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„Jahn muss weg“: Berliner Turnvater-Denkmal soll gecancelt werden

Die Statue des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn soll aus der Berliner Hasenheide verschwinden- das fordert das Netzwerk „Neuköllner Frauen“. Er wäre sexistisch, rassistisch und Antisemit gewesen. Das ist Geschichtsrevisionismus:

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Die Statue vom „Vater des Turnens“ soll weg: Am Donnerstag, den 31. August, planen das sogenannte „Frauen-Netzwerk“ in Berlin-Neukölln und die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks, Sylvia Edler, eine Aktion gegen das Denkmal von Friedrich Ludwig Jahn, das sich seit 1872 in der Neuköllner Hasenheide befindet. Etwa 150 Jahre später, soll Jahn nun verschwinden, weil er angeblich ein „Antisemit, Nationalist, Antidemokrat, Militarist und Antifeminist“ war.

Unter dem Motto: „Schluss mit der Ehrung für einen Urheber ausgrenzender und menschenverachtender Ideologien“ fordern linke Aktivisten Jahns Abschaffung – und das leider mit Erfolgschancen: Ein Beschluss der Bezirksvertretung beinhaltet Pläne zur Neugestaltung des Denkmals, bei denen sogar die Möglichkeit der Entfernung in Betracht gezogen wird.

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Wer war Friedrich Ludwig Jahn?

Es sieht also nicht gut für die Ehren-Statue von Friedrich Ludwig Jahn aus, der 1778 in Prignitz geboren wurde und am 19. Juni 1811 den ersten Turnplatz Deutschlands in der Hasenheide eröffnete – und nach dem, zum Leidwesen linker Aktivisten, auch ein Stadion in Berlin Pankow benannt ist. Schon 2015 gab es darum eine große Umbennenungs-Debatte. Doch was ist wirklich dran an den Vorwürfen gegen Jahn?

Die „Frauen in Neukölln“ fassen in ihrem Aufruf zusammen: „Jahn war Militarist, Nationalist und Antidemokrat, Antisemit, Rassist und Antifeminist. Die Rolle von Frauen begrenzte er auf die „Schöpferin des häuslichen Glücks“. In seinen Turnverein wurden sie nicht aufgenommen. Noch heute berufen sich Nazis auf die Kampfsport-Ertüchtigung Jahns und seine völkische Deutschland verherrlichende Ideologie. Für rechte Gedankengut und seine Verherrlichung darf es keinen Platz in unserer Gesellschaft und im Stadtbild geben.“ Doch das ist nicht die ganze Wahrheit.

Friedrich Ludwig Jahn ist Schöpfer des Volkssports und ein Produkt seiner Zeit. Jahn lebte zur Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft (1794-1815), als Deutschland in Kleinstaaten aufgeteilt war. Er träumte von einem geeinten Deutschland mit der Hauptstadt „Teutonia“ in Thüringen und davon die Franzosen zu vertreiben – dafür gründete er 1810 in der Hasenheide den geheimen Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Er wollte junge Männer trainieren, um gegen Napoleon zu kämpfen.

Die Nazis und die DDR-Führung missbrauchten Jahns Andenken

Und es stimmt, dass Juden nicht in seinen 1811 begründeten Turnverein aufgenommen wurden, doch ein reiner Antisemit war Jahn laut Historikern nicht. Hans-Joachim Bartmuß und Josef Ulfkotte beschrieben Jahn in ihrem Buch „Nach dem Turnverbot: „Turnvater“ Jahn zwischen 1819 und 1852“ zum Beispiel als „verhältnismäßig tolerant“ und „nicht eindeutig antisemitisch“. Juden und das Judentum „seien Jahn fremd erschienen, nicht integrierbar in die deutsche Nation. Gleichwohl kann man ihn nicht als Vertreter des Antisemitismus im modernen Sinne bezeichnen, da dieser erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts relevant wurde und Jahn sich zumeist in den Diskursbahnen des religiös fundierten Antijudaismus bewegt habe“. Der religiöse Antijudaismus war im 19. Jahrhundert weit verbreitet und hatte die „Bekehrung“ der Juden zum Christentum als Ziel.

Jahn war Nationalist, war aber trotzdem kein Nationalsozialist – die Nazis haben das Andenken an seine Person, die einer völlig anderen Zeit entstammte, genauso missbraucht, wie es die DDR-Führung tat. Dort wurde er nämlich zu einem Vorzeige-Sozialisten stilisiert, weil Jahn sich für die Abschaffung von Standesprivilegien eingesetzt und eine hierarchielose Gemeinschaft angestrebt hatte, in der jeder die gleichen Bürgerrechte hat und sich jeder sportlich verwirklichen konnte.

Trotzdem lehnte Jahn die Teilnahme von Frauen in bestimmten Sportarten ab – ob er deshalb Sexist war? Zumindest nicht mehr, als alle anderen Kinder des 19. Jahrhunderts. Zu der Zeit, in der Jahn lebte, hatten Frauen in Deutschland nichtmal ein Wahlrecht.

Der Kampf gegen unsere Vergangenheit

Jahn war kein Vorzeige-Demokrat nach heutigen Standards, aber er ist Teil unserer Geschichte und hat in ihr viel bewirkt. Es ist ihm zu verdanken, dass Aktivitäten wie Wandern, Laufen, Schwimmen, Fechten und Turnübungen der breiten Bevölkerung zugänglich gemacht wurden. Aus dem von ihm in der Hasenheide – die damals noch vor den Toren der Stadt lag – begründeten Turnen ging die Weltsportart Geräteturnen hervor. Zahlreiche Turngeräte wie beispielsweise das Reck und der Barren wurden von ihm eingeführt. Er war es auch, der den Deutschen Turnerbund initiierte – weshalb er als Turnervater gilt.

Einen Menschen wie Jahn aus dem Kontext seiner Zeit zu reißen, ihn nach modernen (teils absurden) Standards zu bewerten und sein Denkmal zu entfernen, wäre nicht weniger als Geschichtsvergessenheit.

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