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Kate und die bösen Verschwörungs-Theoretiker: Wie „die Royals“ die Würde der Krone verspielen

Photoshop und Material für die Klatsch-Sparten: Die britische Königsfamilie macht sich zur Instagram-Show. Das Ergebnis sind die wilden Spekulationen um Kate und ihr Verschwinden. Man braucht sich nicht zu wundern - und auch nicht auf die Leute schimpfen, die Fragen stellen.

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Wo ist Kate Middleton? Eine Frage, die monatelang das Internet beschäftigt hat, scheint nun gelöst. Kate gab vergangene Woche in einem Video-Statement bekannt, dass sie Krebs hat und sich im Frühstadium ihrer Chemotherapie befindet. Unter den Internet-Kate-Suchtrupps ging eine merkwürdige Stille um – bis die Bewegung sich in zwei Lager aufspaltete.

Das eine kroch zu Kreuze und entschuldigte sich für die Spekulationen. Der andere Teil legt nun erst recht los und sieht in dem Video eine KI-generierte Farce. Nachdem die Medien zuvor munter das plötzlich aufgekommene Interesse an der Königsfamilie mit Beiträgen gefüttert hatten, wendete sich das Blatt mit einer Videobotschaft der Princess of Wales schlagartig. Nun wird der Zeigefinger erhoben.

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Der Spiegel titelte: „Stars entschuldigen sich für Wochen der Häme“. Darin bezieht man sich etwa auf die Entschuldigung von Kim Kardashian, die sich über Kate „lustig gemacht“ haben soll, so der Spiegel.  Tatsächlich hatte sie einfach nur ein Foto von sich gepostet und dazu geschrieben: „Auf dem Weg nach Kate zu suchen.“ 

Die SZ titelte mit „Das Ego-Problem“, der Autor fordert darin Regeln gegen „Schmutz, Häme und Verschwörung im Netz“. Der Stern berichtete über die „Lästereien“, die Kate schlussendlich dazu gezwungen hätten, sich über ihre Krankheit zu äußern, obwohl sie das gar nicht wollte. Die US-amerikanische Zeitschrift The Altantic titelte in einem Meinungsartikel: „Ich hoffe, ihr fühlt euch jetzt alle furchtbar“.

https://twitter.com/KensingtonRoyal/status/1771235267837321694?s=20

Ich stehe in der ganzen Geschichte irgendwo in der Mitte. Ich habe den Wirbel um #KateGate auf Twitter verfolgt, nachdem der Algorithmus zufällig beschlossen hatte, dass mich das doch brennend interessieren muss. Am Anfang sah ich es als einfachen Running Gag an. Doch ich muss zugegeben: Irgendwann war ich schon der Meinung, dass da irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

Ich bin alles andere als ein Advokat für die Abschaffung der britischen Königsfamilie, habe aber auch kein großes Interesse an ihr. Ich glaube Kate die Krebsdiagnose schon, doch ich kann auch verstehen, dass die Menschen immer noch skeptisch sind. Vor allem bin ich aber der Meinung, dass die moralische Überheblichkeit, mit der die internationale Medienlandschaft der #KateGate Bubble entgegen kommt, nicht nur heillos übertrieben – sondern eine dreiste Verdrehung ist.

Die Behauptung, die Verschwörungen wären spöttisch oder gar hämisch gewesen, sind einfach nur falsch. Sicher wirken diese Scherze nun rückblickend geschmacklos, doch am Anfang waren die allermeisten der Meinung, sie würden Witze über einen skurrilen aber harmlosen Umstand machen. Dass man sie in der Annahme ließ, war eine Entscheidung des Königshauses. Niemand wollte Kate etwas Böses.

Aus dem Running Gag wurden erst wirklich ernsthafte Verschwörungstheorien und schlussendlich ein Skandal für das Königshaus, als dieses versuchte, die Spekulationen aus der Welt zu schaffen. Der offizielle Twitter-Account der Princess of Wales veröffentlichte ein Foto von Kate – glücklich und gesund – mit ihren drei Kindern. Das einzige Problem: Das Foto war nicht echt. Es wurde manipuliert, was eine „Verschwörungstheorie“ war, bis die Medien es bestätigten. Kurze Zeit später nahmen die großen britischen Nachrichtenagenturen die Geschichte zurück. AP gab eine „Kill Notification“ an alle seine Kunden raus.

https://twitter.com/JimFergusonUK/status/1767120659568582758?s=20

Es war nun offiziell: Das Königshaus ist keine verlässliche Quelle mehr. Der Kensington Palace veröffentlichte daraufhin eine Entschuldigung in Kates Namen. Sie schrieb darin, dass sie wie jede Amateur-Fotografin manchmal mit Photoshop experimentiere und dass sie für die Verwirrung um Entschuldigung bitte. Der Stern, der sich nun so über die Spekulationen um Kate erhebt, titelte damals: „Photoshop-Prinzessin wird zur Lachnummer“. 

