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Ein maulender Olaf Scholz und der Freizeitpark Deutschland

Zum Tag der Arbeit wendet sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit einer Ansprache an die Deutschen. Es ärgere ihn, dass alle immer nur meckern, dass die Deutschen zu wenig arbeiten. Der Respekt-Kanzler als Symbol einer Anti-Leistungsgesellschaft.

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Olaf Scholz ist böse mit uns. Immer meckern nur alle. Diesmal über die Arbeitsmoral der Deutschen. Anlässlich des Ersten Mais erklärt er in einem Video seines Formats Kanzler kompakt, dass es doch eigentlich Grund zur Freude gäbe. „Noch nie haben Deutschlands Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so viele Stunden gearbeitet wie im vorigen Jahr“, sagt er und guckt mit streng zusammengezogenen Augenbrauen in die Kamera. Wie ein Vater, der versucht, sein Kind zu erziehen, jedoch nicht recht die Kraft für glaubhafte Strenge aufbringen kann. Deswegen ärgere es ihn, wenn manche „abschätzig vom ‚Freizeitpark Deutschland‘ reden“. 

Durch eine Google-Suche ließ sich leider nicht herausfinden, wer diese schiefe Metapher in die Welt gesetzt hat. Freizeitpark Deutschland – das würde ja bedeuten, dass in unserem Land alle vergnügt jauchzend einen drauf machen würden, die Straßen geflutet wären von ausgelassen herumtobenden jungen Leuten und Junggebliebenen. Ich sehe immer nur mürrische Passanten und überdrehte Touris. Aber zurück zu Scholz. Er möchte, dass wir, die Undankbaren und Ewig-Meckernden etwas verstehen: „Jede Arbeit muss sich lohnen“. Wer an diesem Punkt des Videos noch nicht weg gedämmert ist, kann sich in den folgenden Minuten einige Worte der Selbstbeweihräucherung darüber anhören, welch einen Fortschritt der Mindestlohn und andere Sozialpakete der Regierung gebracht hätten.

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Trotz allem Selbst-auf-die-Schulter-Klopfen verkündet Scholz schließlich betroffen: „Es sind immer noch zu viele, die hart arbeiten für zu wenig Geld.“ Und es sei eine Frage des Respekts, diese Arbeit mehr zu würdigen. Und das geht – Sie ahnen es – natürlich nur wieder mit mehr Sozialleistungen und vorgeschriebenen Lohnerhöhungen. Die Morgenlektüre einschlägiger Zeitschriften zeigt: Unser Bundeskanzler ist bei weitem nicht der einzige, der sich heute am Tag der Arbeit darüber ärgert, dass Wirtschaftsvertreter den Deutschen unterstellen, sie würden nicht genug arbeiten. 

Der Neoliberalismus solls gewesen sein

Ein Zeit-Autor befindet kurzerhand, dass die Frage falsch gestellt sei. „Wieso treten wir nach unten?“, fragt er zornig und führt ausgiebig aus, warum man lieber mal wieder die Reichen vorknöpfen sollte, statt sich über arbeitsunwillige Migranten und „Bürgergeldempfänger“ zu empören. „Ist es wirklich vorstellbar, dass es in nächster Zeit in deutschen Talkshows einmal darum gehen wird, wann genau wir die Vermögenden in unserer Gesellschaft verloren haben? Ob viele von ihnen – nicht alle! – überhaupt unsere Werte teilen?“, mault er. Klingt ganz nach dem berufscoolen Journalisten Thilo Jung, der Dienstagabend bei Maischberger darüber philosophierte, dass es ja die „neoliberale Ideologie der letzten Jahrzehnte“ gewesen sei, die Deutschland in die heutige schlechte Lage geführt habe.

Bei all diesen Wortbeiträgen kann ich nicht umhin, an die Gruppenarbeit in meiner Schulzeit zu denken. Dort gab es immer drei Typen: diejenigen, die die Arbeit erledigten, andere, die von Anfang an deutlich machten, dass sie nichts tun würden und jene, die nach fünf Minuten nutzlosem Brainstorming erklärten, dass man jetzt schon genug erarbeitet habe und das reichen müsse. Die letzten fand ich immer am nervigsten. Sie wollten für ihre vermeintliche Leistung anerkannt werden, auch wenn sie für das Ziel des Projekts unbrauchbar war. Und genau an sie erinnert mich das selbstgefällige Gejammer des Bundeskanzlers und der Journalisten. 

