Werbung:

Sylt

„L’amour toujours“ auf Platz 1 der Charts: Wie ein Internet-Meme das politische Berlin vor ein Dilemma stellt

Gigi D'Agostinos „L’amour toujours“ klettert auf den ersten Platz der deutschen iTunes-Charts - und die Politik steht vor einem Dilemma: Denn die Empörung über das Meme hat erst recht einen Streisand-Effekt ausgelöst - egal wie geschmacklos der Text ist.

Werbung:

Gigi D’Agostinos „L’amour toujours“ ist seit den frühen 2000er Jahren von keiner Party mehr wegzudenken. Am vergangenen Sonntag erreichte die „Small Mix“-Version des Liedes den ersten Platz der deutschen iTunes-Charts, während die Standardversion auf Platz drei landete. Und das 23 Jahre nach Veröffentlichung. Grund dafür ist die nationale Empörung über ein Dutzend Jugendlicher, die das Lied auf Sylt zum Gesprächsthema Nummer eins machten.

Doch sind nun alle, die „L’amour toujours“ in den letzten Tagen heruntergeladen oder gestreamt haben, rechtsextrem? Sicher nicht. Denn der umgedichtete Song hat sich schon vor knapp einem Jahr, im Herbst 2023, zu einer Art Internet-Meme entwickelt – als mehrere Männer bei einer Dorfparty im mecklenburg-vorpommerischen Bergholz die rechte Parole „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ anstimmten. Schon damals verbreitete sich das Video rasant im Internet – und wurde immer wieder nachgeahmt und veralbert.

Werbung

Die ältere Generation mag es sich schwer vorstellen können, aber in der Welt von Social Media sind es grade Bilder oder Videos, die etwas verbotenes, groteskes, selten dämliches oder obszönes an sich haben, die sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Sie werden nachgestellt, entfremdet, verarscht und teils auch relativ unkritisch verbreitet. Das geschieht in der Regel aber nicht mit einem politischen Hintergedanken oder aus einer tatsächlichen Zustimmung heraus, sondern als eine Art von schwarzem Humor – als Provokation, die sich auch dafür eignet, sich die ein oder anderen Klicks einzufangen.

Das mag durchaus geschmacklos und auch verurteilenswert sein, aber so funktioniert das Internet. Einige Künstler oder Unternehmen machen sich die Viralitätsmuster, vor allem in Bezug auf TikTok, sogar ganz bewusst zu nutzen – sie richten ihre ganze Marketingstrategie auf die sozialen Medien aus. Und das bedeutet häufig: dämliche Witze und voller Fokus auf Provokation. Denn wenn es eine Sache gibt, die wirklich Viralitätspotential hat, dann ist es die Tatsache, dass sich Leute darüber aufregen.

In diesem Sinne ist die zum Teil deutlich überzogene öffentliche Empörung und Verurteilung der angetrunkenen und dümmlich-naiven jungen Leute auf Sylt sogar mit daran schuld, dass sich der Song wie ein Lauffeuer verbreitet. Und davon profitieren leider auch Menschen, die tatsächlich ausländerfeindlich oder rechtsradikal sind. Sie nutzen den Hype als eine Art Hymne, um ihre ausländerfeindliche Gesinnung salonfähig zu machen und erklären, dass die deutsche Jugend nun rechts sei. Doch das ist sie nicht, nicht in diesem völkisch-nationalistischen Sinne.

Werbung

Man bekommt inzwischen den Eindruck, dass sowohl die Linke als auch Rechtsradikale das Internet-Meme für ihre Zwecke nutzen und ausschlachten. Correctiv zum Beispiel, bekannt durch eine überspannte Recherche rund um einen angeblichen „Geheimplan“ der AfD und eine millionenfache Remigration von Ausländern, plant scheinbar eine regelrechte Kampagne rund um den Song. Sie wollen „erfassen“ wo überall in Deutschland die „hässlichen Parolen von Sylt noch zum Song ‚L’amour Toujours‘ gegrölt“ wurden. Dafür bittet man die Leserschaft um Mithilfe.

Dass sich Witze und Anspielungen auf Sylt und die Melodie „Döp dö dö döp“ grade tatsächlich deutschlandweit im Internet verbreiten, ist jedoch kein Beweis für einen Aufstieg des Rechtsextremismus. Die Skandalisierung von Links und die Freude von Rechts zeigt vor allem eines: Die deutsche Politik hat den Bezug zur Jugend verloren, und es scheint so, als gäbe es aktuell keinen Weg, dass beide wieder zusammen finden würden. Ein Teil der Jugend – und das schließt auch junge Menschen mit Migrationshintergrund ein – macht sich im Netz einen Scherz aus der ganzen Situation.

Werbung

Werbung