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„Arschloch“ beim CDU-Parteitag – das haben die Ärzte verdient

In völliger Ekstase grölten CDU-Politiker beim Parteitag den Song „Schrei nach Liebe“ von den „Ärzten“. Den Rockern gefällt das gar nicht. Doch es geschieht ihnen nach jahrelanger peinlicher Anbiederung an die Regierung ganz recht. Über den Untergang der Reclam-Punker.

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Es ist wie ein Fiebertraum. Blitzende Lichter in wechselnden Farben drehen sich in geometrischen Formen, während der Bass dumpf aus der Ferne wummert. Im Zentrum des Geschehens: Ministerpräsident Daniel Günther und Kultursenator Joe Chialo. Günther hat die Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt, Chialo hat sich ein Basecap tief ins Gesicht gezogen. Beide bewegen sich wie in Ekstase. Erregt grölt Günther den Text eines Rocksongs mit, der im Hintergrund läuft. „Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe“, ruft er – und auch Chialo stimmt ein.

Kann es wahr sein? Singen hier zwei CDU-Politiker die Punk-Hymne der Berliner Band „Die Ärzte“? „Oh-oh-oh Arschloch“, brüllt nun auch das Publikum im Chor und Günther springt mit erhobenem Zeigefinger in die Luft. Die Videoaufnahmen, die diese und andere Tanzszenen vom CDU-Parteitag am Anfang der Woche zeigen, verbreiten sich im Internet wie ein Lauffeuer. Inzwischen sind sie auch beim Ärzte-Mitglied Bela B angekommen. Empört teilt er auf Instagram einen Beitrag des Vereins „Pro Asyl“ zum neuen beschlossenen Grundsatzprogramm der CDU, der das darin enthaltene Vorhaben verurteilt, Asylbewerber künftig in sichere Drittstaaten zu überführen.

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Trotzig schreibt der Ärzte-Schlagzeuger dazu: „Sowas beschließen & dann schön zu ‚Schrei nach Liebe‘ abhotten – ihr merkt nix mehr“. Was er damit sagen will, ist nicht schwer zu verstehen: Wer wie die CDU eine strengere Asylpolitik will, der ist ein Nazi und damit genau so ein „Arschloch“ wie jenes, das die Ärzte in ihrem bekannten Anti-Rechts-Song verhöhnen. 

Regierungstreue „Opposition“

Man kann sich vorstellen, was in dem Herzen des alten Punkrockers vorgeht, wenn er einen Mann in Anzughose, weißem Hemd und Lederschuhen spießig-abgehackt zu seinen alten Liedern hüpfen sieht. Da schimpft man seit Jahren auf das Schweinesystem und plötzlich singt das System selbst deine Songs, müssen er und sein Bandkollege Farin Urlaub sich denken. Immerhin verstehen sie sich seit ihrer Gründung in den 80er Jahren als Rebellen gegen „die da oben“. Erst kürzlich erklärte Bela B in einem Interview mit dem Tagesspiegel: „Wir gehören als Musiker automatisch zur künstlerischen Opposition“. 

Doch wer die Ärzte in den letzten Jahren verfolgt hat, der kann über solche Aussagen nur milde schmunzeln. Erst 2021 hat Bela B zur Bundestagswahl offen Wahlwerbung für die Grünen gemacht. Jetzt sitzt seine geliebte Partei in der Regierung. Von Opposition kann man da schwerlich sprechen – im Gegenteil. Die Ärzte unterstützen die Bundesregierung wie kaum eine andere Band seit geraumer Zeit in ihrem Kampf gegen „Rechts“. Anfang April brachten die Rocker sogar einen Song mit dem Namen „Demokratie“ heraus, der sehr direkt dazu aufruft, wählen zu gehen, um einen Rechtsruck in der Gesellschaft zu verhindern. 

In dem Musikvideo zu dem Song werden KI-generierte Bilder von den Anti-AfD-Demos eingeblendet. Während Farin Urlaub „Dein Kreuz gegen Hakenkreuze, damit fängt es an“ singt, wird ein Plakat gezeigt, das Björn Höcke mit einem aufgemalten Hitlerbart darstellt. Doch nicht nur die AfD erklären die Punker zur Gefahr für die Demokratie. Während Bilder von Querdenker-Demonstranten und Menschen mit Aluhut eingeblendet werden, ertönen die Worte: „Immer nur zu meckern auf das blöde Scheißsystem; Das ist schön bequem; Du bist nicht der Teil der Lösung, du bist selber das Problem; Und feige außerdem“.

Staatstragende Punker

Punker wollen, so dachte ich immer, stören, das „System“ sprengen. Sie sind per Definition Gegner jeder Spießigkeit und Bürgerlichkeit. Sie rotzen und fauchen und wollen nicht gefallen. Auf die Ärzte trifft diese Beschreibung schon lange nicht mehr zu. Das sah man schon 2020 als die drei Musiker herausgeputzt zum Interview in der Tagesschau erschienen. Mit brav zusammengefalteten Händen sprachen sie darüber, wie sehr die Coronazeit den Künstlern doch zu schaffen mache.

