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Leere Worte können wir uns nicht mehr leisten

Während anti-israelische Mobs durch Deutschlands Straßen ziehen, trennt man sich in vielen deutschen Medien und politischen Organisatoren nur zögerlich von antisemitischen Mustern. Ein Gastbeitrag des Vizepräsidenten der Jüdischen Studierendenunion.

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„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ dichtete Heinrich Heine aus dem französischen Exil, in das er vor Zensur und Antisemitismus geflohen war. Seine Zeilen sind aktueller denn je. Nachdem die islamistische Terrororganisation Hamas ein barbarisches Massaker an über 1400 Israelis verübt hat, erkennt man in Deutschland dieselben Muster, die wir schon seit Jahren beobachten. Der entscheidende Unterschied ist deren Qualität.

Während Israel sich gegen die Hamas im südlichen Gazastreifen, gegen die libanesisch-islamistische Hisbollah im Norden, gegen iranische Milizen in Syrien und gegen Terroristen aus der Westbank verteidigt, feiern Menschen auf deutschen Straßen den größten Massenmord an Juden seit der Shoa. Einige Personen des öffentlichen Lebens zeigen sogar Verständnis.

Der Journalist Malcolm Ohanwe versucht es poetisch: „Wenn die Zunge der Palästinenser systematisch abgeschnitten wird, wie sollen sie sich mit Worten wehren? Wenn das Wahlrecht der Palästinenser unterbunden wird, wie sollen sie sich mit Kreuzen wehren? Wenn ihre Bewegung eingeschränkt wird, wie sollen sie sich mit Demos wehren? Was erwarten Leute?“

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Die „Leute“ erwarten Faktentreue gepaart mit einem Verständnis für historischen Kontext und kein Verständnis für islamistische Terroristen. Da diese Hürde anscheinend zu hoch für Herrn Ohanwe ist, sahen sich ARTE und der Bayerische Rundfunk gezwungen, sich nach diesem Tweet von Herrn Ohanwe zu distanzieren. Mazel Tov, ARTE und BR!

Sein verschrobenes Weltbild hätte Ihnen aber schon früher auffallen müssen – die Notwendigkeit, seinen Antisemitismus zu verstecken, scheint es hierzulande nämlich wieder einmal nicht zu geben. Wie immer können sich Islamisten und ihre Sympathisanten auf die „Fehler“ (wie oft denn noch?) vieler deutscher Medien verlassen.

Laut der Tagesschau sind Hamas-Terroristen nur „Kämpfer“. Für den Spiegel ist die zweite Front erst nach der Reaktion Israels auf Beschuss der Hisbollah eröffnet worden. Und die im Gazastreifen regierende Hamas — „das palästinensische Gesundheitsministerium“; ich bitte um Entschuldigung — ist für einige deutsche Medien eine Quelle, die man unkritisch zitieren kann.

Die Liste dieser „Fehler“ ist endlos. So auch die Liste angemeldeter pro-palästinensischer Demonstrationen ohne Abgrenzung vom Terror der Hamas, aber dafür mit einer guten Portion lupenreiner Judenfeindlichkeit.

„Free Palestine from German guilt“

Neben den nächtlichen Straßenschlachten in Neukölln wurde die deutsche Öffentlichkeit Zeuge vom Schuldkult-Gelaber aus dem linken Spektrum. Am Abend des 18. Oktobers entschlossen sich einige Demonstranten „Free Palestine from German guilt“ vor dem Auswärtigen Amt zu rufen.

Antisemiten hatten es noch nie mit Fakten. Israels Existenz basiert auf dem Selbstbestimmungsrecht der Juden in ihrer historischen und religiösen Heimat. Der Zionismus als politische Bewegung ist schon zu Zeiten des Deutschen Kaiserreichs ausgereift. Theodor Herzls Buch „Der Judenstaat“ erschien im Jahr 1896, lange vor der NS-Diktatur. Der Traum der jüdischen Selbstbestimmung im Heiligen Land ist so alt, wie das Judentum selbst. Den Fakt, dass die Antisemiten Adolf Hitler und Mohammed Amin al-Husseini, damals Großmufti von Jerusalem, paktierten, wird vollkommen ignoriert.

