Nach Verlusten in der letzten Wahl
Drohen Spaniens Sozialisten nun wieder Neuwahlen?
In Spanien konnte auch drei Monate nach der Wahl immer noch keine Regierung gebildet werden. Inzwischen versucht der alte Regierungschef das Zepter an sich zu reißen - doch dafür bleibt ihm nur noch wenig Zeit.
In Spanien wurde am 28. Juli außerordentlich gewählt – doch bis dato konnte sich immer noch keine Regierung formatieren und einigen. Zur Erinnerung nochmal das Wahlergebnis: Die Mitte-rechts einzuordnende Partido Popular (PP) mit dessen Vorsitzenden Fejioo hatte mit einem Gewinn von plus 12,25 Prozent im Vergleich zur Wahl im November 33,06 Prozent erzielen können, gefolgt von der SPD-vergleichbaren PSOE mit 31,68 Prozent, dem Rechtsbündnis Vox mit 12,38 Prozent und dem Linksbündnis Sumar mit 12,33 Prozent.
Somit blieben die Erwartungen eines deutlichen Sieges und Zugewinnes der politisch rechten Seite unerfüllt und viele deutsche und internationale Zeitungen betitelten im Juli einen Wahlerfolg der Mitte und der Linken. Doch sollte man die verschobene Wahltendenz hin zu konservativeren Einstellungen der Wähler in einem traditionellerweise sozialistisch eingestellten Spanien nicht unberücksichtigt lassen. Alle diese Gegebenheiten führten folglich zu diesen komplizierten Verhandlungen und die Regierungsbildung verzögert sich bis heute.
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Am Dienstag haben der ehemalige und aktuell geschäftsführend tätige Regierungschef der PSOE, Pedro Sanchez, und die Führung der Partei Sumar, Yolanda Diaz, ein „progressives Regierungsabkommen für alle Spanier und Spanierinnen“ vereinbart. Es könnte also sein, dass trotz des absoluten Zugewinnes für PP und Vox nun erneut ein neues (altes) linkes Bündnis Spaniens Zukunft gestalten wird. Das unterschriebene Dokument umfasst 48 Seiten und enthält grundsätzlich viele Forderungen, allerdings keine konkreten Detaillösungen, wie die abgemachten Punkte zukünftig umgesetzt werden könnten.
Sozialisten vereinbaren „progressives Regierungsabkommen“
Beschlossene Inhalte sind beispielsweise die hochumstrittene Verkürzung der Arbeitswoche von 40 auf 37,5 Stunden. Auf diesen Punkt hatte Sumar gepocht, wobei sich die Partei für diese Regelung eine regressive Staffelung von 38,5 Stunden im Jahre 2024 und schließlich auf 37,5 Stunden pro Woche im Jahre 2025 vorstellt. Ein weiterer Schwerpunkt wurde auf die Reduzierung der nationalen Flüge gesetzt. Gerade auf Routen, die man alternativ mit dem Zug in zwei Stunden zurücklegen kann, solle der Zug das Verkehrsmittel der Zukunft werden.
Im Rahmen der fiskalischen Reformvorschläge, die die finanzielle Unterstützung von Banken und Energieunternehmen deutlich ausweiten soll und von der Gegenseite als großer Nachteil für Spaniens wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit kritisiert wird, tritt die Unverbindlichkeit des Programms besonders deutlich zum Vorschein. Ziele und Formeln sind allgemein vage verfasst, es fehlt an konkreten Zahlen, Details und Lösungsansätzen. Das Abkommen soll nicht zu endgültig klingen, damit die beiden unterzeichnenden Parteien sich noch nicht den beschlossenen Punkten verpflichten und im Nachhinein wegen verpasster Ziele angreifbar machen.
Die Katalonienfrage
Am Ende hat dieses hypothetische Regierungsabkommen viele Ähnlichkeiten mit dem vergangenen Koalitionsvertrag von Pedro Sanchez. Und nicht zuletzt bleibt das Thema der „Autonomias“: Schon einige Male scheiterte die Regierungsbildung – auch eine zwischen PP und Vox und der Führung Fejioos – an der Zustimmung der unabhängigen Regionen Spaniens, allen voran Katalonien.
Um ihre jeweilige Individualität zu bewahren, ist verfassungsrechtlich festgeschrieben, dass diese Regionen zwar einem Regierungsprogramm zustimmen müssen. Allerdings wegen der grundsätzlich mit Deutschland vergleichbaren föderalen Strukturen nicht direkt beteiligt werden oder ein Mitspracherecht haben. So versucht Charles Puigdemont, ehemaliger Vorsitzender der katalanischen Separatistenbewegung Junts, gerade einen Kuhhandel mit Sanchez. Unterstützung des vorliegenden Abkommens gegen die Anerkennung der „Republik Katalonien“.
De facto hängt die zukünftige Regierungsbildung also von der Katalonienfrage ab. Es ist aber noch sehr unsicher, wie und ob die Koalition zwischen PSOE und Sumar auf diese Forderungen eingehen wird. Die kommenden Tage im November bleiben auf jeden Fall entscheidend, denn am Freitag, den 27. November, läuft eine verfassungsrechtliche Frist ab, nach der, wenn immer noch keine Regierung vom König den Auftrag erteilt bekommt, automatisch erneut gewählt werden muss – was das dritte Mal in vier Jahren bedeuten würde.