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Erfahrungsbericht vor Ort

Wut, Verzweiflung und Tränen – ein Rückblick auf die Israel-Demo

Am Sonntag kamen in Berlin 2.000 Menschen zusammen, um gegen antisemitische Aufmärsche auf unseren Straßen und für Israel zu demonstrieren. Die Veranstaltung war von den leeren Phrasen der Politiker geprägt, die vor dem mit Farbe besudelten Brandenburger Tor Reden hielten. Aber - und vor allem - auch von der Wut, Verzweiflung, der Trauer und Leidenschaft der Demo-Teilnehmer. Apollo News war vor Ort.

Als ich am Sonntag zum Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor lief, war meine Stimmung noch immer von den grausamen Bildern von Samstag geprägt: von entführten und zerrissenen Familien, von grausamen Hinrichtungen und der Schändung ermordeter Menschen – von all dem Blut und Tod, den die Hamas über Israel gebracht hat. Und von den Bildern aus Neukölln. Denn auch wenn es leider bei weitem nicht das erste Mal war, dass dort Palästinenser und Hamas-Unterstützer aufmarschierten, war ich wütend und fassungslos, dass in einem der Bezirke, in dem ich die größte Zeit meiner Kindheit verbrachte, Süßigkeiten zur Feier getöteter Juden ausgeteilt wurden. Auch deshalb war es mir wichtig, mit meiner kleinen Israel-Flagge zum Brandenburger Tor zu gehen – um zu zeigen, dass nicht alle Berliner wegschauen. Und so ging es wohl nicht nur mir, sondern auch etwa 2.000 anderen Menschen. 

Zum offiziellen Beginn der Demo um 14 Uhr war der Platz vor dem Brandenburger Tor zu meiner Enttäuschung noch relativ leer – ein paar hundert Menschen tummelten sich vor der kleinen Bühne und schwenkten Israel-Fahnen. Doch es wurden voller. Als Anna Staroselski, eine der Organisatorinnen der Veranstaltung, Präsidentin der jüdischen Studierenden Union Deutschland und Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, um kurz nach zwei Uhr auf die Bühne trat, waren immerhin 800 Menschen zusammengekommen, um Flagge für Israel zu bekennen. Ich und meine Begleiter waren mitten in der Menge – und das ehrlich gesagt nicht ohne ein mulmiges Gefühl. Als die ersten lauten Schreie über den Platz hallten, zuckte ich etwas zusammen. Das letzte Mal, als ich auf einer sehr viel kleineren Israel-Demo war, wurde ich und andere von Arabern als „Kindermörder“, „Judenschwein“ und „jüdische Hure“ beschimpft – und das, obwohl damals für etwa 50-100 Leute sehr viel mehr Polizei vor Ort war, als bei den Massen am Sonntag. 

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Viele Demo-Teilnehmer hatten Schilder oder Banner mitgebracht, auf denen sie ihre Wut zum Ausdruck brachten.

„Israelfeindlichkeit, Judenhass und Antisemitismus haben auf unseren Straßen keinen Platz“

Doch es blieb friedlich – die lauten Schreie, die sich aus der Ferne fast wie ein „Allahu Akbar“ angehört hatten, stammten aus einer Ecke, die immer wieder lauthals skandierte: „Kein Geld für die Hamas“. Und das war ein bestimmender Satz für den ganzen Tag – eines der Dinge, die die Menschen am Brandenburger Tor am wütendsten machten. Umso bezeichnender war es, dass unser regierender Bürgermeister Kai Wegner bei seiner Rede kein einziges Wort zu den Milliarden deutscher Steuergelder verlor, die seit Jahren an die Palästinenser fließen. Wegner gab sich zwar Mühe Anteilnahme zu verkörpern, als er mit den Worten „Die schrecklichen Bilder, die uns seit gestern früh erreicht haben, erzeugen immer noch Gänsehaut bei mir“ in seine Rede einstieg, doch echte Emotionalität, Wut oder Fassungslosigkeit spürte ich bei ihm nicht. 

