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„Zu weit gegangen“ – Wie die Politik ständig die Grenzen des Machbaren austestet

Habeck sorgte mit seiner Aussage, dass das Heizgesetz ein „Test“ war, für viel Empörung. Dabei sollte uns Corona und die Impfpflichtdebatte sowie diverse grüne Projekte gezeigt haben, dass die Politik permanent die Grenzen des politisch und verfassungsrechtlich Machbaren austestet.

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„Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft, war ja auch ehrlicherweise ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz — wenn er konkret wird — zu tragen. Und ich bin zu weit gegangen“, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck anlässlich eines Bürgerdialogs. Dieser Satz klingt im ersten Moment wie ein Skandal.

Bei genauerer Betrachtung hat Habeck lediglich das ausgesprochen, was seit Jahrzehnten von allen Parteien praktiziert wird: Sie testen die Bürger und loten die Grenzen des Machbaren aus.

Die Union und das Verbrennerverbot

2007 schlug der Generalsekretär einer im Bundestag vertretenen Partei ein Verbrennerverbot für 2020 vor. Es handelte sich dabei nicht um die Grüne Steffi Lemke, von der man so einen Vorstoß hätte erwarten können – die Rede ist von CSU-Politiker Markus Söder. Söder hoffte, dass grüne Motoren neu Arbeitsplätze schaffen würde und der Vorschlag der CSU grüne Wähler bescheren kann.

Zum damaligen Zeitpunkt hatte die CSU im Landtag keine Konkurrenz im liberalkonservativen Milieu. Freie Wähler und FDP scheiterten mit 4,0 beziehungsweise 2,6 Prozent bei der vorangegangenen Wahl 2003 ziemlich deutlich an der 5-Prozent-Hürde, während die Grünen immer stärker wurden.

Söder wollte also austesten, wie weit er mit grüner Politik gehen konnte. Inzwischen ist klar: Die ist alles andere als angesagt. Mehr als zwei Drittel der Deutschen lehnen ein Verbrennerverbot ab, das zeigt etwa auch eine aktuelle Umfrage aus dem März dieses Jahres für das ARD-Morgenmagazin.

Mittlerweile ist Söder für den Verbrenner und gegen die Grünen. CSU und CDU kämpfen in ihren Wahlprogrammen jetzt deutlich gegen ein Verbrennerverbot und haben auch im EU-Parlament gegen das Verbrennerverbot gestimmt. Was nun Söders wirkliche Meinung zu dem Thema ist und ob er seine Meinung seit 2007 vielleicht wirklich überdacht hat, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben.

Corona, der große Test

Corona war aber wohl der größte Test, wie weit die Regierung, sei es die GroKo oder die Ampel, gehen kann. Neben den wöchentlich neuen Regeln, die sich auch teils widersprochen haben und bei denen es die oberste Bürgerpflicht war, diese nicht zu hinterfragen, war gerade bei der Impfung und dem Impfdruck beziehungsweise der Impfpflicht sichtbar, wie die Politik Grenzen austestet. Es ging bei dieser Frage um nicht weniger als darum, ob die Politik das Recht hat, den Bürgern einen kaum erprobten und nicht regulär zugelassenen Impfstoff unter Androhung von Sanktionen bei Nicht-Einhaltung aufzuzwingen.

Bei einer chronologischen Sicht auf die Debatte um die Impfpflicht zeigt sich, wie perfide die Politik vorgegangen ist. Im Juli 2021, wenige Monate vor der Bundestagswahl, sagte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn beim Deutschlandfunk folgenden Satz: „Viele Auflagen werden nach und nach fallen, wenn alle ein Impfangebot bekommen haben“. Grundsätzlich war diese Aussage nachvollziehbar und in sich schlüssig, denn ebenfalls lehnten zu dem Zeitpunkt alle Parteien eine Impfpflicht ab. Spahns Aussage war politischer Konsens.

Doch am 26.09.2021 um Punkt 18:00 änderte sich alles. Die Wahllokale waren geschlossen, die Stimmen abgegeben. Die Bürger hatten sich festgelegt und den Bundestag für die nächsten vier Jahre gewählt. Danach mehrten sich die Stimmen in der Politik, die eine Impfpflicht forderten. Söder, Günther, Kretschmann, Weil und Ramelow sind nur ein paar prominente Politiker, die sich für eine allgemeine Impfpflicht aussprachen

Doch einer fiel in der Reihe der Politiker besonders auf: Christian Lindner. Lindner machte sich im Wahlkampf besonders für die Ungeimpften stark und sprach sich gegen eine Impfpflicht aus. Mit Erfolg. Die FDP konnte ihr starkes Ergebnis von 2017 leicht ausbauen und kam auf 11,4 Prozent. Nachdem das Ergebnis feststand und die FDP die Stimmen der Ungeimpften nicht mehr brauchte, weil sie diese schon hatte, kam die Kehrtwende. Im Dezember sagte er bei Bild live, „dass meine Richtung auch die einer Impfpflicht ist“. Außerdem sprach er plötzlich davon, dass diese „verhältnismäßig“ ist. Vor der Wahl sagte Lindner noch, dass eine Impfpflicht „nicht verhältnismäßig“ ist.

Der erste Testballon war die Einführung eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für medizinisches Personal. Mit einer breiten Mehrheit von 569 zu 79 Stimmen wurde damit die erste Coronaimpfpflicht verabschiedet.

Im Winter 2021/2022 kam es dann zu vermehrten Protesten auf den Straßen gegen die Coronapolitik und auch gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Doch erstaunlicherweise hielt dieser Protest die Politik nicht davon ab, eine allgemeine Impfpflicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen, obwohl sie damit Millionen Ungeimpfter endgültig als Wähler für einen längeren Zeitraum, wenn nicht sogar für immer verloren hätten.

Letztendlich war die Politik fest entschlossen eine solche einzuführen und scheiterte nur an ihrer eigenen Unfähigkeit sich auf einen gemeinsamen Antrag zu einigen. Lindner, der zu dem Zeitpunkt eigentlich für eine Impfpflicht war, stimmte im übrigen letztendlich doch dagegen.

In der deutschen Politik ist es vollkommen normal geworden, mit der der eigenen Politik die Grenzen des politisch und verfassungsrechtlich Machbaren auszutesten, und mitunter auch zu überschreiten, nur um dann später zurückzurudern. Wenn das Volk seinen Unmut nicht laut genug kundtut, holt sich der Staat, was er kriegen kann – sei es die Kontrolle über medizinischen Entscheidungen für den eigenen Körper oder wie man die eigenen vier Wände heizt.

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