war bereits angerichtet. Stratmann, der sich gerne als reich darstellt und die Nase auch mal etwas höher trägt, wurde wohl gezielt ausgewählt, um einen polarisierenden Protagonisten zu haben. Obwohl Stratmann dieser Darstellung aktiv widersprach, wurde er als „superreich“ bezeichnet und mit Privatjet im Titelbild gezeigt.

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Nach Veröffentlichung der Dokumentation und einer entbrannten Diskussion um die Authentizität der Person Stratmann, meldete sich die STRG_F-Redaktion bei ebendiesem, um nach Beweisen seines Wohlstands zu fragen, weil „das ein bisschen undurchsichtig war“. In der Öffentlichkeit verkündeten die Funk-Journalisten allerdings, man habe vor der Reportage Stratmanns Hintergrund überprüft. Dieser Widerspruch zeigt: STRG_F hat gar nicht richtig recherchiert. Der Redakteur meint lediglich: „Du hast mir Bilder aus deiner Snapchat-History gezeigt, von dem Privatjet.“ Deswegen hielt STRG_F den angeblichen Reichtum Stratmanns für echt. Die Funk-Redakteure haben wohl zu leichtsinnig gehandelt und in Stratmann’s Ausgesetztheit großes Potenzial für eine erfolgreiche Dokumentation über „Superreiche“ gesehen.

Stratmann selbst gibt zu, nicht alles richtig gemacht zu haben und seine „Kunstfigur“ möglicherweise nicht ausreichend gekennzeichnet zu haben. Zwar könne er ein gutes Leben führen, superreich sei er aber nicht. Als er das in Bezug auf die Dokumentation in sozialen Netzwerken klarstellen wollte, forderte STRG_F ihn auf, die Statements zu löschen, sonst würde man sämtliche Aufnahmen von Stratmann veröffentlichen, behauptete der 18-Jährige.

STRG_F berichtet auch über Rezo fehlerhaft

In einer Sendung, die Nahrungsergänzungsmittelhersteller kritisch beäugte und auch die von Rezo beworbene Firma „More Nutrition“ unters Messer nahm, kam der blau-haarige Influencer nicht gut weg. STRG_F behauptete letztlich, Rezo würde die Partnerschaft weiterführen – doch zu diesem Zeitpunkt war die Trennung der Zusammenarbeit schon bekannt. Die Szene wurde postum entfernt, dennoch behauptet der YouTuber, gezielt benachteiligt worden zu sein.

Warum STRG_F diese Falschaussage überhaupt ausstrahlte, konnte der NDR in einer Anfrage der FAZ nicht beantworten. Generell schien der Pressekontakt in den vergangenen Monaten holprig zu verlaufen. So behauptet Rezo, der NDR hätte nicht auf seine Anfragen bezüglich der Dokumentationen gemeldet. Der NDR wiederum gibt an, die betreffende Nachricht wäre im Spam-Ordner gelandet, man hätte sich aber telefonisch rückversichert, die Anfrage später zu beantworten. Wer hier welche Schuld trägt, ist also nicht ganz klar, aber eine Schlammschlacht ist es allemal.

Und das lässt sich auch auf der Videoplattform YouTube gut nachvollziehen: nach der Ausstrahlung der betreffenden Dokumentation verfasste Rezo ein Video, warf dem Funk-Kanal verschiedene Falschaussagen vor. Darauf wiederum antwortete STRG_F mit einem eigenen Video – ein stetes hin und her. Die STRG_F-Redakteurin Désirée Marie Fehringer behauptete schließlich, es habe keinen persönlichen Austausch „mit uns“ gegeben. Rezo entpuppte diese Aussage als falsch und offenbarte, es hätte bereits ein Gespräch zwischen ihm und der Redaktion gegeben. Fehringer wollten ihren Fauxpas aufpolieren, in dem sie meinte, mit „uns“ habe sie nur sich selbst gemeint. Außerdem hätte es nach Rezo’s zweitem Video ein Gesprächsangebot gegeben, das der Betroffene abgelehnt habe, so Fehringer. Rezo wiederum hätte nie ein Einzelgespräch, sondern einen generellen Austausch forciert, so der Influencer. Ein Angebot hätte er bereits angenommen, ein gemeinsames Treffen sei geplant.

Der NDR hält sich bedeckt – ÖRR sieht Format gefährdet

Warum die STRG_F-Redaktion die Aussagen so uminterpretiere, beantwortete der NDR auf FAZ-Anfrage nicht. Und es kommt noch dicker: Rezo behauptete, ein Gesprächsangebot hätte STRG_F abgelehnt, weil ein Austausch „bei allen“ Redaktionsmitgliedern „in den nächsten drei Wochen“ nicht möglich sei. Der NDR teilte diesbezüglich nur mit, die Redaktion sei mit Rezo zu einem Gespräch verabredet. Das hatte der Inluencer bereits selbst geschildert, ob die Absage der STRG_F-Journalisten auf wahrheitsgetreuen Aussagen beruhte, ob interne Arbeitsabläufe nun überarbeitet werden und ob es für STRG_F eine Bestandsgarantie im Jahr 2024 geben würde, ließ der NDR gegenüber der FAZ unbeantwortet.

Der Sender teilte lediglich mit, die Winterpause zur tiefgründigen Analyse zu nutzen. „Wenn wir Fehler oder Ungenauigkeiten identifizieren, werden wir auch analysieren, wie wir solche in Zukunft verhindern können.“ Denn immerhin setze man auch zukünftig alles daran, jungen Menschen hochwertigen Journalismus bieten zu können. Diese Maxime ist gefährdet – was viele Nutzer im Netz bereits seit Jahren anprangern, sieht jetzt auch der Leiter Content ARD für „funk“, Stefan Spiegel. „Wir haben jetzt ein riesengroßes Glaubwürdigkeitsproblem bei STRG_F“, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk.

Auch andere Funk-Formate wie Y-Kollektiv stehen aufgrund ihrer voreingenommenen und absurden Berichterstattungen regelmäßig in der Kritik. Obwohl sich die jungen Redaktionen um einen politischen Journalismus zur Anregung Jugendlicher bemühen sollen, finden sich regelmäßig skandalöse Reportagen, wie Superreichen und Klimawandel (STRG_F) sowie sämtlichen Sex-Fetischen mit anstößigen Inhalten und Alkoholsucht (Y-Kollektiv). STRG_F wurde dafür mit einem Grimme-Award ausgezeichnet.

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