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Immer mehr Berichte

Wahr gewordener Albtraum: Wenn das E-Auto plötzlich selbst Gas gibt

In Nutzerforen sammeln sich die Berichte über E-Autos, die auf einmal ohne Grund beschleunigen. Während Hersteller auf fehlerhaftes Nutzerverhalten verweisen, gibt es auch Stimmen, die Softwareprobleme als Ursache sehen. Ein beunruhigender Zustand.

Zukunft E-Auto? Dieser Trend verunsichert Fahrer schon heute.

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Es ist ein Horror-Szenario: Man fährt mit seinem Elektroauto auf einer dicht befahrenden Straße und möchte vor einer roten Ampel bremsen und drückt auf das Bremspedal – doch der Wagen bremst nicht, sondern fährt weiter. So lange bis man mit dem Vordermann kollidiert und dessen Kofferraum zerdrückt. Genau das passiert offenbar immer öfter, inzwischen auch auf deutschen Straßen: Elektroautos, die trotz Notfallassistent und Bremsgadgets plötzlich so ausfallen, dass es zu schweren Unfällen kommt. Während die Hersteller der E-Autos die Verantwortung bei den Fahrern sehen, gibt es Kfz-Sachverständiger und andere Experten, die mehr und mehr der Überzeugung sind, die Ursache für diese schwerwiegenden Fehler liege in der Technik. Ein beunruhigendes Urteil.

Der Spiegel erzählt die Geschichte von Simone Stolz, einer Softwareexpertin, die selbst sehr lange im Automotive-Bereich tätig war, die ein genau solches Horror-Szenario, wie gerade beschrieben, erleben musste. Sie ist mit ihrem E-Auto von Volkswagen an eine Kreuzung herangefahren und trat aufs Bremspedal. Ohne Wirkung: Das E-Auto hielt nicht an, fuhr in den Vordermann und beschleunigte dann nochmals, sodass zwei weitere davorstehende Autos auch noch in die Kollision eingebunden wurden.

Während Volkswagen seit dem Unfall auf einen Fehler im Fahrverhalten von Stolz pocht und nichts von einem Fehler innerhalb der Systemsoftware des Autos wissen möchte, beteuert Stolz seither, „machtlos“ bei dem Unfall gewesen zu sein. Es sei nicht ihr Fehler, sondern eine Fehlfunktion ihres modernen E-Autos gewesen. Und mit dieser Beobachtung ist sie nicht alleine. Tatsächlich zeichnet sich gegenwärtig anscheinend ein besorgniserregender Trend in der E-Mobilitätsbranche ab, der offenbart, dass sich manche Elektroautos offenbar auf einmal selbstständig machen und auf die Befehle des Fahrers nicht mehr hören. Das Resultat ist in der Regel ein Unfall.

Internet-Foren zeigen wachsende Fallzahl

In mehreren Internetforen berichten Elektroautofahrer von ähnlichen Erlebnissen wie jenem von Stolz. So berichteten verschiedene ADAC-Mitglieder von Situationen, bei denen ihre Elektrofahrzeuge von selbst beschleunigt hätten, ohne dass der Fahrer Gas gegeben oder einen Tempomat eingestellt hatte, so eine Klubsprecherin gegenüber dem Spiegel. Die Fallzahl wächst und wächst.

Der ADAC wolle die Fälle nun aufklären, vor allem, ob dies tatsächlich an fehlerhafter Software liegt: „Der ADAC untersucht mit eigenen Tests, ob es sich dabei um ein technisches Problem oder einen Bedienfehler handelt“, heißt es von der Sprecherin. Eine ähnliche Welle an Warnungen von Autofahrern hatte es auch 2020 in den Vereinigten Staaten gegeben. 230 Fälle verzeichnete man damals alleine bei E-Autos von Tesla, die plötzlich stark beschleunigten, angeblich ohne Zutun des Fahrers. Das Resultat: Mehr als 200 Unfälle. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA fand, nachdem sogar eine Petition zum Zurückrufen aller Tesla-Fahrzeuge großen Anklang gefunden hatte, jedoch zunächst keine Belege für die Beobachtung mit der abrupten Spontan-Beschleunigung der Autos. Man erklärte, es würde daran liegen, dass die Autofahrer das falsche Pedal drücken würden.

Während also die Hersteller immer noch auf Fehler im Nutzerverhalten verweisen, gibt es aber auch eine andere Ansicht in der Branche. Durchaus mit Grund: So sind Elektroautos von VW zuletzt immer öfter auch mit kleineren System-Patzern aufgefallen, Fehlern, die ohne Einwirkung eines Fahrers passierten. Zuletzt habe es so etwa Besitzerberichte von Ausfällen der automatischen Distanzregelung oder des Notbremsassistenten gegeben. Modelle anderer Hersteller zeigen ähnliche Elektronikprobleme – die Problematik ist also herstellerübergreifend.

Und auch Kfz-Sachverständige finden Beobachtungen, die für Fehler der Systemsoftware sprechen: „Auch mir ist das Phänomen der plötzlichen Beschleunigung bekannt“, sagt dazu auch ein Kfz-Sachverständige, der seinen richtigen Namen nicht veröffentlichen möchte und deswegen Matthias Steining genannt wird, dem Spiegel. Er sei auf Elektroautos spezialisiert und habe viele Modelle untersucht, die öfter anders reagieren, als der Fahrer möchte. Der Kfz-Technikmeister sieht den Grund klar bei einem Softwareproblem, das die unbeabsichtigte Beschleunigung möglich mache. So sagt er, dass bei Elektroautos sei ein Master-Steuergerät für alle Antriebsfunktionen zuständig, auch für den Kriechmodus, also einem Tempomat-System, so der Kfz-Technikmeister. Das könne zu elektronischen Aussetzern kommen, ausgelöst etwa durch Temperaturschwankungen. Eine mögliche Ursache dann für so ein Systemfehler, wie ihn Stolz erlebte.

Bei Automobilen, die zunehmend mit mehr Software ausgestattet sind, immer besser orten und die Umgebung wahrnehmen sollen – zudem unter Wettbewerbsdruck leiden, also möglichst günstig sein müssen, ist es aus Sicht einiger Experten zumindest nicht auszuschließen, dass es zu solchen Fehlfunktionen kommen kann. Was jedoch allenfalls klar ist: Mit zunehmender Unsicherheit bezüglich der Sicherheit von E-Autos wächst auch die Angst vor weiteren Unfällen.

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