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„Generationenkapital“: Die Bundesregierung baut die Rente der Zukunft auf 200 Milliarden Euro neue Schulden

Die Bundesregierung will die Rente mit gigantischen Krediten stabilisieren, die dann in den Aktienmarkt investiert werden sollen. Wieder wird die Schuldenbremse umgangen - das Anlage-Konzept selbst wäre für Privatkunden hochgradig unseriös.

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Nichts Geringeres als die Stabilisierung des Rentensystems für die Zukunft hatte die Ampel versprochen. Dafür wollte man auf ein FDP-Konzept setzen: Die Aktienrente. Ein Staatsfonds sollte mit Geldern aus der Rentenkasse Profite am Aktienmarkt gewinnen. Eine Reform ist bitter notwendig, steht das Umlagesystem doch eher früher als später vor dem Kollaps. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Generationenprojekt, dass die Ampel dort angehen muss.

Das, was Finanzminister Lindner und Sozialminister Heil allerdings vorgelegt haben, wirkt eher wie das Gegenteil. Mit einem sogenannten „Generationenkapital“ will man die Rentenkasse stärken. Vom umstrittenen, aber zumindest finanziell relativ soliden Konzept der Aktienrente, wie es FDP und auch der Koalitionsvertrag versprochen hatten, bleibt nicht mehr viel übrig. Stattdessen schafft man einen Staatsfonds, den der Bund mit Krediten befüllt und dessen Erträge in Rund zehn Jahren an die Rentenversicherung fließen sollen. Diese Kredite sollen außerhalb der Schuldenbremse aufgenommen werden, womit die Bundesregierung erneut die grundgesetzliche Regelung umgeht.

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Einen weiteren Beitragsanstieg will die Regierung so verhindern. Aus Schulden soll bis 2036 ein Kapitalstock von 200 Milliarden Euro angehäuft werden. Dieser soll durch Investments in Aktien und Fonds jährliche Ausschüttungen von rund zehn Milliarden Euro an die Rentenversicherung ermöglichen. Das wären 2045 1,25 Prozent der dann erwarteten Rentenausgaben.

„Generationenkapital“ birgt doppeltes Risiko

Mit einer Aktienrente nach schwedischem oder schweizerischem Vorbild, wie es der FDP und ihren Anhängern vorschwebte, hat das „Generationenkapital“ aber nichts mehr zu tun. Das liegt vor allem an der reservierten Haltung der SPD, die gegen eine echte Aktienrente dezidiert und auch ein wenig populistisch Stimmung gemacht hat. Arbeitsminister Heil hatte schon im vergangenen Herbst in einem Interview versichert, dass die Regierung „keinen einzigen Cent aus Sozialversicherungsbeiträgen in Aktien anlegen“ werde – basierend auf einer weitgehend ominösen Angst vor dem Aktienmarkt.

Stattdessen wird das „Generationenkapital“, der schlechtere Klon der Aktienrente, jetzt mit Schulden finanziert. An den echten oder vermeintlichen Gefahren des Aktienmarktes ändert das freilich nichts – nur, dass man das Risiko jetzt mit Schuldengeld eingeht und damit erhöht, weil man Geld aufs Spiel setzt, das man gar nicht hat. Im Zweifel wäre also eine doppelte Belastung gegeben: Brechen die Kurse ein und verliert der Staat Geld, müsste er a) die Verluste für die Rentenkasse und b) die Rückzahlung der Kredite kompensieren. Ein doppeltes Loch. Dazu kommen noch die Zinskosten.

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Ironischerweise hat die SPD-Ablehnung einer echten Aktienrente, begründet mit ominösen Begriffen wie „Börsenzockerei“, überhaupt erst Zockerei im großen Stil erzwungen. Jetzt handelt der Staat am Markt nicht mit „echtem Geld“ aus den Rentenkassen, sondern wettet mit Schuldengeld im doppelten Risiko. Es gleicht dem Prinzip von sogenannten Hebelderivaten – einer Anlagemethode, von der Banken und Kreditinstitute ihren Privatkunden meist abraten, weil sie eben sehr risikoreich ist. Kaum ein Anlageberater würde einem kreditfinanzierten Aktienkauf dieser Art seinen Segen geben.

Angelegt werden soll das Kapital durch den KENFO, den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung. Dieser Staatsfonds legt bisher die Rückstellungen der AKW-Betreiber an, um mit den Erträgen die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu finanzieren. „Da der Fonds Erfahrungen mit dem Aufbau und der Verwaltung eines entsprechenden Vermögens gesammelt hat, greift die Bundesregierung auf dessen Expertise zurück“, schreibt das Handelsblatt. Wie weit es mit dieser Expertise her ist, sei mal dahingestellt: Der Fonds hatte 2022 einen Wertverlust von mehr als drei Milliarden Euro erlitten.

Die absurde Konstruktion des „Generationenkapitals“ stellt niemanden zufrieden – und löst auch kein Renten-Problem. „Finanzminister Christian Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil haben sich auf einen Kompromiss geeinigt, für dessen Kosten andere werden geradestehen müssen“, kommentiert der Spiegel. Das Generationenkapital wird, damit rechnet die Regierung selbst, die Mehrbelastung der Beitragszahler nur zu einem Bruchteil kompensieren. Der frühere Rentenberater der Bundesregierung, SPD-Mann Bert Rürup, bemängelt, dass die Pläne nicht bei der von der Ampelkoalition propagierten Bekämpfung der Altersarmut helfen würden.  „Das Generationenkapital macht die Alterssicherung in Deutschland nicht sicherer“, meint auch die Gewerkschaft IG Metall. „Es ist eine kreditfinanzierte Wette auf unklare Erträge in der Zukunft.“

Die Rente der Zukunft soll wieder einmal auf Schulden gebaut werden. Dabei ist Überschuldung des Bundes in Sachen Generationengerechtigkeit wohl der fatalste Weg. Es bleibt der denkbar schlechteste Kompromiss der Ampel: Das schlechteste aus allen Welten. Vom einstigen liberalen Plan bleibt – wie schon beim „Bürgergeld“ – nur der Name, der in sein Gegenteil verkehrt wird. Denn das hier ist kein „Generationenkapital“, sondern eine Generationenverschuldung.

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