Die Eskalation an der US-Grenze geht weiter. Inzwischen unterstützen die Gouverneure von ganzen 25 US-Bundesstaaten – die Hälfte der Staaten des Landes – Texas‘ Konfrontationskurs mit den Biden-Behörden.
Ein Rückblick: Da aus Sicht des republikanischen Gouverneurs von Texas, Greg Abott, die US-Bundesregierung dabei versagt, die Grenze zu Mexiko zu schützen, begann sein Bundesstaat auf eigene Faust Grenzbarrieren zu errichten, darunter auch Stacheldrahtzäune. Die wiederum ließ die Biden-Regierung entfernen. Dagegen klagte Texas – und wurde nun vor dem Obersten Gerichtshof mit knapper Mehrheit abgewiesen. Das heißt aber erstmal nicht, dass Texas keine Barrieren aufbauen darf, es heißt nur, dass die Biden-Regierung diese abbauen darf.
Seit Bidens Amtsantritt schießen die Zahlen illegaler Grenzübertritte an der US-Südgrenze in die Höhe – auch weil seine Regierung viele der Programme aus der Trump-Zeit beendete: Biden nutze zum Beispiel nicht mehr ein aus Gesundheitsgründen vereinfachtes Zurückweisungsverfahren aus der Corona-Zeit, während er andere Gesundheits-„Notstände“ aus der gleichen Zeit weiterlaufen ließ bzw. ausweitete, und er beendete die „Remain in Mexico Policy“ der Trump-Regierung.
„Catch and release“ unter Biden
Nach der hatten Asylbewerber in dem sicheren Drittland, Mexiko, warten müssen, bis über ihren Asylantrag in den USA entschieden wird. Entsprechende Entscheidungen fallen – anders als in Deutschland mit verschiedenen Abstufungen wie Flüchtlingsstatus oder subsidiärem Schutz – oft negativ aus. In Amerika ist daher nicht entscheidend, was in dem Verfahren beschieden wird, sondern wann die Entscheidung fällt und wo der entsprechende Asylbewerber so lange bleibt.
Das aktuelle Problem besteht nämlich größtenteils darin, dass Migranten in die USA strömen, sich dort freiwillig von Grenzschutzbehörden festnehmen lassen – die sie rein rechtlich auch in Abschiebehaft halten können – aber dann aufgrund von massiver Überlastung entlassen werden müssen. Natürlich erscheinen viele von ihnen dann nicht mehr zum finalen Gerichtstermin, der aufgrund des Andrangs aktuell teilweise im Jahr 2027 liegen kann, und tauchen stattdessen im 300-Millionen-Land USA unter.
„Catch and release“ nennen Grenzbeamte dieses frustrierende Vorgehen. Diejenigen, deren Job es ist, illegale Übertritte in die USA zu verhindern, sind an vielen Orten zu nichts anderem als Registratoren illegaler Migranten verdammt und müssen hilflos zusehen, wie sie in die USA entlassen werden – oft mit Flugtickets weiter gen Norden, Westen und Osten. Eine Absurdität des Systems. Schließlich wurde das entsprechende Ministerium, das Heimatschutzministerium, nach dem 11. September speziell dafür eingerichtet, um Terror zu verhindern und ganz genau zu kontrollieren, wer in die USA reist – und in den USA per Flugzeug reist.
Trotzdem erscheinen an jenen Flughäfen nun Migranten mit nichts weiter als einem Papierschnipsel der Grenzbehörden, der aufgrund fehlender Ausweisdokumente zur Reise berechtigten sollen. Das sonst so strikte Terrorabwehr- und Kontrollsystem ist auf den Kopf gestellt.
Mehr als neun Millionen Migranten seit Bidens Antritt
Auch die schiere Masse illegaler Einwanderer in die USA hat inzwischen schwindelerregende Ausmaße angenommen. Zum Vergleich: In den Hochzeiten der Flüchtlingskrise 2015/2016 kamen nach Deutschland gut eine Million, in Summe vielleicht 1,5 bis 2 Millionen Migranten. Aktuell sind es um die 300.000 pro Jahr. So viel kommen mitunter in einem einzigen Monat nach Amerika.
In Fiskaljahr 2023 wurden fast 2,5 Millionen illegale Einwanderer an der US-Südgrenze aufgegriffen – und nach dem aktuellen Vorgehen in die USA entlassen. Im Vorjahr 2022 war es ähnlich. Und 2021 waren es immerhin noch 1,7 Millionen Migranten. Dazu kommt eine enorme Dunkelziffer an unbemerkten bzw. nicht festgenommen Migranten – gerade solche, die in den USA etwa zu einer Straftat verurteilt wurden und bei der Registrierung auffallen würden.
