Russen in Thailand
„Ich kann online arbeiten, das ist mein Glück“
Fast zwei Jahre dauert der Krieg in der Ukraine nun schon an. Viele Russen verlassen das Land - Thailand ist als Ziel besonders beliebt. Zwischen Patriotismus, Verleugnung und Flucht. Ein Bericht.
Es ist Winter 2023 und meine Freundinnen und ich sind dem Berliner Wahnsinn für ein paar Wochen nach Thailand entflohen. Zwischen Kokosnüssen und Palmen wirken die Dinge, über die man sich in Berlin tagtäglich den Kopf zerbricht, plötzlich nichtig und klein. „Darüber denke ich nach, wenn ich wieder zurück in der Heimat bin“ ist das Credo dieser seelig-sonnigen Tage. Doch es gibt einen Konflikt, der sich hier am anderen Ende der Welt unausweichlich präsentiert. Ja, sich sogar mehr aufdrängt als in Berlin. Sieht man mal von einer Kindheitsreise in der Transibirischen Eisenbahn ab, bin ich das erste Mal in meinem Leben umgeben von Russen.
Diese Halbinsel am indischen Ozean scheint sich seit Putins Angriff auf die Ukraine zu einer Art Rückzugsort für Russen entwickelt zu haben. Als wäre man im russischen Mallorca gelandet, wird man am Strand, im Supermarkt und in Bars und Restaurants regelmäßig selbstverständlich auf Russisch angesprochen. „Sorry, I don‘t speak Russian“ beendet abendliche Gespräche oft, bevor sie angefangen haben. Der Satz löst regelmäßig verwunderte, aber auch herablassende oder bemitleidende Blicke bei russischen Urlaubern aus. Die meisten von ihnen gehen dann weg, wer nicht Russisch spricht, scheint für viele hier nicht von Interesse zu sein.
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Doch es gibt Ausnahmen. Ein breites Tier von einem Mann zum Beispiel, das es sich trotz sichtlicher Probleme mit der englischen Sprache nicht nehmen lassen will, meinen Freundinnen und mir zu erzählen, dass er stolzer Besitzer des ersten Lamborghinis in Moskau ist. „I‘m a criminal“, flüstert er uns schelmisch zu und beginnt meiner Freundin zu erläutern, was er mit Kollegen macht, die sich nicht an Absprachen halten. „Wenn ihr mal Probleme habt, gebt mir einfach Bescheid“, protzt er mit herausgestreckter Brust und wringt seine geballten Fäuste. Ob diese Masche bei Russinnen ankommt?
Seit Herbst 2022 in Thailand
An einem anderen Abend setzt sich ein weniger bedrohlicher Russe neben mich. Zwischen der lauten russischen Technomusik, die jene malerisch am Wasser gelegene Bar erfüllt, in der wir uns befinden, erzählt er mir, dass er nun schon seit Herbst 2022 hier lebt. Er könne online arbeiten, das sei sein großes Glück, berichtet er. Nur einmal musste er seitdem zurück nach Russland, weil sein Pass abgelaufen war, aber sobald er einen neuen hatte, ist er gleich wieder zurückgeflogen. Es gebe viele Russen hier, die es ähnlich gemacht haben, erzählt er. „Könnt ihr einfach so reisen? Ich dachte, viele werden eingezogen“, frage ich ihn.
„Aktuell läuft es gut an der Front“, sagt er trocken. Da brauche man nicht so viele neue Leute. Außerdem würden sich viele freiwillig melden, da der Lohn beim Militär um ein Vielfaches höher sei, als die durchschnittlichen Einnahmen eines Russen auf dem Land. Es habe aber auch schon Zeiten gegeben, da haben viele Männer auf Listen gestanden und wurden aufgesucht. Dann konnte man nicht so einfach ausreisen. Wie er selbst dem Militärdienst entkommen ist, verschweigt der circa 30-jährige Russe. Vielleicht hat er sich im richtigen Moment davon gemacht – und Thailand hat im Schutz vor den langen Armen des Kremls geboten.