Kritik an der Bundesregierung wollten sie aber nicht äußern, man wünschte sich lediglich, doch vielleicht darüber nachzudenken, ein paar Möglichkeiten für Konzerte offenzulassen. Nicht lange danach initiierten die Rocker ihre eigene Impfkampagne. „Ein kleiner Schritt für jeden von uns, ein großer Schritt für die Gesellschaft“, schrieben sie damals auf ihrer Webseite. 

Inzwischen wird auf der Webseite der Ärzte ihr neu erschienenes Reclam-Buch beworben. „Gerade noch so zu Lebzeiten versammelt diese Universal-Bibliothek-Ausgabe sprachprägende, wortschöpfende, wichtige, freigeistige, manchmal verblüffend staatstragende Werke der Band“, heißt es in der Produktbeschreibung des Verlags. Staatstragende Punker – das ist eigentlich ein Oxymoron. Doch die Ärzte erwecken es zum Leben. 

Hinter einer Fassade des dumm-trotzigen Widerstands sind sie regierungstreue Spießer geworden. Statt Systemkritik machen sie Wohlfühl-Songs gegen Rechts. Und da fühlt sich eben auch die CDU angesprochen. So sehr der Anblick des wild springenden Daniel Günthers meine Innereien vor Fremdscham zusammenfahren lässt – er hat doch etwas Gutes: Endlich wird den Ärzten einmal der Spiegel vorgehalten und sie könnten sehen, dass ihr Widerstand gerade noch als Partysong einer verstaubten Altpartei taugt. 

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81 Kommentare

  • Sie sind die typischen Vertreter der Gattung Gratismut.

    232
  • die ärzte und punk, das ist wie veganer und schnitzel, peinlich. genau wie campino/toten hosen, der frau merkel lobte, lindenberg, grönemeyer im führerstil und besonders widerlich: niedecken/bap. corona hat die masken runtergerissen, die einzige ausnahmen waren nena und der wendler, wer hätte das gedacht? danke nochmal dafür.
    die einstigen pseudorebellen sind staatstragende narrativverteidiger geworden mit viel gratismut und ohne jegliche eier: wir brauchen euch nicht. seltsam auch die kehrtwendung von naidoo, wird er bedroht?
    der wahre punk ist heute heino, das ist doch total abgefahren und zeigt den wahnsinn unserer zeit!

    190
  • »Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem die Rechten die Coolen sind, die dem Establishment den Mittelfinger zeigen, und die Linken die wehleidigen, selbstgerechten
    Trottel, die alle beschimpfen.“
    – JOHNNY ROTTEN

    168
  • „Immer nur zu meckern auf das blöde Scheißsystem; Das ist schön bequem; Du bist nicht der Teil der Lösung, du bist selber das Problem; Und feige außerdem“.

    Der spinnt !
    Traditionell sind Linke die Berufsrevolutionäre. Wir meckern nicht über das System, sondern über seine Besetzung, welches unser freiheitlich-demokratisches System abzuschaffen gedenkt – mit jeder neuen Vorschrift und jedem Gesetz wird es deutlicher.

    125
  • Wer CDU wählt sollte sich über das Parteiprogramm keine Gedanken machen, das wird dann an die Wünsche der Grünen angepasst. Oder kurz: Wer CDU wählt bekommt das übliche Merkel-Grün.

    116
  • Gehören zur systemtreuen Sammlung von Grönemeyer, Toten Hosen, Bap, Udo Lindenberg…

    97
  • Ein sehr schöner Kommentar. Vielen Dank!

    83
  • Ein perfekter Text über Kulturschaffende, die zu dem geworden sind, was sie einst bekämpften und es nicht mal im Ansatz merken: opportunistisch, intolerant und spießig.

  • Die Ärzte sind keine Punks, sondern Regierungstreue wie die Toten Hosen. Beide Bands stellten sich an die Seite der Regierung und machten Werbung für einen nicht überprüften Impfstoff, der, wie wir jetzt wissen, schwere Impfschäden verursachen kann. Ein Impfverbot wurde bereits für einen Impfstoffhersteller ausgesprochen. Auf ihrer Website veröffentlichte die Band damals ein Statement, um ihre noch zögerlichen Fans dazu aufzurufen, sich impfen zu lassen. „Natürlich gibt es Menschen, die Angst davor haben, sich einen neuen und so schnell zugelassenen Stoff in den Arm spritzen zu lassen (wenn dies auch der am sorgfältigsten beobachtete Impfstoff aller Zeiten ist) – was wir verständlich finden. Niemand rechnet erst mal damit, dass ausgerechnet er oder sie sich mit Covid-19 infizieren wird“, so die Bandmitglieder. Punks sind die Ärzte nie gewesen. Nicht jeder ist Möchtegern-Antifa. Da nutzt auch das Lied „Bullen unter Wasser“ oder „Bullenschweine“ von den Ärzten nichts.