Der Heimatschutzausschuss des US-Repräsentantenhauses spricht von 7,5 Millionen aufgegriffenen Migranten seit Bidens Amtsantritt, dazu kommen 1,7 Millionen „known gotaways“ also jene der Behörden beim Übertritt entkommenen Migranten. Das bringt die Zahl aller seit seinem Amtsantritt ins Land geströmten Migranten auf unglaubliche 9,2 Millionen. Würde diese Masse von Menschen einen Bundesstaat bilden, wäre er gemessen an der Bevölkerungszahl heute der 11.-größte Staat der USA – nur bestehend aus illegale Migranten, die in drei Jahren Biden-Regierung ins Land kamen. Das sind die Dimensionen der Krise.
Texas sieht „Invasion“
Auch für die Sicherheit im Land stellt die Migrationskrise ein großes Problem dar: Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 35.000 Migranten festgenommen, die verurteilte Kriminelle sind oder nach denen aktiv gefahndet wurde. Im selben Zeitraum wurden fast 200 potenzielle Terroristen an der Grenze aufgegriffen: 169 festgesetzte Migranten standen auf Listen für Terrorverdächtige.
Ist es da ein Wunder, dass Texas, der Bundesstaat mit dem längsten Abschnitt der US-Südgrenze, nun von einer „Invasion“ spricht? So jedenfalls rechtfertigt Gouverneur Abott den Einsatz der Nationalgarde, der Miliz des Bundesstaates, um Grenzbarrieren zu bauen und Bundesbehörden wie dem Grenzschutz, die aktuell fast nur noch registrieren dürfen, den Zutritt zu Inseln im Grenzfluss Rio Grande zu verwehren. Den Ansturm völlig verhindern können die texanischen Behörden nicht, mit ihren Barrieren versuchen sie aber wenigstens zu zeigen, dass die Grenze nicht völlig ungeschützt ist. Dass Migranten nicht einfach, je nach Wasserstand, durch den Rio Grande laufen oder schwimmen können und dann mit offenen Armen in den USA empfangen werden.
Abott beruft sich auf Artikel 1, Sektion 10, Absatz 3 der US-Verfassung, der schon seit 1789 da lautet: „Kein Staat darf ohne die Zustimmung des Kongresses […] in Friedenszeiten Truppen oder Kriegsschiffe behalten, […] oder einen Krieg führen, es sei denn, dass er sich tatsächlich unter Invasion befindet oder sich in einer solchen unmittelbaren Gefahr befindet, die keine Verzögerung zulässt.“ Eine solche Invasion sieht er als gegeben. Damit bestünde auch die verfassungsrechtliche Grundlage, ohne die Bundesbehörden gegen die illegale Migration vorzugehen.
Was in Deutschland wohl die wenigstens wissen: Auch US-Bundesstaaten können ein eigenes Militär unterhalten, konkret in Form einer Miliz. Die gibt es vor allem in Form der Nationalgarde, die den Gouverneuren der Bundesstaaten untersteht. In Krisenzeiten kann sie in den Dienst der Bundesregierung unter dem Präsidenten gestellt werden. Dies fordern jetzt linke Politiker, nachdem Abott weiter Grenzbarrieren durch die texanische Nationalgarde aufbauen lässt.
Ein solcher Schritt, eine Föderalisierung der Nationalgarde von Texas durch Biden, ginge allerdings nicht ohne die Verstrickung in weitere juristische und politische Probleme: Zwar kann der Präsident die Garde in Notzeiten in den Bundesdienst stellen – aber nur, wenn der Gouverneur zustimmt. Ohne seine Zustimmung ginge es nur, wenn „rechtswidrige Behinderungen, Zusammenschlüsse oder Versammlungen oder Aufstände gegen die Autorität der Vereinigten Staaten es undurchführbar machen, die Gesetze der Vereinigten Staaten in irgendeinem Staat im Rahmen eines ordentlichen Gerichtsverfahrens durchzusetzen.“
Nur ist das aktuell wohl kaum gegeben. Solange Abott nur neue Grenzbarrieren aufbaut, verstößt er damit nicht gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs. Dazu kommt: Selbst wenn der Präsident die Nationalgarde föderalisiert, gäbe es in Texas und einigen anderen Staaten, die ebenfalls ihre Nationalgarde zur Unterstützung schickte, noch eine weitere Miliz: Die sogenannte Staatsgarde, die zwar deutlich kleiner ist, aber allein den Bundesstaaten untersteht. Ebenfalls außer Bundesreichweite sind natürlich die Polizeibehörden der Staaten, wie etwa die „Texas Rangers“, die „Texas Highway Patrol“ und andere Behörden des texanischen Innenministeriums.
