Die depressive Mutlosigkeit von CDU und FDP ist unerträglich
Während die Union sich Merkel zurückwünscht und die Silvesterkrawalle „normal“ findet, will die FDP in der Ampel bleiben. Es ist die unendliche bürgerliche Bereitschaft, seine Maßstäbe nach unten anzupassen. Dabei wäre nur Empörung der Motor für Reformen.
Das Jahr 2024 sendet uns gleich am Neujahrstag ein paar ironische Botschaften, wie Wetterleuchten zwischen den Feuerwerken: CDU-Generalsekretär Lindemann wünscht sich Angela Merkel im CDU-Wahlkampf – die FDP-Mitglieder stimmen für einen Verbleib in der Ampel-Koalition – Kai Wegners Behörden erklären die Berliner Silvesternacht für „normal“ – in Sachsen sehen Umfragen die AfD bei 37 Prozent als stärkste Kraft, die FDP steht bei einem Prozent.
CDU und FDP entscheiden sich also gleich mehrfach schon am ersten Tag des Jahres für die Fortsetzung einer frustrierenden bürgerlichen Attitüde, die dieses Land seit Jahren lähmt: Probleme runterzukochen und mit unglaublicher Bräsigkeit am Holzweg festhalten. Während man sich selbst dabei wohl super smart und „professionell“ fühlt, wie wenig populistisch man doch wäre, ist es ein Ausdruck von Mutlosigkeit.
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Die Union entscheidet sich für Achselzucken
Kai Wegner hat in dieser Silvesternacht seine große Bewährungsprobe, seine fast schon historische Stunde. Nur wegen der Krawalle vor genau einem Jahr wurde er gewählt. Und eigentlich hätte er maximales Profil gewinnen können: mindestens mit einer großen Rede, mit der Ankündigung der Rückeroberung der Stadt durch Recht und Freiheit. Doch statt harter Ansagen und Empörung entscheidet auch er sich dafür, die Füße stillzuhalten. Der Staat „versucht sich durchzusetzen“ meint Wegner. Und obwohl zahlreiche Angriffe auf Beamte folgen, 390 Festnahmen und Kontrollverlust am Alexanderplatz ist hinterher alles gut – ein „normales Silvester“ verkündet man. Wie der Frosch im Kochtopf, setzt man die eigenen Maßstäbe ab und ist bereit sich an alles zu gewöhnen. Die Silvesternacht war empörend – und nur weil die letzte Silvesternacht schlimmer war, ist nicht alles gut. Die Union entscheidet sich für Achselzucken.
Noch abwegiger sind die Äußerungen von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Er erklärt im Stern: „Ich finde es wichtig, dass wir keinen Bruch mit der Vergangenheit haben. Das wäre falsch.“ Laut dem Generalsekretär gehöre Merkel „zur CDU wie unsere anderen vier Bundeskanzler auch. Sie hat uns geprägt. Unter ihr wurde dieses Land gut regiert“. Und schließlich der Höhepunkt: „Selbstverständlich hoffe ich auf ihre Hilfe im Kampf um die Rückeroberung des Kanzleramts.“ Ich kann jedoch nicht erkennen, dass sie die CDU nicht mehr unterstützen möchte.“
Linnemann selbst denkt gar nicht so, das weiß man ja. Aber er will wieder lieber Frieden, statt mal irgendetwas geradezubiegen. Er ist bereit, die Partei in den Untergang zu befrieden, statt sich ihrer zentralen Aufgabe zu stellen: Der radikale Bruch mit der außen- wie innenpolitisch verheerenden Ära Merkel. Nur so hat eine Chance auf Glaubwürdigkeit.
Chat GPT, bitte liefere dünne Suppe
Ähnlich lustlos klingt Lindners Reaktion auf die Entscheidung der Parteimitglieder (gerade einmal 40 Prozent haben überhaupt noch abgestimmt), in der Ampel verbleiben zu wollen: „Das Ergebnis unserer Mitgliederbefragung sehe ich als Ausdruck der Verantwortung für Deutschland, aber auch als klaren Auftrag, im Regierungshandeln weiter liberales Profil zu zeigen“ twittert er.
Was fast mehr stört als der Inhalt, ist die Sprache. Chat GPT, bitte liefere dünne Suppe. Es klingt fast schon depressiv inhaltsleer, mit dem Wunsch alles möge doch bloß bleiben, wie es ist. Sowohl Union als auch FDP leiden schließlich an einer tragischen Selbstüberschätzung, wonach im Großen und Ganzen doch alles gar nicht so schlimm ist: Die FDP meint das, weil ihre Granden in Regierungslimousinen umherfahren, die CDU, weil sie überzeugende Umfragewerte verzeichnet. Doch beide liegen tragisch falsch. Und auch die FDP-Mitglieder sehen sich offenbar längst eher als Teil einer Christian Lindner-Marketingagentur, als einer selbstbewussten freiheitlichen Kraft.
Sowohl die Union als auch die FDP verschließen sich der Empörung. Genau darin liegen die Ursprünge der Zustände, die wir haben. Die bürgerliche Mitte hat sich jahrelang selbst daran ergötzt, wie wenig populistisch man ja wäre. Mit fadenscheinigen Argumenten hat man daran mitgewirkt, die Empörung über die Probleme auszubremsen und zu zerreden – und so Lösungen verhindert.
