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Robert Habeck, die Religion der Wirklichkeit und ihre Schafe

"Wir sind umzingelt von Wirklichkeit", erklärt Robert Habeck bei Anne Will. Erst kürzlich predigte er auf dem Grünen-Parteitag, dass die Ideologie seiner Partei "Die Ideologie der Wirklichkeit" sei. Robert Habeck macht sich zum Jünger der Realität - und auch Sie können sein Schäfchen werden.

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Nach dem Maischbergerschen Insolvenzskandel („Die sind dann nicht insolvent, die hören nur auf zu arbeiten“), den Robert Habeck sich erst vor einem Jahr einfing, hätte man eigentlich gedacht, dass er Talkshows den Rücken zuwenden würde – ähnlich wie bei seiner Entscheidung 2019, seine Twitter- und Facebook-Accounts zu löschen, nachdem er dort mit unbedachten Äußerungen immer wieder für Aufregung gesorgt hatte. 

Andererseits wäre ein Politiker – noch dazu Vizekanzler und Bundesminister -, der gar nicht mehr außerhalb seiner beruflichen Reden vor die Öffentlichkeit tritt, weil er seinem eigenen Plappermaul nicht vertrauen kann, auch ein Armutszeugnis.

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Also nutzte der Vizekanzler seine Gelegenheit, um noch einmal bei Anne Will in der Sendung dabei zu sein, bevor diese ihre Talkshow an den Nagel hängt. „Die Welt in Unordnung – Ist Deutschland den Herausforderungen gewachsen?“ – ein sehr gefühliges Thema für das letzte Mal. Doch tragende Kalendersprüche sind ja genau Roberts Ding. Und so passte der Philosoph und Kinderbuch-Autor perfekt in die Runde aus einem Politikwissenschaftler, einem Schriftsteller und dem Präsidenten eines Museums. 

„Umzingelt von Wirklichkeit“

Muss er sonst über Geld, Insolvenz, Inflation und Wirtschaft sprechen, so konnte er hier wieder zu seiner nachdenklichen, philosophischen Seite finden. Eine echte Abwechslung zu seinem stressigen Alltag, in dem er sich ständig mit Politik beschäftigen muss – dabei hat Habeck ja auch noch Hühner, Schweine und Kühe zu melken und wer weiß, wann er das letzte Mal abgewaschen hat oder ob er noch Milch für sein Müsli hatte?  

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So gesehen war diese Sendung eine gute Gelegenheit, um sich noch mal so richtig philosophisch auszutoben. Und die ließ er sich nicht entgehen. „Fehlt der Bundesregierung eine Vision zu Europa?“, fragte Anne Will den Philosophieminister. Der antwortet: „Wir sind umzingelt von Wirklichkeit.“ Anne Will reagiert zustimmend. „Der ganze Tag ist bedrängt von akuten Problemen, die sofort gelöst werden müssen“, führt Habeck fort. 

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Es ist ein Satz, der nachdenklich macht. Erleben wir das nicht alle jeden Tag – Wirklichkeit? Und sind wir nicht alle umgeben, ja nahezu umzingelt, um nicht zu sagen, bedroht davon? Und ist unser Tag nicht auch bedrängt, beinahe besetzt und fast schon überrannt von akuten Problemen? Und oftmals, wenn auch nicht immer, entstehen dieser Probleme geradezu aus der Wirklichkeit heraus, man möchte meinen, sie seien mit ihr deckungsgleich. Und manchmal ist es nur ein akutes Problem, das einen bedrängt, und viele unterschiedliche Wirklichkeiten, die einen umzingeln. 

Es sind bedeutungsschwere Sätze, die Habeck so nonchalant fallen lässt und es ist, als würden mit ihnen auch die Wirklichkeiten und Probleme endlich von unserem Wirtschaftsminister abfallen, von ihm ablassen. Geteiltes Leid ist halbes Leid, ein Satz, der ebenfalls von Habeck überliefert sein soll und der Meister lebt wahrhaftig nach seiner Lehre. Habeck ist nun endlich an dem Punkt angelangt, an dem er versteht, was ihn da umgibt, was ihm seine Argumente zerstört und seine Reden zerredet. Es ist die Wirklichkeit, die ihn umzingelt. Doch wie mit den vielen Problemen kann er sich auch nicht mit der ganzen Wirklichkeit auf einmal befassen. Stattdessen muss alles nacheinander abgearbeitet werden. Bis da nur noch Robert ist, ganz unumzingelt und unbedrängt. 