„Wie lange glaubst du, hält der Krieg noch an?“, frage ich – interessiert und dennoch etwas auf der Hut. Auch nach etwa zehn Minuten Gespräch kann ich diesen Russen nicht einordnen, seine Mimik ist undurchdringbar. Das wisse er nicht. Aktuell laufe es gut, aber der Krieg schadet seinem Land wirtschaftlich stark. Das gehe nicht mehr lange gut. Und die Ukraine bekomme ja weiterhin viel finanzielle Unterstützung – vor allem auch von Deutschland. „Wieso hat Putin eigentlich die Ukraine angegriffen, was glaubst du?“. Er lacht und holt sein Handy aus der Tasche. Auf Google Maps zeigt er mir die Sewastopol Bucht auf der Krim. „Darum geht es“.
Die Bucht von Sewastopol
„Wer diese Bucht beherrscht, beherrscht das Schwarze Meer“, sagt der Russe, dessen Namen ich nicht weiß. „Die westlichen Länder haben sie in den letzten Jahren in ihre Gewalt gebracht, jetzt holen die Russen sie sich zurück.“ Dann spricht er plötzlich mit einer gewissen neuen Distanziertheit. „Der ganze Krieg dreht sich allein um geopolitische Interessen.“ Dem Westen gehe es ebenso nur um den Einfluss im Schwarzen Meer. Dass sein Land sich für die eigenen geopolitischen Interessen einsetze, finde er gut.
Ich kriege einen Frosch im Hals. „Russland hat die Ukraine angegriffen und zehntausende Ukrainer getötet. Das gab es seit fast hundert Jahren in Europa nicht mehr“, sage ich. Er schmunzelt. „Seit 75 Jahren“. Ich beginne mich zu ekeln. „Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob man sich auf politischer Ebene für Interessen einsetzt oder einen Krieg beginnt“, sage ich, doch meine Ablehnung scheint ihn nicht zu tangieren. Eher sieht er immer noch belustigt aus. „Man macht euch in Deutschland Angst“, sagt er. „Ihr habt Sorge, dass Putin nach der Ukraine euch oder ein anderes Nato-Land angreift.“
„Und du denkst, diese Angst ist unbegründet?“, frage ich. „Putin wird kein Nato-Land angreifen, dafür hat er überhaupt nicht genug militärische Mittel, ihr werdet indoktriniert“. „Aber Putin wirkt wie ein Wahnsinniger, ein Wahnsinniger kann auch irrationale Entscheidungen treffen.“ Er wirkt etwas verunsichert. „Er hat sehr große Angst davor, seine Macht zu verlieren – geisteskrank ist er nicht“, sagt er in monotoner Stimmlage. Sein Blick schweift in die Ferne. „Übermorgen fliege ich zurück“, sagt er nun. Ihm gefalle es hier nicht mehr. Er fragt mich, ob ich einen Freund habe, dann geht er.
„Russland hat die Ukraine angegriffen und zehntausende Ukrainer getötet. Das gab es seit fast hundert Jahren in Europa nicht mehr“.
– Von den Jugoslawien-Kriegen haben Sie nie gehört?
– Dass seit 2014 der Krieg zwischen Kiew und der Ostukraine nach UN-Angaben 14.000 Tote gefordert hat, ist nicht bekannt?
„Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob man sich auf politischer Ebene für Interessen einsetzt oder einen Krieg beginnt“.
Das hat aber nur für Russland zu gelten, nicht etwa für westliche Angriffskriege, um nur Serbien, Afghanistan, Irak und Libyen zu nennen. Schon gar nicht für Kiew, das im März 2014 sein Militär 800 km nach Osten geschickt hat, um die abtrünnigen Gebiete zurückzuholen, sowie im Januar 2015 erneut. Auch die Kiewer Militärdoktrin vom März 2021, die eine militärische Rückeroberung von Donbass und Krim zum Ziel erklärt und das Minsker Abkommen offiziell für beendet erklärt, hat damit nichts zu tun. Ich denke, Russland hat versucht, diesen Krieg zu vermeiden.