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Selbst die Tagesschau schreibt, dass immer mehr Menschen in Deutschland in Teilzeit-Anstellungen wechseln. Auch Männer würden sich immer mehr für Alternativen zur Vollzeit-Anstellung interessieren, heißt es dort. Die Lokführer-Gesellschaft GDL wollte bei ihren letzten Streiks eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchsetzen. Der Krankenstand der Arbeitnehmer in Deutschland ist auch im ersten Quartal 2024 auf dem Höhepunkt und weit über dem Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre.

All diese Entwicklungen passen nicht so ganz zu der Behauptung des Bundeskanzlers, dass aktuell so viel gearbeitet werde wie noch nie. Wahrscheinlicher erscheint es, dass durch den Bevölkerungszuwachs rein numerisch mehr Leute arbeiten, aber individuell immer öfter weniger als 40 Stunden gearbeitet wird.

Und das wollen wir auch jedem gönnen, der es sich leisten kann. Allein: Es hat etwas Wahnwitziges im Angesicht der offensichtlich katastrophalen wirtschaftlichen Lage Deutschlands darauf zu beharren, dass ja schon genug gearbeitet werde und das eben reichen müsse. Man übertrage diese Geisteshaltung nur einmal in die Nachkriegszeit. Die Menschen, die dort in zertrümmerten Städten versuchten, ihre zerrissenen Leben in eine neue Ordnung zu bringen, hätten nie darüber nachgedacht, ob sie heute schon genug gearbeitet haben. Es war schlichtweg notwendig – um zu überleben, das Land wieder aufzubauen, Kinder zu ernähren.

Heute geht es den Deutschen besser, vielleicht haben sie deshalb eine ganz offensichtliche Tatsache vergessen: Dass sich der Wert und Erfolg eines Produktes, Vorhabens oder Unternehmens nicht an dem Arbeitsaufwand misst, der betrieben werden musste, um es voranzutreiben. Sondern nur dadurch, ob das Ergebnis erfolgreich ist. Wenn Scholz also am Ersten Mai nichts weiter als „Respekt“ fordert und noch mehr Sozialleistungen verspricht, dann zeigt das eigentlich nur eins: Dass dieser zentrale Gedanke einer Leistungsgesellschaft in unserer Gesellschaft keinen Wert mehr hat. 

Das Erbe der Coronazeit

Schon seit Jahren zeigt die Bundesregierung, dass sie kein Interesse an einem wirtschaftlich starken Deutschland hat. Das begann in der Coronazeit, als man nur zur Aufrechterhaltung wahnwitziger Maßnahmen ein Unternehmen nach dem anderen sterben ließ. Man scherte sich nicht um die wirtschaftliche Katastrophe, die schon damals absehbar war, pumpte stattdessen Milliardensummen in Coronahilfen, die jedoch oft nur den Zeitraum verlängerten, der verging, bis ein Unternehmen Insolvenz anmelden musste. 

Vermutlich hatte die Coronazeit auch noch einen anderen Effekt: Durch die Lockdowns lernten viele Arbeitnehmer das Homeoffice kennen und fanden mit der Zeit gefallen daran, dass Arbeit auch in Jogginghose, mit der Katze auf dem Schoß möglich ist. Und plötzlich sollten sie wieder alle raus aus den Pyjamas, rein in den Nadelstreifenanzug, duschen, Haare frisieren. Während man zwei Jahre immer Internetstörungen vortäuschen könnte, wenn man keine Lust hatte, mit den Kollegen zu sprechen, saßen sie plötzlich wieder vor einem, der Chef sah, wie viel man arbeite, oder ob man eher nur mit gewichtiger Miene Zeit totschlug. 

Wie ein Unternehmen, das erfolgreich sein will, bräuchte Deutschland angesichts dieser allgemeinen Apathie jemanden, der auf den Tisch haut. Der klarmacht, dass eine Wirtschaft nicht durch Lobhudeln und Kopftätscheln wächst, sondern durch Leistungsbereitschaft. Scholz aber zeigt mit seiner Ansprache, dass er einmal mehr nicht die Verantwortung für dieses Land übernehmen möchte. Wir sollen lieber aufhören zu meckern, zufrieden sein, Respekt zollen. Und: ihn lieb haben und wieder wählen. Sonst wird er böse mit uns. 

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