Wegner posierte mit Demo-Teilnehmern für Fotos.

Wegner verkörperte den Begriff „Symbolpolitik“ perfekt, während er eine Phrase nach der anderen herunterbetete und davon sprach, wie „gut“ es war, „dass wir gestern aus Berlin ein klares Signal der Solidarität gesendet haben.“ Das Brandenburger Tor in den Farben Israels anzustrahlen kam mir jedoch fast wie eine Heuchelei von einem Bürgermeister vor, der mit keinem Wort die menschenverachtenden, islamistischen Aufmärsche in Neukölln erwähnte. Das einzige, was Wegner sagte war: „Israelfeindlichkeit, Judenhass und Antisemitismus haben auf unseren Straßen keinen Platz.“ Die Urheber nennen, wollte er aber nicht. Kein Wunder, dass er deutlichen Gegenwind aus dem Publikum bekam, als er sich damit rühmte, dass man alles tun werde, um „gemeinsam mit den Sicherheitskräften hier in Berlin, jüdisches Leben, jüdische Institutionen zu schützen“. 

„Jetzt muss Berlin aufwachen, damit Samidoun Berlin nicht zu einem zweiten Gaza macht“

Ähnlich erging es der Berliner SPD-Vorsitzenden und ehemaligen regierenden Bürgermeisterin von Berlin sowie Bezirksbürgermeisterin von Neukölln Franziska Giffey. Auch sie musste sich bei ihrer Rede deutlichen Gegenwind und Buh-Rufe aus dem Publikum gefallen lassen – vor allem als sie von „erschütterten Menschen aus Neukölln“ sprach. Doch zumindest fühlte Frau Giffey sich dazu berufen, die Geschehnisse in Neukölln – auch wenn sie den Ort nicht nannte – als das zu bezeichnen, was sie waren – als „ekelhaft und widerlich“. Dafür bekam sie Zuspruch aus dem Publikum, auch wenn sie für die Phrasen über jetzt zu ergreifende Maßnahmen nur Sekunden später wieder mit Rufen wie „Alles nur blabla“ konfrontiert wurde. Schlimmer traf es nur die Fraktionsvorsitzende der Berliner Grünen, Bettina Jarasch – sie wurde schon, als sie überhaupt nur angekündigt wurde, lauthals ausgebuht. Und auch während ihrer Rede hallten immer wieder die Worte „Heuchlerin“ aus der Menge. 

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Ganz anders reagierte das Publikum bei der Rede des israelischen Botschafters Ron Prosor, der sich angesichts der Brutalität und des Terrors, der über Israel gebracht wurde, nicht nur klar, hart und treffend ausdrückte, sondern erneut die Verharmlosung der Hamas durch deutsche Medien anprangerte. Prosor sagte: „Das ist das wahre Gesicht der Hamas. Das sind keine Kämpfer oder Militante, das sind Terroristen, Punkt. Wer es jetzt nicht verstanden hat, dem ist nicht zu helfen“. Bravo-Rufe und lauten Beifall bekam der israelische Botschafter auch, als er sagte, dass sich „diejenigen, die Geld für humanitäre Zwecke, in Anführungszeichen, an die Palästinenser überwiesen haben“, jetzt fragen sollten, „was damit wirklich geschehen ist.“ Den Nagel auf den Kopf traf er aber vor allem mit seinen Worten zu Neukölln: „Jetzt muss Berlin aufwachen, damit Samidoun Berlin nicht zu einem zweiten Gaza macht“. 

Die Vorkommnisse in Neukölln sind keine Einzelfälle – Giffey im Apollo-Interview

Während die Menschenmasse vor dem Brandenburger Tor, laut Anna Staroselski, inzwischen auf etwa 2.000 Teilnehmer angewachsen war, sprachen noch die Vorsitzenden von JU, Jusos und der Grünen Jugend – und ein sehr emotionaler Volker Beck (Grüne). Beck war der einzige Redner, der sich traute zu sagen, dass die Geschehnisse in Neukölln „kein Einzelfall“ waren. 

