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Prozess in Münster

V-Leute bei AfD: Verfassungsschutz will nicht versichern, sich an Regeln zu halten

In der Arbeit mit V-Leuten muss der Verfassungsschutz einige Regeln und Regularien befolgen. Im Bezug auf die AfD weigert sich die Behörde allerdings standfest, eine entsprechende Versicherung vor Gericht abzugeben. Bei einem Prozess in Münster könnte ihr das um die Ohren fliegen.

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In wenigen Tagen beginnt in Münster ein Prozess: Vor Gericht gibt es eine neue Runde im Rechtsstreit AfD versus Verfassungsschutz. Die Richter in der westfälischen Stadt müssen entscheiden, ob der Geheimdienst die Partei weiter ausforschen und öffentlich als rechtsextremen „Verdachtsfall“ anprangern darf. Die Partei prozessiert seit Jahren gegen den Inlandsgeheimdienst von Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Dabei geht es den Richtern auch um ein relevantes Kriterium: Wie stark ist die AfD von sogenannten V-Leuten durchsetzt? Gemeint sind Parteimitglieder, die als „Assets“ und Informanten mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten. Welche Rolle spielen diese Geheimdienst-Spitzel, die unter der Hand vom Staat bezahlt werden, für die ausgemachte Radikalisierung der Partei?

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Die Frage werde „Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein“, so hat es der vorsitzende Richter in diesem Fall mit dem Aktenzeichen 5 A 1218/22 nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung angekündigt. Sprich: Darüber werde man auch verhandeln, wenn man sich am 12. und 13. März zum Prozesstermin treffe. So steht es in einem Schreiben, das der Richter am vergangenen Mittwoch an die Prozessparteien verschickt hat.

Dutzende V-Leute bereits bestätigt

Im Fall der rechtsextremen NPD, die sich mittlerweile „Die Heimat“ nennt, war im Jahr 2003 ein Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geplatzt, weil in der Partei zu viele V-Leute aktiv waren. Dies hatte der Verfassungsschutz den Richtern in Karlsruhe nicht einmal mitgeteilt. Das Verfassungsgericht war erbost und befürchtete, der Geheimdienst habe durch seine vielen V-Leute womöglich sogar „steuernden Einfluss“ auf die Partei.

 Dass auch in der AfD heute V-Leute aktiv sind, ist kein Geheimnis. Erst vor drei Wochen sprach Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) im Landtag von einer „zweistelligen“ Zahl an AfD-Spitzeln, über die man mittlerweile verfüge. Als einer der ersten Verfassungsschützer bundesweit bestätigte der Leiter des Brandenburger Landesamts, Jörg Müller, eine AfD-Unterwanderung durch V-Leute schon im November 2020. In vielen weiteren Ländern sowie auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz setzen die Beamten ebenfalls auf Informanten, um hinter die Kulissen der AfD zu blicken. Das ist erlaubt, hat allerdings seine klaren Grenzen: Nach den heutigen gesetzlichen Vorschriften dürfen die Verfassungsschutzämter niemals Abgeordnete anwerben. Auch dürfen ihre V-Leute niemals „steuernden Einfluss“ auf die Partei haben. Eine Lehre aus der NPD-Klatsche in Karlsruhe.

Regeln eingehalten? Verfassungsschutz schweigt

Aber haben diese Lehren gefruchtet? Der Verfassungsschutz zumindest will nicht erklären, sich an diese Regelung zu halten. Schon vor einem guten Jahr verlangten die Anwälte der AfD zu erfahren, ob sich der Verfassungsschutz denn auch wirklich überall an diese strikten, neuen Vorschriften halte. Der Inlandsgeheimdienst solle dies zumindest „testieren“, also im Gerichtsprozess förmlich versichern, dass er genau das tue. Das ist bislang nicht geschehen. Sowohl die Landesämter für Verfassungsschutz als auch das Bundesamt halten Informationen über ihre V-Leute streng unter Verschluss. Heikel kann es für den Verfassungsschutz jetzt dennoch werden. Die AfD-Vertreter schrieben vor wenigen Tagen erneut an das Gericht in Münster mit dem Wunsch, der Verfassungsschutz möge diesbezüglich endlich testieren. Das Gericht müsse dringend aufklären, „welche entscheidungserheblichen Äußerungen einzelner Funktionäre“ in Wahrheit von V-Leuten stammten „und ob diese rechtswidrig (…) steuernden Einfluss“ auf die AfD genommen hätten oder nähmen.

Fake-Accounts als Agitatoren für relevante Netz-Beweise?

Heikel wird es auch, weil der emsige Verfassungsschutz sich an anderer Front die Chancen auf ein AfD-Verbot zerschossen haben könnte: Mit mehreren Hundert hauptamtlichen Verfassungsschutzmitarbeitern posiert der Inlandsgeheimdienst in sozialen Netzwerken mit gefälschten Accounts als Rechtsextreme User. Der Verfassungsschutz spricht von „virtuellen Agenten“. Sie dürfen in gewissem Rahmen auch Straftaten begehen, zum Beispiel Volksverhetzung. Unklar ist aber, in welchen Chatgruppen sie mit ihren rechtsextremen Fake-Accounts mitmischen. Soziale Medien und Chatgruppen – das sind aber exakt die Quellen, auf die sich der Verfassungsschutz in seinem 1000 Seiten starken Gutachten über die Radikalität der AfD „fast ausnahmslos“ stützt, schrieben die AfD-Anwälte in ihrer Berufungsbegründung an das Oberverwaltungsgericht Münster schon Ende 2022.

Wäre es da nicht gut zu wissen, ob der Staat hier und da „nachgeholfen“ hat, um einen gewünscht-problematischen Ton in AfD-Chats zu erzeugen? Eine Antwort darauf hat der Verfassungsschutz bislang nicht geben wollen. Viele Hundert Seiten Stellungnahmen hat das Bundesamt, vertreten durch die Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs, in den zurückliegenden Monaten an das Oberverwaltungsgericht Münster geschickt. Was die V-Leute betrifft, sei „die Relevanz“ des Themas aber „nicht erkennbar“. „Zur Vermeidung unnötiger Ausführungen“ will das Amt deshalb erst mal gar nichts sagen. Vorsichtig formuliert: Vertrauen inspiriert das nicht.

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