Doch für die #KateGate Bubble war Kate keine Lachnummer. Sie war ernsthaft besorgt, denn alles an der Sache war unstimmig. Entweder ist Kate krank – warum muss man dann unbedingt ein Foto von ihr machen, auf dem sie glücklich und zufrieden ist? Oder ihr geht es gut – warum muss man das Foto dann so manipulieren? Was keiner auch nur eine Sekunde lang geglaubt hat, ist, dass Kate diese Entschuldigung geschrieben, geschweige denn das Foto bearbeitet oder gemacht haben soll. Jeder C-Promi hat für so etwas ein Social-Media-Team. Aber die zukünftige britische Königin sitzt mit Operationswunde am Bauch im Palast und bearbeitet ihre Fotos selbst? 

Die britischen Medien forderten daraufhin vom Palast, das unbearbeitete Originalfoto herauszugeben. Dieser weigerte sich. Noch mehr Fragen. Die einfachste Erklärung für die Manipulation des Fotos wäre gewesen: Es sind vier Menschen auf dem Foto, drei davon junge Kinder. Es ist schwer mit Kindern wirklich schöne Gruppenfotos zu machen, weil immer jemand blinzelt, deshalb haben wir die Bilder so zusammengefügt. Wenn es so gewesen wäre, hätte man die Original-Fotos aber problemlos herausgeben können. Wohl gemerkt: Besonders in Großbritannien war das Foto ein großer Skandal. Denn, dass die großen britischen Medienhäuser eine Geschichte über die Royals wegen Manipulation durch das Königshaus zurückziehen mussten, hat es vorher noch nie gegeben.

Es ging hier nicht mehr um Kate, es ging um Vertrauen. Dann wurde Kate plötzlich immer wieder vermeintlich gesichtet. Fotos von ihr gingen durch die Presse, doch sie waren immer stark verpixelt und unscharf. Man glaubte dem Palast gar nichts mehr, also war man auch hier skeptisch. Besonders, weil die Presse dabei immer wieder betonte, wie „glücklich, entspannt und gesund“ sie aussehe. Man bekam stark den Eindruck, dass man mit Macht von etwas überzeugt werden sollte, es war wie schlechte Propaganda.

Glücklich, entspannt und krebskrank

Nur wenige Tage bevor Kate blass und ungeschminkt auf einer Parkbank zu ihrem Volk über ihre Krebsdiagnose sprach, berichtete die Presse darüber, wie gesund Kate doch sei. Die #KateGate-Blase glaubte das nicht – und lag sie damit etwa nicht richtig? Wie eine Userin schrieb: „Wir haben gesagt, dass da etwas Furchtbares passiert ist. Wir waren besorgt. Und wir hatten Recht.“ Dass Kate aus unbekannten Gründen verschwunden war, stimmte. Dass sie nicht nur weg war, weil sie sich von der Bauchoperation erholen musste, stimmte. 

Alle Medien stellen sich bedingungslos auf die Seite des Palasts, haben die Lügen vergessen und blicken auf den Pöbel herab, der so geschmacklose Scherze gemacht hat. Doch gerade jetzt müssten die Medien Fragen stellen. Kates Krebsdiagnose mag bewiesen haben, dass Kate nicht verschwunden war, weil sie sich einer Schönheitsoperation unterzogen hat. Oder dass sie sich tatsächlich nicht von William scheiden lässt, weil der mit Rose Hanbury, der Marchioness of Cholmondeley fremdgegangen ist. Sie hat aber auch bewiesen, dass der Palast wiederholt gelogen hat. 

Kate hat das Foto nicht gemacht. Sie war auch nicht diejenige, die es manipulierte. Und sie erfreut sich auch nicht bester Gesundheit. Das PR-Team hat sein eigenes Versagen auf eine krebskranke Frau geschoben. Wenn es hier jemanden gibt, der von Anfang bis Ende auf der Seite von Kate stand, dann war das nicht die PR-Abteilung der Königsfamilie.

Man muss eigentlich fragen: Wie kann man so sehr versagen? Die britische Königsfamilie hatte in den letzten Jahren viele Skandale: die Affäre von Charles, der Tod von Diana, das Drama um Meghan und Harry, der Epstein-Skandal um Prince Andrew. Und dann bekommen die Verantwortlichen es hin, eine Geschichte, die so viel Empathie von Fans und Kritikern einbringen würde, so schlecht zu handhaben, dass auch das letzte bisschen Glaubwürdigkeit auf diesem Wege verspielt wird?

Wie viel Privatsphäre verdient das Königshaus?