Zu diesen rechtlichen Problemen kommen nun aber vor allem politische: Bidens Rivale in der diesjährigen Präsidentschaftswahl dürfte Donald Trump heißen – und der macht das Thema Bekämpfung illegaler Migration wieder zu einem seiner Hauptanliegen.
Wie sieht es da aus, wenn der Präsident so stark in das Gefüge der Bundesstaaten eingreift, nur um Grenzbarrieren niederreißen zu lassen? Und das in einer Zeit, in der die Migrationskrise große Teile der USA, bis hin zu Großstädten wie New York City und Chicago, betrifft? Zugleich haben sich nicht nur 25 Bundesstaaten hinter Texas gestellt, auch im Kongress wächst der Widerstand: Im von Republikanern kontrollierten Repräsentantenhaus strebt man längst ein Amtsenthebungsverfahren gegen Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas an.
Für den Präsidenten auch politisch brandgefährlich
Das könnte politisch deutlich gefährlicher sein, als eines gegen Biden. Zwar sind die Erfolgschancen in beiden Fällen, auch aufgrund der politischen Verhältnisse im Senat, eher gering, doch das politische Narrativ ist im Falle eines Mayorkas-„Impeachments“ ganz anders. Während Biden und seine Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren, als politisches Spektakel gegen einen vom Volk gewählten Präsidenten abtun können, wird das bei seinem Heimatschutzminister schwieriger.
Der ist anders als Biden ungewählt und trägt besondere Verantwortung für sein Ministerium. Eine solche Debatte könnten Bidens Demokraten also viel schwieriger als eine Hexenjagd framen, wie schon die Republikaner im Falle der Amtsenthebungsversuche gegen Trump. Stattdessen würde sich die Debatte wohl eher um das Versagen an der Grenze drehen – ein unliebsames Thema für Biden.
Zu einem Bürgerkrieg, wie ihn manche gerne herbeifantasieren, führt all sowas natürlich nicht. Tatsache ist aber, dass gerade in Texas – was als Republik jahrelang unabhängig von Mexiko und den USA war (und Jahrzehnte später auf Seiten der Konföderierten wieder versuchte, aus der Union auszutreten) – ein gewissenes Selbstbewusstsein auch gegenüber der US-Bundesregierung herrscht. Auch deshalb ist der republikanische Gouverneur bereit, alle ihm unter der Verfassung zustehenden militärischen Mittel zu nutzen, um irgendwie die Grenze zu sichern – auch gegen Widerstand aus Washington.
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Schön, dass es in den USA politisch Verantwortliche gibt, die handeln statt reden. Schade nur, dass es so etwas bei uns nicht gibt.
Wenn man von diesen Zuständen liest und bedenkt, welchen Kontrollen sich legal und nur zu vorübergehendem Aufenthalt Einreisende in den USA zu unterziehen haben, ergibt es absolut keinen Sinn.
Ein Gast ist wie der Regen, dauert er zu lange, wird er zur Last.
Pssst… die bauen sich ihr neues Volk. Die Mittelschicht wird komplett abgeschafft. Minimales, bedingtes Grundeinkommen für alle gesteuert von digitaler Währung und digitaler ID, Welcome to Slavery 🙂 Bestimmt auch bald in einem Land in Ihrer Nähe.
Die Rolle von Texas wäre in Deutschland eigentlich Bayern zugekommen, aber die Zeiten in denen bayerische Politiker noch Eier hatten sind auch schon längst vorbei. Der gute Nebeneffekt, wenn sich die USA überwiegend mit sich selbst beschäftigen, wäre wohl das sie damit aufhören in aller Welt Kriege anzuzetteln. Vielleicht besteht noch Hoffnung bevor sie es geschafft haben endgültig den 3. Weltkrieg heraufzubeschwören.
Nehmen wir an, die Auseinandersetzung eskaliert weiter. Welche Befugnisse hat der Präsident dann? Kann er im Falle eines „nationalen Notstandes“ sogar die Wahlen verschieben und dadurch selbst weiter im Amt bleiben?
Der permante Zustrom illegaler Einwanderer hat auch etwas Gutes : so lange die USA derart mit diesen Problemen innenpolitisch zu kämpfen haben, haben sie weniger Zeit außerhalb Kriege anzuzetteln. Man könnte also fast von einer win-win-Situation sprechen.