Ich dachte bislang,dass die Autoren hier bei Apollo News besser recherchieren als die Mainstream Presse. Aber anscheinend hat Larissa Fußer ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Der Konflikt in der Ukraine fing schon 2014 an ,als der Westen, eine gewählte Regierung weggeputscht hat. Die Ostukraine in der hauptsächlich die russische Bevölkerung lebt wurde permanent attackiert und beschossen. Über 14000 Menschen wurden seit 2014 durch rechtsradikale Ukrainer getötet,fast alles Zivilisten. Dieser Konflikt wäre längst vorbei ,wenn sich nicht andere Länder eingemischt hätten . Trotzdem werden Waffen ,Munition und europäische Steuergelder in ein Land geliefert, welches weder in der NATO, noch in der EU ist.
Und natürlich machen die Russen ihren Urlaub in den Ländern in welche sie einreisen dürfen. Im übrigen fahren in ganz Spanien Ukrainer mit ihren dicken Schlitten spazieren und kassieren in Deutschland Bürgergeld. Der Bericht ist doch ziemlich einseitig. Schade !
Daß Russland sehr viel intensivere Interessen in seiner eigenen Regjon, dem Schwarzen Meer hat als zB die USA, müsste auch schlichten westlichen Gemütern (- in Thailand und anderswo) einleuchten. Der Gewohnheit der USA, weltweit Militärbasen an den Grenzen ihrer Konkurrenten wie Russland und China zu setzen, sind letztere nicht gefolgt.
Was würden die USA machen, wenn Russland in Mexiko einen Putsch inszeniert hätte und Mexiko mit russischen Raketen bestücken würde?
Kiew und Odessa 2014 sind die Ausgangspunkte des Krieges, die westliche Aufrüstung der UA und deren Integration in das US-Stützpunktsystem war und ist das Ziel. Daß Russland diese Bedrohung abwenden will, kann ich verstehen, wenngleich ich den Angriff nicht billige.
Die VR China kann und wird nicht billigen, wenn die USA Taiwan mit Kurz- und Mittelstreckenraketen bestückt. Das wäre ebenso ein casus belli wie das US-Engagement in Kiew ab 2014.
„Angesichts der kalten Wintermonate in Russland, die von Dezember bis März dauern, haben die Russen vielleicht den Wunsch, ins Ausland zu reisen. Offensichtlich reicht die 30-tägige visafreie Zeit nicht aus. Wir möchten daher, dass russische Touristen länger in Thailand bleiben‘, so der (thailänd.) Premierminister (…) ‚Obwohl russische Staatsbürger in der Regel von der Visumspflicht befreit sind, wenn sie Thailand besuchen, haben wir dieses Mal die Aufenthaltsdauer von 30 auf 90 Tage erhöht‘, bestätigte der Minister für Tourismus und Sport, Sudawan Wangsupphakitkoson.“
Dass z.B. deutsche Staatsbürger nur 30 visafreie Tage in Thailand erhalten, sollte mal zum Nachdenken über die thailändische Prioritätensetzung anregen.
Dass der Artikel weniger auf die Situation und Reisegründe der holzschnittartig vorgestellten Russen Wert legt, enttäuscht.
Stattdessen wieder die hier glücklicherweise nicht übliche Schwarzweißmalerei des bösen und uneinsichtigen Russen.
Die Russen und ihr oft karikaturenhafter Materialismus sind mir wenig sympathisch. Letztlich aber wird alles überlagert von den Bildern der zerstörten Städte in der Ukraine und der Angst, dass der Westen dieses Land still und leise zum Teufel gehen lässt.