    69
  • Mutig wäre es gewesen, den Song letzten Samstag auf dem Berliner Kurfürstendamm zu spielen, als dort nach einem „neuen deutschen Führer“ verlangt wurde. Aber das wäre von Herrn Chialo wohl zu viel verlangt. Wie war das noch mit der Antisemitismusklausel im Berliner Kulturbetrieb?

  • So zeigt sich das Stockholm-Syndrom bei der CDU, nachdem sie sich freiwillig in die geistige Geiselhaft der linken und grünen Sozialisten begeben hat.

    55
  • Ein köstlicher und zutreffender Artikel!

  • Hahaha! Danke für diesen Hinweis. Da ist es nun wirklich schwierig zu entscheiden, wer peinlicher ist: Der hüpfende Günther oder die ollen Ärzte. Einer von denen sagte übrigens mal im Interview sinngemäß und allen Ernstes, dass er seine alberne Funpunk-Pseudo-Kapelle für die deutschen Buzzcocks hält. Hahaha, die passen gut zu den Grünen 🤣🤣, die denken auch, sie machen prima Politik!

  • Wie kann es falsch sein im „Rechtsstaat“ rechts zu sein?

  • Cool, die eigene Medizin, auch als Einlauf, passt diesen linksGRÜNEN System-Punkern nicht?
    Genauso wie die „Toten Hosen“, „BAP“, Lindenberge ua. PERTEIstaatskunstschaffenden, einfach nur noch Ödnis & Tod zwischen den Ohrwascherl.
    Mei, geht´s scheixxxx-

  • Durch dieses Lied wurde ich auf Störkraft und die Onkelz aufmerksam. Beide Bands höre ich heute noch.

    35
  • Vielleicht sollte (nicht nur) die CDU mal lieber Frei.Wild hören und drüber nachdenken:
    Frei.Wild – Die nur nach fremden Sünden fischen https://www.youtube.com/watch?v=K9o7e5xNp-E
    Das Lied ist nun 3 Jahre alt, aber wenn ich mich in den Nachrichten umschaue, könnte es nicht aktueller sein (z.B. in der causa Krah). Einfach mal auf Augenhöhe miteinander reden, anstatt Köpfen mit Liebe.

  • Ist das aus der neuen Challenge: Wer ist peinlicher? Ekstatisch hottender und grölender MP versus sich anbiedernder Pseudo-Revoluzzer/System-Punker?
    Puh, schwer zu entscheiden.
    Salomonisches Votum: Beide eine Runde weiter. Mal sehen auf wen sie jeweils im Viertelfinale treffen. Bleibt echt spannend. Cooles Format. Echtes “ Reality TV“.

  • Der Günther ist so was von eklig

  • Danke,das ich einen Artikel lesen durfte in dem Günther und Arschloch vorkommen.

  • Eine der größten Enttäuschungen, wenn auch mit Ansage, ist Udo Lindenberg. Einst war ich sein größter Fan, also zu Zeiten seiner Siebziger Platten und Anfangs auch noch die Achtziger. Was dann kam war durchweg Dudelmusik. Aber das ist das eine Thema und auch seine Entscheidung, wohin er musikalisch ging. Aber daß er sich zu den judenfeindlichen, anti-israelischen Umtrieben in „seiner“ Stadt nicht ein einziges Mal bisher geäußert hat – DAS ist unverzeihlich und entlarvt ihn als großen Systemschmarotzer und Arschkriecher der etablierten Parteien. Wenn das der Lindenberg wüßte, der einst „Gene Galaxo“ sang, meine Güte.

  • Wisst Ihr noch wie genüsslich die deutsche Presse jeden Musiker gefeiert hat, der Donald Trump die Nutzung ihrer Musik für Wahlveranstaltungen untersagt hat?

  • Die Ärzte waren allenfalls Pseudopunks , als es gerade Mode war. Jetzt sehen sie sich als staatstragende “ Kulturschaffende“ , ähnlich wie die “ Toten Hosen“, bei denen auch geistig Tote Hose ist.

  • Ich weiß an dieser Stelle nicht über wen ich zuerst lachen will, Bela B., der vor gar nicht allzu langer Zeit bei der ARD in der Tgesschau im Anzug aufgetreten ist und dort irgendwas über Corona gefaslt hat, nachdem seine Band gespielt hat (das hatte ja nichts mit Diskriminierung zu tun, dieses Corona, immer rein mit der Spritze und druff auf die Ungeimpften) oder die Lachnummern von der CDU, die alles, WIRKLICH alles tun würden, um nur noch ein paar WÄhler abzugreifen und weiter auf ihren Posten zu kleben. Ich meine, was davon ist peinlicher?

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