Man spürt die Last, die Robert auf seinen Schultern trägt. Jede Bewegung ist für ihn eine Last. Die vielen Probleme und Wirklichkeiten ziehen ihn runter. Sein Wissen und seine Weisheit drücken ihn hoch. Er schultert all das für uns. Kein Wunder, dass er seinen Alltag nicht mehr bewältigen kann. Er lässt sich von all diesen Problemen bedrängen und stellt sich der Wirklichkeit, damit wir Milch für unser Müsli haben, während Robert sich der existenziellen wahrhaftigen Wirklichkeit stellen kann und er stellt sich schützend vor sie in ungewaschenen Hemden und ungekämmten Haaren. 

Die Wirklichkeit als Religion 

Man möchte sagen „Lass nur Robert, die Probleme alleine sind schon genug“, doch die Wahrheit ist – nur die Probleme öffnen die Augen für die Wirklichkeit. Ohne Wirklichkeit gibt es keine Probleme. Man muss den Ursprung bekämpfen und das tut Robert so mutig für uns. Er lässt uns an seinem Leid erst seit diesem verheißungsvollen Sonntagabend bei Anne Will teilhaben. Vielleicht war es die Konfrontation mit der Endlichkeit unseres Daseins, das ihn diesen Schritt gehen ließ.

Doch seine engsten, treusten Anhänger wissen, dieses Dilemma aus Problemen und Wirklichkeit verfolgt und beschäftigt Robert schon länger. Das erste Manifest lässt sich auf seinem Blog nachlesen. Dort veröffentlichte er Mitte November die abgetippte Version seiner Rede vom Bundesparteitag. „Was wir jetzt erleben, ist kein Spiel und verträgt keine Spielerei. Es ist ernst und es braucht Ernsthaftigkeit. Von allen.“ Was wir erleben? Die gewendete Zeit. Die werden wir nur bestehen, „wenn wir uns auf die Welt einlassen, wie sie ist“. 

Zu oft findet Politik in einer „theoretischen Welt“ statt. „Aber wir müssen auf die Welt blicken, wie sie ist.“ Und da ist sie wieder, diese Wirklichkeit. Er hat es durchschaut. Doch damit ist er bislang alleine. „Liebe Freundinnen und Freunde, ich habe in den letzten Monaten oft gelesen, die Grünen müssen in der Realität ankommen. Ich kann es nicht mehr hören. Und nichts könnte falscher sein. Die Veränderungen sind Realität, die Herausforderungen sind Realität.“ – führt Robert aus und führt fort: „Wir haben die Realität voll angenommen und stellen uns ihr. Es waren andere, die sie verweigert haben.“

Er endet seine Rede mit dem Satz, den er später zum Titel seines Manifests machen sollte: „Unsere Ideologie heißt Wirklichkeit!“ Robert Habeck offenbart damit etwas über sich. Nicht nur Philosoph ist er, der die Welt so sieht, wie es sonst keiner kann. Er ist Jünger der Wirklichkeit. So wie Gläubige umzingelt sind von Gott und bedrängt von seiner Güte, so ist ein Wissender umzingelt von der Wirklichkeit und bedrängt von ihren Problemen. Nun ergibt alles Sinn. „Hühner, Schweine, Kühe melken“? – Lediglich eine Umschreibung derer, die Habeck wirklich hinter sich schart. Und einst wird der Tag kommen, da er rufet: „Meine lieben Schafe! Befreit euch von der Umzingelung der Wirklichkeit und der Bedrängung der Probleme und legt euch in ihren Schoß. Dass auch ihr mit ihr eins werdet und euch von allen Zwängen befreit.“ Und seine Schafe werden merken, dass es gut so ist. 

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