Empörung als Motor der Reform
Dabei zeigt die Realität seit drei Jahren, dass es fast schlimmer kommt, als die pessimistischsten Kritiker gemeint haben – und Empörung damit angebracht ist. Die Silvesternacht vor einem Jahr zeigte den totalen Kontrollverlust, die Lockdown-Jahre zeigen die Brüchigkeit der Demokratie, die wirtschaftliche Lage ist desaströs, das Scheitern der Energiewende ist geradezu phänomenal. Und all das hat man jahrelang schöngeredet – und verweigert sich auch heute noch überhaupt nur einer vollständigen Fehleranalyse.
Dass dieser unerträgliche Filz des Schweigens und Beschönigens das Kernproblem ist, haben weder Union noch FDP verstanden. Denn der erste Schritt, um etwas zu ändern, ist die rücksichtslose Analyse eines Problems. Und das geht fast nur emotional, denn es ist immer schöner und einfacher Probleme zu ignorieren, das liegt in der menschlichen Natur. Die Energie für die nötigen Reformen kann nur Empörung liefern. Und genau dieser verschließen sich Union und FDP – dabei wäre die angesichts der Lage des Landes angebracht.
In der klassischen SPD bezog man sich lange Jahre auf die Worte des Parteivaters Ferdinand Lassalle: „Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.“ Gut, Lassalle selbst starb vor seinem 40sten Geburtstag bei einem Duell, das er einforderte, um eine 20 Jahre jüngere Theaterschauspielerin heiraten zu können. Allerdings ist das allemal rühmlicher, als sich ins Grab zu dösen, weil man vergessen hat zu atmen, liebe CDU und FDP.
Bald regieren in allen Bundesländern nationale Einheitsfronten gegen eine einzige Partei in der Opposition, die man medial ignoriert oder in 5-1 Talkshows vorführen läßt, vom Verfassungsschutz überwachen, von der Finanzierung ausschließen und verbieten lassen will, weil sie eine andere Meinung haben und DESHALB demokratiefeindlich seien…
Die ganze Welt lacht über Deutschland und diese „Repräsentanten“ der hypermoralischen Selbstzerstörung…
Sehr guter Kommentar, Herr Mannhart! Messerscharf in der Sprache Deutsch analysiert!
Danke. Weder CDU noch FDP mit ihrem Filz. Ich wünsche mir eine starke AFD und Leute wie Krall, bis auch sie so stark zerfilzt und korrumpiert sind, dauert es noch ein paar Jahre. Wer 15 Minuten für Merkel klatscht- wollen sie ernsthaft diese Partei an der Macht sehen?
Die CDU ist allerspätestens seit der Ära Merkel zu einem „Verein zur Erringung von Posten und Pöstchen“ geworden. Die nötigen Prozente herbeizaubern, darin war Merkel exzellent und die gesamte Partei ist dem auf den Geschmack gekommen. Zum Teufel mit Positionen, Prinzipien und Überzeugungen!
Die FDP, so glaubte ich bis gestern, sei einfach nur in den Händen eines Christian Lindner, der nichtmehr weiß, was er machen soll und deshalb einfach stur und starr „weiter so“ praktiziert. Seit der Mitgliederbefragung zum Verbleib in der Koalition wissen wir aber, dass die gesamte Partei von innen heraus verrottet ist. Diese FDP geht direkt in den Untergang und das ist gut so.
Die haben sich problemlos von den Grünlinken ins Abseits stellen lassen und so ziemlich alles, was vor ein paar Jahren bürgerlich und konservativ war, abgelegt. Wir im Westen können eigentlich nur auf unsere Ostdeutschen Mitbürger hoffen, dass diese sich weiterhin nicht von den Medien bevormunden lassen.
Die FDP dürfte so oder so den Abschied vom Bundestag schaffen, wobei die jetzt Handelnden ja bestens versorgt sein werden.
Und die Union muss sich einer grünlinken Partei oder eventuell sogar beiden anbiedern. „Rote Socken“ oder „Freiheit statt Sozialismus“ wird es so nicht mehr geben, sondern ein weiter so. Dass wir uns mittlerweile imme rmehr isolieren, will offenbar niemand wahrhaben.
Der wirkliche Wechsel kann meiner Meinung nach nur im Osten entstehen und sich dann zu uns fortsetzen. Bis dahin wird Nichtleisten weiter gefordert und gefördert werden. Es bleibt nur Gerede zu allen wichtigen Themen (Migration, Verteidigung, Bildung, Digitalisierungen, Deindustrialisierung, …)
Ein wirklich exzellenter Artikel. Allerdings hätte der Verfasser hinzufügen können, dass sich CDU und FDP immer wieder auf die politische Amnesie der Wähler vor allem im Westen verlassen können und somit vorprogrammiert ist, dass weiter ein Übel das nächste ablöst.
Merkels Gift ist stark und wirkt unverdünnt weiter. Merz ist kaum der Richtige, der die Partei aufrüttelt, im Gegenteil.