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Reisebericht

„Buona Pasqua“ aus Rom – ein Osterspaziergang in der Ewigen Stadt

Den Ostersonntag in Rom verbringen – gibt es etwas Schöneres für einen Christen? Unsere Autorin ist durch die Stadt spaziert. Eine Sonntags-Betrachtung.

Es ist Ostern und wir Christen feiern an diesem höchsten kirchlichen Fest die Auferstehung Jesu. Ich habe momentan das große Glück, für meinen Master in Rom zu wohnen. In der Ewigen Stadt, die – gerade zu dieser Zeit – auch viele Pilger mindestens für den „Urbi et Orbi“-Segen des Papstes aufsuchen und besuchen. Aber nicht nur Gläubige haben sich dieses Ziel für diese Tage ausgesucht, sondern auch Massen an Touristen aus aller Welt, die diese Stadt überfüllen. 

Überall auf den Straßen tummeln sich in diesen Tagen Schüler, die von gestressten Lehrern von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit bugsiert werden. Die Aufmerksamkeit der in völlig zerrissenen Jeans und weiten Schlabbershirts oder für Mitte März viel zu kurzen Crop-Tops gekleideten Jugendlichen auf die Kunstwerke zu lenken, scheint einer Herkulesaufgabe zu gleichen. Allein, die Gruppen sowohl in den kleinen Gassen als auch auf den größeren Vias der Stadt zusammenzuhalten und geschlossen von A nach B zu führen, bringt viele Lehrkräfte sichtlich an den Rand der Verzweiflung. „Wieso bin ich nicht einfach mit ihnen an die Ostsee gefahren?“, steht in den von Schweißperlen gesäumten Gesichtern. 

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Die Jugendlichen starren derweil lieber durchgängig auf ihr Smartphone, anstatt sich die zahlreichen wunderschönen Bauten, Monumente und Menschen anzuschauen. Die Augen sind so viel auf das digitale Rechteck gerichtet, dass die Deckenfresken der Galleria Farnese von Carracci nicht durch einen gekonnten Blick im rechten Winkel erhascht werden und die Spitzen der Orangenbäume der Villa Farnesina nicht ins Auge fallen. Aber wie könnte man ohne Handy-Reisekarte den geheimen TikTok-Insider-Tipp für einen 3-Tages-Trip in Rom finden, denken sich die Schüler wohl – unwissend, dass sie an ihrem Ziel eine ewig lange Schlange erwartet. Nicht wenige werden für eine überteuerte Focaccia oder für das exklusive giftgrüne Pistazieneis gekonnt über den Tisch gezogen. 

Lieber schaue ich mir da die Athleten an. Äußerlich sehr leicht an ihrem auf Praktikabilität ausgerichtetem Modebewusstsein zu erkennen: Sportleggins, Neon-Trikots und Sportschuhe. Und an dieser Stelle rede ich von wirklich professionellen Joggingschuhen, mit denen man mindestens einen Marathon in den nächsten fünf oder sechs Aufenthaltstagen zurücklegen möchte.

Hauptsache viel erledigen und sehen, quasi Trophäen sammeln – das strahlen diese Premium-Treter aus. In vielen Fällen wird der Trip auch zu einem Biathlon erweitert, wenn es dann heißt, auf dem Fahrrad (wenn auch heutzutage stets auf einem E-Bike) durch den labyrinthischen Verkehr zu pedalen – und gleichzeitig zu weiterem Chaos beizutragen, denn schön breit angelegte Fahrradwege wie in Berlin oder Peru findet man in Rom nicht.

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Dieser Art von Gruppe fehlt es nicht nur durchgängig an Puste – auch die Muße für die innige Betrachtung der Kostbarkeiten dieser Stadt lässt sich bei dem ewigen Gestrampel nicht erkennen. Typisches Beispiel: Oft wird die Basilika San Marco, in der die Gebeine des Evangelisten Markus gefunden worden sein sollen und welche heutzutage im Hauptaltar der Kirche aufbewahrt werden, völlig ignoriert. Bloß, um das imposante monumento nazionale a Vittorio Emanuele II. (oder auch umgangssprachlich „die Schreibmaschine“ genannt) schnell einmal ablichten zu können und dann gleich weiter auf der Via die Fori Imperiali das Kolosseum anzusteuern.

Schlägt man von dieser Route die entgegengesetzte Richtung ein, trifft man auf der Via del Corso den Typ Tourist, von dem ich wetten möchte, dass er keine Ahnung hat, warum und wie jenes Stadion, was offiziell „Amphitheater Flavio“ heißt, zu diesem Titel gekommen ist. Diese Visitatoren sind Opfer der, wie Stefan Zweig schön beschrieben hat, Monotonisierung der Welt. Uniformiert in Gucci, Prada und Fendi mögen sie sich vielleicht besonders italienisch gekleidet fühlen. Sie verreisen aber lediglich für das Selfie und das Luxusshopping. 

Und dann entdeckt man unter den Menschen noch einen anderen Typus: den nostalgischen Deutschen auf den Spuren Goethes. Etwas größer als alle anderen, sticht er meistens in Chinohose, Hemd und übergeworfenem Pullover gekleidet, nicht selten mit Strohhut und Sonnenbrille ausgestattet, aus der Masse heraus. Vorbereitet hat man sich ab Kapitel sechs der „Italienischen Reise“ und schlendert nun gemütlich durch die Stadt, bleibt ab und zu stehen, um an den historischen Bauten emporzuschauen und all die Sehenswürdigkeiten auf sich wirken zu lassen.

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Hoch anzurechnen ist der Versuch unserer Landsleute, mit einem etwas zu lang gezogenem „buon giorno, un cafeeeeee per favoreeee“, bei dem Kellner respektvoll in der Landessprache zu bestellen. Wenn auch etwas falsch betont, so ist es doch eine unendlich sympathischere und humanere Art den persönlichen Wunsch mitzuteilen als das bestialische Zeigen, Deuten und Fuchteln anderer Besucher an der Theke oder in den Shops. Die Italiener sind eigentlich als stark gestikulierendes Volk bekannt, doch auch hier gibt es Grenzen, wird einem hier deutlich.

In diesen Momenten ist die deutsche Heimat plötzlich ganz nah. Und der Osterspaziergang wird zu einer kleinen Studie der eigenen Landsleute. „Buona Pasqua“, rufe ich dem einen oder anderen heute entgegen. Wenn sie dann fragend aufschauen, schiebe ich ein „Frohe Ostern“ hinterher. Schmunzelnde Augen. Man versteht sich. 

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