Bei „Free Palestine from German guilt“ trifft der deutsche Schlussstrich-Wunsch auf arabische Vernichtungswünsche. Es wird diesen „antifaschistischen“ Studenten nicht gefallen, doch sie vertreten dasselbe Schlussstrich-Gedankengut wie Höcke & Co.

Wenn Antisemitismus sich hinter politischer Korrektheit versteckt

Die Mehrheit der Deutschen muss sich bewusst werden: Achtung! Antisemiten können auch gendern. „Siedler:innen in Palästina sind schwerlich Zivilist:innen“, laut dem Berliner Verein Palestinespeaks. Die genannten „Siedler:innen in Palästina“ sind israelische Zivilisten in Israel. Eine gegenderte Verteidigung von Massenmord bleibt eine Verteidigung von Massenmord.

Im internationalen Vergleich des woken Antisemitismus schlägt Deutschland zum Glück schlechter ab, als andere westliche Staaten. So fallen Black Lives Matter (BLM) Gruppierungen in den USA durch Hamas-Unterstützung auf. Für die BLM-Gruppierung aus Los Angeles ist das Massaker ein „Akt der Selbstverteidigung“. Martin Luther King Jr., großer Freund Israels, dreht sich vermutlich im Grab um.

Doch Black Lives Matter ist keine Ausnahme. Greta Thunberg postete einen Beitrag des bereits oben genannten Vereins Palestinespeaks und solidarisierte sich mit „Palästina und Gaza“. Kein Wort zu den Massakern der Hamas und den toten israelischen Zivilisten. Der internationale Twitter Account von Fridays for Future (FFF) fiel mehrmals durch den Ausruf „Yallah Intifada“ auf, welcher zum Aufruf zum Massenmord an Juden verwendet wird.

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Werden wir bald Greta Thunberg in Gaza für „Klimagerechtigkeit“, für Frauenrechte und für LGBTQ-Rechte demonstrieren sehen? Wahrscheinlich nicht. Das macht die Hamas sicherlich nicht mit. Raketen nimmt sie jedoch gerne, auch wenn sie nach den Standards von Fridays for Future wahrscheinlich E-Raketen sein müssten.

Die deutsche Fridays For Future Gruppierung distanziert sich zwar von solchen Aussagen, doch Elisa Bas, FFF-Sprecherin, warf dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland vor „Pogrom-Stimmung“ gegen Palästinenser anzuheizen.

Es geht nicht um die Linke an sich, sondern um eine Bewegung innerhalb der politischen Linken, die voller Widersprüche ist. Sascha Lobo fasst es mit einer Frage zusammen: „Warum schweigst du immer noch zum antisemitischen Terror?“ Wer für Demokratie, Frauenrechte und Minderheitenrechte einsteht, kann nicht auf der Seite von Islamisten stehen, die genau das verachten.

Die Bundesrepublik Deutschland muss sich endlich bewusst werden, dass sie ein Problem mit Terrorverherrlichung hat. Islamismus macht bei Juden nicht halt. Ein Blick in den Iran reicht aus. Aber er wird auch diejenigen Linken treffen, die seit Jahrzehnten aus dem sicheren, demokratischen Westen treu an seiner Seite stehen. Der Islamismus attackiert jeden Demokraten.

Wer von „wehrhafter Demokratie“ und „Nie wieder“ spricht, muss jetzt handeln. Spätestens jetzt muss die zweite Zeitenwende folgen. Leere Worte können wir uns nicht mehr leisten.

Noam Petri (*2003) ist Medizinstudent in Berlin. Er ist Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und Mitglied der Jungen Liberalen. Er ist auch auf Twitter und Instagram zu finden.

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