Die britische Rechts- und Werteordnung unterscheidet sich im Bezug auf das Persönlichkeitsrecht elementar von der deutschen. In Deutschland stehen die Meinungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht auf einer Stufe. Was im Einzelfall überwiegt, muss individuell abgewogen werden. In Großbritannien wie auch in den USA steht die Meinungsfreiheit dagegen grundsätzlich erstmal über dem Persönlichkeitsrecht. Es ist in diesen Ländern sehr viel schwerer, gegen die Medien vorzugehen, was aus deutscher Sicht zu unvertretbaren Ergebnissen führen kann. Das Königshaus hat aber einen besonderen Schutz, unter anderem durch Abmachungen mit bestimmten Zeitungen. 

Solche Verträge, wie das Königshaus sie mit der Presse geschlossen hat, beruhen aber auf einem gegenseitigen Vertrauen – Vertrauen, das der Palast mit seinen manipulierten Fotos gebrochen hat. Das betrifft nicht nur die Medien, sondern auch die Öffentlichkeit, insbesondere das britische Volk. Ich bin nicht der Meinung, dass Kate die Krebsdiagnose im Einzelnen hätte teilen müssen, wenn sie das nicht wollte. In Deutschland wären medizinische Befunde jedenfalls Teil ihrer Intimsphäre und somit absolut tabu. Trotzdem hat die britische Öffentlichkeit ein Anrecht darauf, zu wissen, ob ihre zukünftige Königin nun halb tot oder auf dem Wege der Besserung ist, um das ganz drastisch zu formulieren. 

Das PR-Desaster um Kate ist nicht neu und auch nicht auf sie beschränkt. Es fußt auf einem ganz grundlegenden Problem der englischen Königsfamilie. Wofür braucht man eine Monarchie in einer parlamentarischen Demokratie überhaupt noch? Man muss nicht für die Abschaffung der Königsfamilie sein, um diese Frage zu stellen.

Elizabeth und Phillip haben ihre Aufgabe sehr erst genommen – und die bestand darin, dem Volk zu dienen. Das taten sie, indem sie ihre Pflicht taten. Sie behandelten diese als etwas, das größer ist, als sie selbst, behielten aber eine Würde bei, die ihnen Respekt verschaffte. Diese Würde hat das Königshaus schon seit dem Meghan-Skandal verloren. Eigentlich schon, als Charles Camilla heiratete. Als Edward VIII. eine geschiedene Frau heiraten wollte, musste er für sie noch seine Krone opfern. Charles dagegen kann alles haben – es interessiert doch eh niemanden mehr. 

Ein Leben für die Boulevardpresse 

Man kann nicht behaupten, dass die übrig gebliebenen Royals in der Thronfolge ihre Aufgaben nicht ernst nehmen, doch sie füllen sie einfach nicht mehr mit der gleichen Würde aus, wie Elizabeth es einst tat. Sie leben nicht mehr für das Volk als Ganzes. Sie leben für den Teil des Volkes, der gerne die Klatschpresse liest und seinem König auf Instagram folgt. 

Vielleicht ist das eine realistische Einschätzung der Zielgruppe, doch es ist eine Einschätzung, die das ganze System auf kurz oder lang zusammenbrechen lassen wird. Jeder Brite muss das Königshaus über seine Steuern finanzieren. Das tun sie bisher auch brav, weil das Königshaus ihnen etwas gibt – Nationalstolz. Auch wenn der König völlig entmachtet ist, ist das Königshaus ein fester Bestandteil des Staates. Doch dann müssen seine Bewohner sich auch so verhalten. Im Bezug auf den Kate-Skandal heißt das: Warum muss Kate eine Mutter spielen, die ihre Fotos wie jede andere britische Mutter amateurhaft selbst bearbeitet? 

Die offizielle Entschuldigung sollte wohl darauf abzielen, Kate nahbar und menschlich zu machen. Aber niemand will einen menschlichen König. Wenn die Royals so wie jeder andere sind, wenn sie gar nichts Erhabenes an sich haben – wofür braucht man sie dann noch? Dann ist das alles nur ein Zirkus mit riesigen Kronen.

Elizabeth musste ihre Kommunikation nie selbst machen, sie ließ ausrichten. Wenn sie Reden für die Öffentlichkeit hielt, waren die etwas ganz Besonderes. Ich denke immer noch, dass man der britischen Bevölkerung nicht absprechen kann, dass sie ein grundlegendes Recht hat, schlüssig zu erfahren, wie es ihren „Herrschern“ geht. Doch dieser ganze Skandal wäre nie so hochgekocht, wenn die PR-Berater des Königshauses sich nicht in den Kopf gesetzt hätten, aus dem britischen Königshaus eine Instagram-Show zu machen. Wenn die Royals das Leben von Social-Media-Familien leben wollen, können sie sich ja schon mal auf etwas gefasst machen – denn die filmen sich sogar noch auf dem OP-Tisch. 

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