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Entwicklung mRNA-Impfstoff

Das plötzliche Gerede von der Vogelgrippe als neue Pandemie – und was dahinter steckt

Obwohl derzeit kaum Daten zur Vogelgrippe bei Menschen vorliegen und sogar die WHO kein Ansteckungsrisiko für die Gesamtbevölkerung sieht, warnen Virologen vor der nächsten Pandemie. Jetzt sollen auch mRNA-Impfstoffe gegen das Virus entwickelt werden.

In den USA breitet sich die Vogelgrippe bei Rindern aus. Wissenschaftler warnen deshalb vor einer Übertragung auf den Menschen – obwohl es dazu keine Daten gibt.

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Obwohl die Vogelgrippe bereits vor über 60 Jahren entdeckt wurde, wird das Virus derzeit zum nächsten Pandemiekandidaten hochstilisiert. Dabei hat nicht einmal die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Beweise für die zwischenmenschliche Übertragbarkeit der Vogelgrippe. Dennoch warnen einschlägige Experten, darunter unter anderem der Virologe Christian Drosten, vor der Gefährlichkeit des H5N1-Virus für den Menschen.

In den letzten Monaten häuften sich die Meldungen über Geflügelpest-Ausbrüche in den USA. Auch in Deutschland wurde am Dienstag ein Fall in Niedersachsen bekannt, bei dem es sich um den Ausbruch der Mutation H7N5 handeln soll. Die Folge: 1,3 Millionen Tiere werden für die nächsten drei Wochen isoliert, eine Schutzzone mit einem Radius von drei Kilometern wurde eingerichtet, in dem die Tiere nicht transportiert oder aus ihren Unterbringungen gelassen werden dürfen, 91.000 Legehennen wurden aus Vorsicht vor weiteren Ansteckungen getötet.

Übertragungen auf den Menschen sind währenddessen in Deutschland nicht bekannt. Dennoch warnt Drosten im RND, die aktuelle Entwicklung könnte „schon der Anlauf zu einer nächsten Pandemie sein, den wir hier live mitverfolgen.“ Auch auf politischer Ebene werden die ersten Maßnahmen ergriffen: Am 22. Februar empfahl die Europäische Arzneimittelagentur EMA bereits zwei H5N1-Impfstoffe von der Firma Seqirus für die Zulassung, es fehlt nur noch die Zustimmung durch die EU-Kommission. Bei beiden Impfstoffen handelt es sich um Proteinimpfstoffe (Apollo News berichtete).

40 Millionen Impfdosen mehr – wofür?

Anfang Juni wurde bekannt, dass 15 europäische Staaten zusammen 665.000 Impfdosen bestellt haben. Außerdem sicherten sie sich die Option auf weitere 40 Millionen Impfdosen. Mit den zunächst bestellten 665.000 Impfdosen sollen bei Bedarf Personen, die mit Geflügel in Kontakt stehen, geimpft werden. Deutschland hat sich an der gemeinsamen Bestellung des Impfstoffs nicht beteiligt, kann aber jederzeit eigenständig Impfstoff ordern.

Mit den 665.000 Impfdosen sollen vor allem Arbeiter in der Landwirtschaft und Tierärzte oder ähnliche Berufsgruppen immunisiert werden. Wozu in dem Vertrag, der auf maximal vier Jahre datiert ist, eine Option auf weitere 40 Millionen Impfdosen festgehalten ist, bleibt aber fraglich. Denn: Seit 2003 bis Februar dieses Jahres haben sich gerade einmal 887 Menschen mit der Vogelgrippe infiziert. Und laut Robert-Koch-Institut gibt es „derzeit weltweit keine Hinweise für eine fortgesetzte Mensch-zu-Mensch-Übertragung mit aviären Influenzaviren“, also der Vogelgrippe.

Wovor warnen also Drosten und Co., wenn sie von dem nächsten Pandemiekandidaten sprechen? Und warum hält sich die EU die Möglichkeit bereit, 40 Millionen Impfdosen gegen das Virus zu bestellen? Die Vogelgrippe ist keine neue Erscheinung. In den vergangenen Jahren mussten weltweit Geflügelfarmen immer wieder mit Ausbrüchen kämpfen und die eigenen Tiere töten, auch in den vergangenen Monaten gab es in Deutschland einige Fälle. In den USA sorgt derweil eine andere Entwicklung für Aufsehen: Das Virus wurde seit März vermehrt bei Milchkühen nachgewiesen.

132 Herden in zwölf Bundesstaaten sollen von der Vogelgrippe betroffen sein. In diesem Zusammenhang infizierten sich laut der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) drei Personen mit dem Virus. Genau damit argumentieren jetzt Wissenschaftler: Erstmals ist das Virus nicht nur auf ein Säugetier übergesprungen, sondern habe sich dort als ansteckend erwiesen und könnte zudem wegen der Verarbeitung der Rinderprodukte auch für den Menschen gefährlich werden. Laut CDC wird das Gesundheitsrisiko für die Gesamtbevölkerung derzeit dennoch als gering eingestuft. Und auch in verarbeiteten Milchprodukten konnte H5N1 nicht nachgewiesen werden, nur für Rohmilch bestehe ein gewisses Ansteckungsrisiko, meinen Forscher im amerikanischen Journal of Virology.

Experten warnen vor „neue[r] Dynamik“

Im ZDF sah der Präsident des in Deutschland zuständigen Friedrich-Loeffler-Instituts, Professor Martin Beer, zwar noch keine eindeutige Pandemiegefahr, aber mahnte, dass „man jetzt die Dinge beobachten“ und „die Verbreitung im Rind“ stoppen müsse. Andere Experten werden da wesentlich konkreter und ziehen bedrohliche Schlüsse aus dem Ausbruch bei Kuhherden.

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Denn: dass das Virus auf eine andere Spezies, also vom Geflügel auf das Rind übergreift, sei eine „neue Dynamik“, mahnte etwa der Epidemiologe Timo Ulrichs bei ntv. Diese Entwicklung sei also auch für eine Übertragung auf den Menschen denkbar. Und „da ist die Überlebenswahrscheinlichkeit nur 50 Prozent“, mahnt Ulrichs – unterschlägt aber, dass es in den vergangenen 20 Jahren nicht einmal 1.000 Infektionen gab. Von den bis Februar registrierten 887 erkrankten Personen starben laut WHO 462 Menschen, also etwa 52 Prozent.

Ein Lösungsvorschlag des Epidemiologen: Impfungen für die Kühe. Auch Drosten hatte dieses Gedankenspiel bereits in den Ring geworfen. Laut Ulrich könnte man dann auch die Informationen über das Virus nutzen, um „möglichst schnell“ neue Impfstoffe für den Menschen zu entwerfen. In den USA wird das bereits Realität: Das Pharma-Unternehmen Moderna, das bereits durch seinen Covid-Impfstoff Bekanntheit erlangte, sicherte sich die finanzielle Unterstützung über 176 Millionen Dollar von der US-Regierung für neue Vakzine zu. Damit könnte neben dem von Seqirus entwickelten Proteinimpfstoff bald auch das erste mRNA-Präparat in die Startlöcher gehen.

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