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Skandalöse Einflussnahme

Gesetz zur Chatkontrolle: EU schaltet politische Werbung auf Steuerzahlerkosten

Die Pläne zur EU-„Chatkontrolle“ scheiterten zuletzt im Europäischen Rat. Jetzt schaltet die EU-Kommission gezielt Werbung für die Reform in den Ländern, die gegen das Vorhaben gestimmt hatten.

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Die umstrittenen Pläne der EU-Kommission zur sogenannten „Chatkontrolle“, bei der staatliche Organe die Inhalte von Millionen privater Chats generell scannen und sichten können sollen, sind zuletzt am Widerstand einiger EU-Staaten im Europäischen Rat gescheitert. Jetzt schaltet die EU-Kommission gezielt Werbung für die Chatkontrolle in den Ländern, die gegen die Reform waren.

Aufgedeckt hat das der niederländische Jurist und Digitalexperte Danny Mekić. Den Transparenzberichten der Social-Media-Plattform „X“, in denen Details zu politischer Werbung aufgelistet sind, entnahm er die Daten zur EU-Kampagne. Mekić schreibt darüber in seinem Gastbeitrag in der niederländischen Tageszeitung Volkskrant. So wurde die Kampagne für die Chatkontrolle ab dem 15. September geschaltet – nur einen Tag nachdem klar wurde, dass es für die Pläne der EU-Kommission zur Chatkontrolle keine Mehrheit im Europäischen Rat geben würde. Die Kampagne soll in den Niederlanden, Schweden, Belgien, Finnland, Slowenien, Portugal und Tschechien mehr als drei Millionen mal ausgespielt worden sein. Viele dieser Länder gelten nach Recherchen des Portals netzpolitik.org als diejenigen, die ein Durchkommen der Chatkontrolle im Europäischen Rat verhindert hatten.

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Die EU wendet Methoden an, die sie selbst streng verurteilt

Es handelt sich dabei um politisches Mikrotargeting – eine Form von gezielter Werbung. Das Ironische: Eigentlich sollen EU-Richtlinien genau solche Werbungen streng regulieren. Immer wieder wird diese Werbestrategie problematisiert. Sie ist beispielsweise Kern des Geschäfts der Skandalfirma „Cambridge Analytica“ gewesen, der man nichts Geringeres als massive Wahlbeeinflussung vorwarf. Die EU versucht in diesem Sinne gezielt, Einfluss auf die öffentliche Meinung in bestimmten Mitgliedsstaaten zu nehmen – und so vermutlich Entscheidungsprozesse zu verändern. Dass die Kommission so den Europäischen Rat beeinflussen will, ist problematisch. Dieses Mikrotargeting nach politischen und religiösen Überzeugungen verstößt laut Experte Danny Mekić nicht nur gegen die Werberegeln von „X“, sondern auch gegen das Digitale-Dienste-Gesetz der EU und die europäische Datenschutzgrundverordnung.

Im niederländischen Volkskrant schreibt Mekić: „Die Kampagne […] verwendet schockierende Bilder von jungen Mädchen neben unheimlich aussehenden Männern und bedrohlicher Musik und betreibt eine Form der emotionalen Erpressung, indem sie suggeriert, dass die Gegner des Gesetzes Kinder nicht vor Missbrauch schützen wollen.“ Weiterhin legt sie nahe, dass es hohe Zustimmungswerte zur Chatkontrolle gäbe – das ist nicht der Fall. Diese Zahlen, die die Kommission im Übrigen selbst erhoben hat, kommen nur durch arg manipulierte Fragestellungen zustande. Wie netzpolitik.org schreibt, zeigen andere, unabhängige Meinungsumfragen ein ganz anderes – negatives – Stimmungsbild zur Chatkontrolle. Mindestens an dieser Stelle überschreitet die EU-Werbung wohl die Grenze zu Des- oder Falschinformation. Bereits Anfang des Jahres war die zuständige EU-Kommissarin Johansson in die Kritik geraten, nachdem sie in einem Spiegel-Gespräch zur Chatkontrolle mehrmals die Unwahrheit gesagt oder den Leser mit irreführenden Sätzen fehlgeleitet hatte.

Mit der sogenannten „Chatkontrolle“ will die EU den Strafverfolgungsbehörden direkten Zugang zu den Inhalten von privaten Chats auf Messenger-Plattformen wie WhatsApp oder Telegram geben. Mit KI sollen Inhalte gescannt und erfasst werden. Vorgeblich gilt die Maßnahme dem Kampf gegen Kinderpornografie. Datenschützer fürchten tatsächlich jedoch einen massiven, allgemeinen Eingriff in die Privatsphäre und Kommunikation der EU-Bürger.

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