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Mögliche Freiheitsstrafe

„Alles für Deutschland“-Prozess: Droht Höcke jetzt wirklich der Ausschluss von der Wahl?

Vor dem Landgericht im Halle begann am Donnerstag der Prozess gegen Björn Höcke. Wegen des Ausrufens der Parole „Alles für Deutschland“ soll er sich strafbar gemacht haben. Theoretisch könnte Höcke sogar der Entzug des Wahlrechts drohen. Sein Verteidigerteam spielt deswegen wohl auf Zeit.

„Alles für Deutschland“, sagte Höcke zum Abschluss einer Wahlkampfrede in Halle. Wegen dieser drei Worte wird ihm nun der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Thüringer AfD-Landeschef vor, sich wegen des Verwendens einer verfassungswidrigen und terroristischen Parole strafbar gemacht zu haben. Bis zu drei Jahre Haft drohen Höcke nun. Ursprünglich sollte auf gerichtlichen Beschluss vom Freitag in der vergangenen Woche noch ein weiterer Sachverhalt mitverhandelt werden. Im thüringischen Gera sagte Höcke „Alles für…“ – woraufhin das Publikum „Deutschland“ ergänzte. Einen Tag vor Prozessbeginn wurde dieser Sachverhalt jedoch abgetrennt, er wird nun wohl in noch einem weiteren Verfahren behandelt werden.

2006 wurde die Parole „Alles für Deutschland“ als strafbar eingestuft. Seitdem ist das Verwenden der SA-Losung mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren belegt. Dass Höcke nun tatsächlich eine Haftstrafe antreten muss, gilt aber als abwegig. Sollte Thüringens AfD-Landeschef jedoch zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten oder länger verurteilt werden, könnte das Gericht ihm aber für bis zu fünf Jahre sein aktives und passives Wahlrecht aberkennen. Höcke könnte damit nicht mehr für die Wahlen in Thüringen am 1. September 2024 antreten.

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Droht Höcke der Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts?

Allerdings erscheint die in einigen Medien angestoßene Debatte momentan eher hypothetisch zu sein. Selbst wenn das Gericht diese Maßnahme ergreifen würde, könnte Höcke in die nächsthöhere Instanz gehen. Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass das Urteil vor der Landtagswahl am 1. September rechtskräftig werden würde. Höckes Verteidigung scheint ein solches Szenario aber nicht von vornherein auszuschließen. Das dreiköpfige Verteidigerteam um den Thüringer AfD-Chef versuchte am ersten Verhandlungstag mit verschiedenen Verzögerungstaktiken den Prozess in die Länge zu ziehen.

Noch bevor die Anklage verlesen wurde, beantragte ein Anwalt von Höcke, die gesamte Hauptverhandlung per Tonaufnahme zu dokumentieren. Dies sei notwendig, um dem Mandaten aufgrund der medialen Vorverurteilung ein faires Verfahren zu garantieren. Richter Jan Stengel lehnte den Antrag nach einer Unterbrechung ab. Die Verteidigung forderte daraufhin einen Gerichtsbeschluss der gesamten Kammer. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Richter Stengel erklärte, dass die Ablehnung keinen Einfluss auf die Fairness des Verfahrens gegen Höcke haben würde.

Daraufhin begann Staatsanwalt Benedikt Bernzen mit der Verlesung der Anklageschrift. Schon nach wenigen Worten wurde er jedoch von Höckes Rechtsanwalt unterbrochen. Dieser legte Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss des Gerichts ein. Zudem rügte er die Besetzung des Gerichts. Er argumentierte, dass das Verfahren vor das Amtsgericht gehöre. Das OLG Naumburg hatte auf Antrag der Staatsanwaltschaft entschieden, dass das Verfahren wegen der besonderen Bedeutung des Prozesses am Landgericht stattfinden sollte.

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Begründet wurde dies auf Basis des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GVG. Höckes Anwalt argumentierte jedoch, dass der Paragraph verfassungswidrig sei. Das Gericht regte er zu dem Veranlassen einer konkreten Normkontrolle an. Er empfahl also dem Landgericht, die Norm vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen und das Verfahren zumindest vor dem Landgericht damit bis auf Weiteres auszusetzen. Den Staatsanwalt Bernzen erzürnten diese Ausführungen sichtlich.

„Das ist ungeheuerlich“, rief er in den Saal. Noch nie sei er während der Verlesung der Anklageschrift unterbrochen worden. Die von der Verteidigung gestellten Anträge seien darüber hinaus nicht statthaft. Der im Vorfeld kurzfristig vorgenommene Wechsel der Rechtsanwälte und die vielen Beschwerden dienten allein dem Ziel, das Verfahren zu verzögern. Konkret wirft er der Verteidigung gar vor, die Hauptverhandlung „zu torpedieren“. Höckes Anwalt erklärte daraufhin, dass es verständlich sei, dass dem Staatsanwaltschaft „die Düse“ gehe.

Der Vorsitzende Richter Jan Stengel ermahnte daraufhin Höckes Anwalt zur Sachlichkeit. Dieser erklärte hingegen, sich durch den Staatsanwalt Bernzen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt zu fühlen. Ein weiterer Antrag wurde von Seite der Verteidigung dennoch nicht eingereicht. Nach einer weiteren Unterbrechung erklärte das Gericht, dass die Beschwerde nicht statthaft ist. Dem Angeklagten stehe es jedoch offen, sich mittels einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht zu wenden. Erst mehr als vier Stunden nach Prozessbeginn wird schließlich die Anklage verlesen.

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Der Ausgang des Verfahrens bleibt offen

Wie das Verfahren – auch wegen seiner politischen Brisanz – schließlich enden wird, kann kaum prognostiziert werden. Klar ist, dass das bloße Aussprechen einer NS-Parole keine Strafbarkeit begründet. Die Losung müsste zudem in einem entsprechenden Kontext stehen. Fraglich ist zudem, ob ein Vorsatz, also ein Wissen und Wollen um die Tat, angenommen werden kann. Die Staatsanwaltschaft wirft dies Höcke vor.

Höcke selbst erklärte mehrfach, nicht gewusst zu haben, dass es sich bei der Parole „Alles für Deutschland“ um eine SA-Losung handelte. Dass Höcke Geschichtslehrer war, kann als Indiz für eine Lüge gewertet werden, begründet jedoch keinen Beweis. Die Staatsanwaltschaft führt zudem aus, dass Höcke die Losung bei genanntem Auftritt in Gera – nach Beginn des Verfahrens – verwendete. Hier musste Höcke also um die Strafwidrigkeit dieser Worte wissen.

Jedoch vollendete Höcke nicht selbst die Losung – sondern das Publikum. Zudem stellt sich auch hier die Frage, in welchem Kontext die Parole verwendet wurde. Höckes Verteidigung wird wohl insbesondere darauf aufmerksam machen, dass die strafrechtliche Relevanz der Parole weitgehend unbekannt ist. So wurde etwa die SA-Losung 1935 an einer Feuerwache im brandenburgischen Jänschwalde angebracht. Erst 2021 – also 15 Jahre nachdem die Parole als verfassungswidrig erklärt wurde – fiel den Verantwortlichen die Problematik auf. Anschließend wurde der Slogan übermalt.

Am kommenden Dienstag wird die Verhandlung in Halle fortgesetzt. Laut der Pressesprecherin ist für diesen Termin ein Polizeibeamter als Zeuge geladen. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft angekündigt, ein Video des Auftritts in Gera in Augenschein nehmen zu wollen. Dem Vernehmen nach wird auch Höcke hier erstmals vor Gericht Stellung zu den Vorwürfen nehmen.

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