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Justiz-Kollaps in NRW: Straftäter kommen einfach auf freien Fuß

Die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen leiden unter massiven Personalmangel- 120 Stellen sind unbesetzt, 226.000 Ermittlungsverfahren bislang unbeendet. Es drohen immer mehr Verfahrenseinstellungen und die Freilassung von Verdächtigen.

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Die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westphalen pfeifen aus dem letzten Loch. Mehrere hunderttausend Verfahren können nicht beendet werden, da die Behörden wegen Personalmangel kaum noch hinterher kommen. Und das könnte fatale Folgen haben: Bei zu langer Verfahrensdauer drohen die Verfahrenseinstellung und Entlassung von Straftätern in U-Haft.

Zum Stichtag Ende März waren in NRW insgesamt 226.000 Ermittlungsverfahren unbeendet – ein Anstieg von 34 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Das ist kein Wunder, immerhin sind bei den Staatsanwaltschaften aktuell 120 Stellen unbesetzt. Im Vergleich zu dem Zustand zu Beginn des Jahres, als noch 200 Stellen unbesetzt waren, ein geringer Fortschritt. Einige dieser Stellen können wegen Mutterschutz gar nicht neu besetzt werden, doch das alleine ist nicht das Problem. Die staatlichen Behörden wie die Staatsanwaltschaften, müssen um qualifizierte Juristen mit privaten Kanzleien konkurrieren, die wesentlich bessere Bezahlungen bieten können.

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Benjamin Limbach (Grüne), der Justizminister von NRW sagte gegenüber dpa: „Unsere Anforderungen haben wir schon vor ein paar Jahren etwas gesenkt. Die können wir nicht noch weiter absenken, denn die Qualität der Arbeit wollen wir nicht gefährden“.

Beschuldigte werden wegen überlanger Verfahren aus U-Haft entlassen

Dieser Personalmangel wird sich in Zukunft wahrscheinlich weiter verschärfen. So erklärte der Justizminister weiter: „Die zahlenmäßig starken Jahrgänge gehen in Pension, schwache Jahrgänge kommen nach.“ Mit den Pensionen sind weitere offene Stellen zu erwarten, die nicht gefüllt werden können. Dieses Problem ist nicht neu. Bereits 2017 schlug der Deutsche Richterbund, in dem auch die Staatsanwälte organisiert sind, Alarm wegen der hohen Arbeitsbelastung der Staatsanwälte in ganz Deutschland. „In den letzten drei bis vier Jahren hat sich die Lage der Staatsanwaltschaften überall im Land erheblich zugespitzt“, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds Sven Rebehn gegenüber der Welt am Sonntag damals.

Dieser Zustand ist nicht ungefährlich für den deutschen Rechtsstaat. Staatsanwälte des Deutschen Richterbundes schlagen schon länger Alarm, wegen der möglichen Folgen der Überlastung. So kann es vermehrt zu der Einstellung von Verfahren kommen. Außerdem kann es passieren, dass Beschuldigte wegen zu langer Verfahrensdauer aus der U-Haft entlassen werden müssen – also frei kommen. Solche Fälle sind bereits vermehrt vorgekommen: 2022 kamen mindestens 73 Beschuldigte in ganz Deutschland wegen überlanger Verfahren wieder frei. 2021 hatten die Justizverwaltungen der Länder noch 66 Fälle gemeldet, 2020 waren es „nur“ 40. Ein stetiges Problem, das sich nur weiter verschärft. Die Bemühungen der Politik reichen bislang aber nicht nicht annähernd an eine Lösung heran.

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