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Neues EU-Lieferkettengesetz: Unternehmen müssen sich Klimazielen verpflichten

Das neue EU-Lieferkettengesetz ist da – und dürfte bei vielen großen Unternehmen ein Bürokratie-Chaos auslösen. Das Gesetz schreibt ihnen nämlich u.a. vor, sich „Klimapläne“ zu geben und zu verpflichten, die im Einklang mit dem 1,5-Grad-Klimaziel des Pariser Abkommens sind.

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Das EU-Parlament, der Europäische Rat und die EU-Kommission haben sich Donnerstagnacht nach langen Verhandlungen auf das sogenannte EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) geeinigt. Das neue Gesetz sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz zukünftig verpflichtet sind, bestimmten Umwelt- und Menschenrechtsstandards entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette einzuhalten – und darüber aufmerksam Bericht führen müssen. Wenn sie dagegen verstoßen, müssen Unternehmen zukünftig für die Verursachung oder Mitwirkung an negativen Auswirkungen haften.

Das alles war schon länger geplant, was aber besonders bemerkenswert ist: Unternehmen müssen zudem Klimaplänen entwickeln und sich diesen verpflichten, die ihre Geschäftsmodelle mit dem 1,5 Grad-Ziel in Einklang bringen. Heißt: Die gesamte Unternehmensphilosophie muss an das Ziel der Bekämpfung des Klimawandels angepasst werden.

Weitreichende Folgen

Für alle Unternehmen, ausgenommen denen aus dem Finanzsektor, welcher zunächst von den Sorgfaltspflichten befreit ist, zieht das Gesetz schwere Folgen mit sich. Denn anders als beim schon geltenden deutschen Lieferkettengesetz geht die neue EU-weite Regelung deutlich über den Umfang der Meldepflichten des deutschen Gesetzes hinaus: 

Denn sie konzentriert sich nicht nur auf die unmittelbaren Lieferanten, sondern umfasst sowohl die vorgelagerte Wertschöpfungskette (wie etwa Rohstoffabbau) als auch den nachgelagerten Teil (Verwendung, Verwertung, Entsorgung). Hier kommt also ein Berg an Bürokratie auf die Unternehmen und die EU zu.

Und das hängt vor allem mit dem Punkt Klimaschutz und des verlangten sogenannten „Klimaplans“ zusammen. In dem müssen sie ganz genau und penibel darlegen, wie sie die Emissionen in ihrem Geschäftsbereich und vor allem auch in ihrer Lieferkette so reduzieren, dass sie im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens stehen.

Ebenfalls verpflichtend sind Zwischenziele, die sich die Unternehmen setzen sollen. Die zuständigen Behörden der EU kontrollieren dann, ob ein Unternehmen einen solchen Plan erstellt und er die inhaltlichen Anforderungen erfüllt. Ist das nicht der Fall, drohen finanzielle Sanktionen.

Unmut aus der Wirtschaft

Ein Ergebnis, das in der Industrie für großen Unmut sorgt. Deutsche Industrieverbände wie BDI, VDMA und Gesamtmetall sehen durch die EU-Novelle die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie untergraben. Die neuen Unternehmensregeln würde die eh schon geplagte Wirtschaft nochmals ausbremsen.

„Mit der heutigen Einigung […] liefert die EU den nächsten Sargnagel für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie“, so Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), in einer Erklärung. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte, dass die Vorschriften die „Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft bedrohen“ würden.

Die deutsche Industrie befürchtet ebenfalls, dass das neue Gesetz den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen erhöhen würde. Einer Umfrage zufolge beklagen sich bereits 65 Prozent der deutschen Unternehmen über die gestiegenen Meldepflichten, für die die Industrie hauptsächlich die EU-Gesetzgebung verantwortlich macht. „Unsere Unternehmen ersticken bereits jetzt in Bürokratie. Nun kommen noch mehr Vorschriften on top. Das ist ein weiterer Nackenschlag“, sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), ebenfalls in einer Stellungnahme.

Lob von der Ampel, Kritik von der FDP

Die drei deutschen Verbände forderten die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Gesetz, das noch der formalen Zustimmung der EU-Staaten bedarf, zu verhindern. Die Bundesregierung kündigte bisher nur an, gegebenenfalls Änderungen an der Novelle für den deutschen Markt vorzunehmen.

Doch ob sich die Industrie darauf verlassen kann? Sehr unwahrscheinlich. Denn die Grünen und die SPD bejubeln heute die neuen Regeln. Die Grünen-Abgeordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn und Maik Außendorf lobten das Abkommen als „neuen globalen Standard für internationale Lieferketten“, während der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken es als „großen Schritt für den Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima weltweit“ bezeichnete. Die FDP lehnte den Kompromiss jedoch entschieden ab. „Das EU-Lieferkettengesetz ist in der vorgeschlagenen Form im Rat nicht zustimmungsfähig“, so FDP-Vize Lukas Köhler in seiner Erklärung.

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