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Erst als ich nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung – nach einer sehr berührenden Schweigeminute und dem gemeinschaftlichen Singen der israelischen Nationalhymne – Frau Giffey ansprach, bestätigte auch sie mir, dass sie die Vorkommnisse in Neukölln nicht für Einzelfälle hält – auch wenn die Polizei ihr gegenüber davon gesprochen habe, dass es nur einzelne Vorkommnisse in Neukölln gegeben habe. Sie sagte auch, dass sie die Selbstgerechtigkeit der Leute verurteilt und zeigte sich fassungslos, dass sie der Meinung wären, man dürfe das. Sie verurteilte aber nicht nur die Täter, sondern auch die Gleichgültigkeit vieler Menschen in Berlin. Zu der Zahl der Teilnehmer der Israel-Demo sagte sie ganz „es waren nicht genug“ – es hätten mehr sein müssen. 

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Auf die Frage, was man tun müsste, um Aufmärsche wie in Neukölln künftig zu verhindern und wie man gegen solche Menschen vorgehen kann, antwortete unsere ehemalige regierende Bürgermeisterin, dass sie glaubt, dass es sehr wichtig sei, die Präsenz von Ordnungsamt und Polizei zu erhöhen. Außerdem sei es wichtig, dass man sich in Schulen und Gemeinden mit der Thematik auseinandersetze. Sie würde sich wünschen, „dass am Montag in den Berliner Schulen nicht Mathe und Deutsch unterrichtet wird, sondern darüber gesprochen wird. Dass auch mit den Kindern über die Verarbeitung dieser Situation gesprochen wird“. Ein nobler Wunsch, der angesichts des Hasses den Lehrern beim Thema Israel teilweise schon bei kleinen Kindern entgegenschlägt, aber völlig utopisch erscheint. 

Viele leere Worte – und trotzdem eine wichtige Veranstaltung

Frau Giffey war im Gespräch sehr sympathisch, rückblickend scheinen aber auch ihre Äußerungen – die angekündigten Maßnahmen – nicht viel mehr als schöne, aber leere Worte zu sein. Keiner der Politiker, die am Sonntag auf dem Rednerpult standen, vermittelte wirklich den Eindruck, dass sich jetzt etwas in Berlin ändern würde. Im Gegenteil, es wird wohl alles wie gewohnt weitergehen – und in diesem Sinne, passte die Veranstaltung perfekt zum Veranstaltungsort. Immerhin schwang man die großen Reden von der Solidarität und dem unverbrüchlichen Einsatz für Israel ausgerechnet vor dem noch immer deutlich sichtbar von Farbe besudelten Brandenburger Tor. Genau wie niemand verhinderte, dass eines unserer wichtigsten Wahrzeichen und Denkmaler geschändet wird, wird die Politik sich wohl auch nicht gegen die militanten Islamisten auf unseren Straßen durchsetzen.

Trotz alledem hat mir die Teilnahme an der Israel-Demo insgesamt ein bisschen Hoffnung gegeben. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass mindestens doppelt so viele Menschen am Sonntag zum Brandenburger Tor gekommen wären, war es schön zu sehen, dass Berlin auch anders kann. Es tat mir zwar wirklich im Herzen weh zu sehen, wie junge Menschen sich am Boden in den Armen lagen und weinten und von Anwesenden zu hören, dass sie Angst um ihre Liebsten in Israel haben – ihre verzweifelten Gesichter zu sehen. Doch insgesamt hat es mir angesichts all der Frustration und der Wut über die aktuellen Ereignisse wirklich gutgetan, mit all diesen Menschen am Brandenburger Tor zu stehen – zu wissen, dass man nicht alleine ist und seinen kleinen Teil dazu beiträgt, dass nach außen sichtbar wird: Auch in Berlin gibt es Menschen, die wirklich an der Seite Israels stehen. 

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